„Die Allianz steigt aus der Kohle aus“ titelte das Handelsblatt. Ähnlich positive Schlagzeilen bekam der Konzern von Spiegel online bis ZDF. Ich berate den Konzern für den WWF seit dem Frühjahr 2015, um dessen Portfolio nachhaltiger zu gestalten. Nach dem glänzenden Presseecho waren auch die Reaktionen der WWF Kollegen aus dem In-und Ausland entsprechend euphorisch.
Kein Todesurteil für die Kohle
Doch für das große Schulterklopfen ist es zu früh. Richtig, die Entscheidung ist konsequent und hat hohen Symbolwert, sie kommt aber keineswegs einem Todesurteil für die Kohle gleich. Für den Klimaschutz ist wenig gewonnen, wenn Bestandsaktien eines Kohleunternehmens den Besitzer wechseln. Mindestens auf dem grauen Finanzmarkt sind leider noch genügend mehr oder weniger undurchsichtige Investoren unterwegs, die ihr Geld gerne in Bergbau und Kohlehäfen stecken.
Dennoch verdient die Allianz Lob. Der Kohleausstieg wurde nicht nur in der PR-Abteilung erdacht, er fußt auf der strategischen Ausrichtung des größten deutschen Versicherungsunternehmens. Letzteres überrascht nicht, denn klar ist, dass die Versicherer für die Folgeschäden der Klimakatastrophe schon jetzt zunehmend zur Kasse gebeten werden. Tendenz steigend. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Manager wenig Interesse haben, sich mit klimaschädlichen Geldgeschäften ihr eigenes Finanzgrab zu schaufeln.
Homöopathie wirkt ja auch
Der Weg zu einem wirklich nachhaltigen Finanzkonzern ist allerdings noch lang. Die nun verkündete Entscheidung hat eher homöopathische Effekte, aber Homöopathie wirkt ja auch… Es lohnt ein Blick auf die Details: Allianz will sich von Beteiligungen an Firmen trennen, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes durch den Abbau von Kohle erzielen oder deren Energieerzeugung zu über einem Drittel auf Kohle basiert. Das Unternehmen ist damit strenger als der französische AXA Konzern und es legt auch höhere Standards an als der norwegische Pensionsfonds, der ebenfalls viel beachtet sein Anlageportfolio „dekarbonisiert“. Trotzdem ist die Vorgabe nicht besonders ambitioniert: Weltweit dreht die Allianz damit vielleicht 250 mehr oder weniger reinen Bergbaukonzernen potenziell den Geldhahn ab, etwa Peabody Energy, Alpha Natural Resources (die gerade Insolvenz angemeldet haben), RioTinto, Anglo American oder BHP, verantwortlich für die aktuelle Umweltkatastrophe am brasilianischen Rio Doce. Es wird damit gerechnet, dass das Münchener Versicherungsunternehmen mittelfristig etwa vier Milliarden Euro in festverzinslichen Anlagen umschichten wird und sich aus etwa 200 Millionen Euro Aktienportfolio verabschiedet. Das ist nicht einmal ein Prozent der Gesamtinvestitionen des Konzerns. Zwar nicht gerade Portokasse aber doch überschaubar!
Unabhängig von ökologischen Aspekten: Investitionen in die Kohle sind längst keine gute Anlageidee für eine auch nur mittelmäßige Rendite. Durch den niedrigen Kohlepreis, weil etwa China weniger nachfragt, sanken Aktienkurse und Kreditwürdigkeit in den vergangenen Jahren deutlich — was sich beispielsweise am Aktienkurs von Unternehmen wie Alpha Natural Resources zeigt. Näher dran an uns sind Unternehmen wie RWE, die durch die verpasste Strategieumstellung zur Energiewende in ähnliche Schwierigkeiten gerieten.
„Grüne Anleihen“ kommen
Es kommt jetzt darauf an, den Divestment-Ansatz kontinuierlich weiter zu entwickeln. Deutlich spannender und weitreichender ist es, die Investitionsentscheidungen für Ölkonzerne, Stahl- und Chemieproduzenten, Automobilbauern oder Fluglinien einer kritischen ökologischen Prüfung zu unterziehen. Dies wird alles andere als leicht: Wichtiger als die Frage, in welche Branchen man nicht investieren sollte, ist die Antwort, welche Geschäfte künftig in Frage kommen und mit Kapital ausgestattet werden sollen und müssen. Versicherungen müssen ihren Kunden eine attraktive Rendite versprechen – um diese auch langfristig zu erreichen und gleichzeitig der Finanzmarktregulierung zu entsprechen, streuen Versicherungsunternehmen ihre Anlagen. Aktien machen hier eher den kleineren Teil aus. Die Anleiheseite steht hoch im Kurs, und gerade hier versprechen die ersten Ansätze zu sogenannten grünen Anleihen, oder „Green Bonds“, eine sehr interessante Rolle zu spielen. Green Bonds, richtig gemacht, garantieren die Verwendung von Kapital in „grünen“ Projekten und sind damit eine sehr spannende Option für Anleiheinvestoren. Gerade auch, weil sie versprechen eine Größenordnung zu erzeugen, die tatsächlich Milliarden aufnehmen kann.
Beim Investment spielt die Musik
Betrachtet man das künftige Anlagegeschäft, greift der Divestment Ansatz zu kurz. Wenn ein Kohlekonzern in Gezeitenkraftwerk oder Windparks investieren will — verweigert man ihm dann auch die Kredite oder die Anleihe? Eine nachhaltige Steuerung des Portfolios ist mehr als ein Abschied von der Kohle. Die Ankündigung der Allianz, die Beteiligung an erneuerbaren Energieanlagen auf fünf Milliarden Euro zu verdoppeln gerät da in den Hintergrund. Aber hier spielt künftig die Musik. Die gesamte Finanzbranche steht vor gewaltigen Herausforderungen. Gerade weil die Unternehmen dauerhafte Renditen für ihre Kunden erzielen müssen, ist es entscheidend, ökologische und soziale Risiken frühzeitig zu berücksichtigen.
Mit einem Kapital von mehr als 600 Milliarden Euro aus Versicherungseinlagen und weiteren etwa 1,4 Billionen Euro aus Vermögensverwaltung gehört die Allianz Versicherung zu den größten institutionellen Investoren der Welt. Auch deshalb werden die Entscheidungen des Branchenriesen weltweit beobachtet. Nicht nur Umweltschützer hoffen auf einen Dominoeffekt.
WWF eingebunden
Die Allianz hat mit dem Prozess zur Portfoliosteuerung, bei dem neben dem WWF auch andere NGOs wie Transparency International und Germanwatch eingebunden sind, eine Grundlage gelegt, die es jetzt zu konkretisieren und umzusetzen gilt. Man darf gespannt sein.
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