Mee­res­spie­gel­an­stieg: Der törich­te Mensch und das Meer


Meeresspiegelansteig: Fischschwarm
Natur kann sich erholen: Fischschwarm bei den Phoenix Islands, Kiribati © Cat Holloway / WWF

Die Rea­li­tät unse­rer Welt könn­te mitt­ler­wei­le eigent­lich gut ohne Thril­ler aus­kom­men. Sie schafft ihre eige­nen. In Frank Schät­zings „Der Schwarm“ erhebt das Meer bezie­hungs­wei­se sei­ne Bewoh­ner sich gegen die Men­schen. Hier und jetzt ist etwas Ähn­li­ches zu beob­ach­ten. Nur läuft es anders­her­um. Der Mensch greift das Meer an, bringt emp­find­li­che Öko­sys­te­me aus dem Gleich­ge­wicht und scha­det damit in ers­ter Linie sich selbst.

Der neue Son­der­be­richt des Welt­kli­ma­rats IPPC zeigt genau das. Über Mona­te haben sich über 100  renom­mier­te Wissenschaftler*innen mit der Wech­sel­wir­kung zwi­schen der Kli­ma­kri­se, dem Zustand unse­rer Ozea­ne und Kryo­sphä­re und uns Men­schen aus­ein­an­der­ge­setzt. Also mit den Mee­ren  und Eis­flä­chen und ‑men­gen der Erde, die bei­de über 80 Pro­zent der Ober­flä­che unse­res Pla­ne­ten aus­ma­chen. Ihr Ergeb­nis ist über­ra­schend und erschre­ckend. Ohne mas­si­ve Maß­nah­men der Poli­tik wird bis zum Jahr 2100 mit einem Mee­res­spie­gel­an­stieg von über einem Meter gerech­net. Mit fort­lau­fen­der Erd­er­hit­zung wer­den Fisch­ster­ben und Koral­len­blei­che All­tag statt Dystopie.

Der Mee­res­spie­gel­an­stieg ist real. Auch bei uns in Deutschland.

Stich­wort Mee­res­spie­gel­an­stieg. Die  Ark­tis mag vie­len weit weg von Deutsch­land erschei­nen. Was in der Ark­tis pas­siert, bleibt aber nicht in der Ark­tis. Wir wer­den die Fol­gen ihrer Erhit­zung aber auch bei uns unmit­tel­bar spü­ren. Ohne umfas­sen­den Kli­ma­schutz wird das Polar­eis schmel­zen. Damit geht nicht nur der Lebens­raum rund um den Polar­kreis ver­lo­ren son­dern auch die Lebens­grund­la­ge für die vor­nehm­lich indi­ge­nen Gemein­den der Ark­tis. Welt­weit sind in den nächs­ten 30 Jah­ren bis zu einer Mil­li­ar­de Men­schen vom Mee­res­spie­gel­an­stieg betrof­fen und könn­ten ihre Hei­mat ver­lie­ren. Auch das Wat­ten­meer, die Hal­li­gen, Ham­burg und die deut­schen Küs­ten sind für einen Anstieg des Mee­res­spie­gels um bis zu einem Meter nicht gewappnet.

Fische ver­schwin­den, bis zu 90 Pro­zent der Rif­fe sterben

Ähn­lich dra­ma­tisch sieht es für die Fische aus. Da die Kli­ma­kri­se heizt die Mee­re immer schnel­ler auf. Seit 1993 hat sich das Tem­po bereits ver­dop­pelt. Fische wie etwa der Thun­fisch wan­dern in küh­le­re Gewäs­ser ab. Aber gera­de die Küs­ten­ge­mein­den rund um den Äqua­tor sind auf Fische­rei ange­wie­sen, sowohl für ihre Ernäh­rung als auch für ihr Ein­kom­men. Und gemein­sam mit dem bösen Zwil­ling der Erhit­zung, der Ver­saue­rung, wer­den alle Koral­len­rif­fe bei jedem der ver­schie­de­nen Erhit­zungs­sze­na­ri­os lei­den. Bis zu 90 Pro­zent der Rif­fe könn­ten abster­ben. Ein ein­zig­ar­ti­ger Lebens­raum unzäh­li­ger Fisch­ar­ten und essen­zi­el­le Ein­nah­me­quel­le für den Tou­ris­mus in den Regio­nen wäre verloren.

Auch die Ost­see ist betroffen

Doch wir müs­sen den Blick gar nicht auf tro­pi­sche Gewäs­ser rich­ten. Die Kli­ma­kri­se bedroht auch den öst­li­chen Ost­see­dorsch mas­siv. Die toxi­sche Kom­bi­na­ti­on aus land­wirt­schaft­li­cher Über­dün­gung und Mee­res­er­wär­mung sorgt dafür, dass den Dor­schen die Luft aus­geht. Gleich­zei­tig ver­schiebt sich wegen der Tem­pe­ra­tur­hö­hung das Nah­rungs­vor­kom­men für die Fisch­lar­ven. Ent­spre­chend schrumpft der öst­li­che Dorsch­be­stand so stark, dass eine Fische­rei in Zukunft schwer mög­lich sein wird.

Wie wir das Worst-Case-Sce­na­rio auf­hal­ten können

Aber halt. Noch kön­nen wir dem Thril­ler ein bes­se­res Ende schrei­ben. Denn machen wir beim Kli­ma­schutz jetzt end­lich ernst lässt sich das Worst-Case-Sze­na­rio noch abwen­den. Dazu muss jedes Land sei­nen Bei­trag leis­ten, wie unter dem Pari­ser Kli­ma­schutz­ab­kom­men eigent­lich auch schon längst zuge­sagt. Doch Deutsch­land hinkt hin­ter­her. Als Indus­trie­land mit aktu­ell und his­to­risch hohen Emis­sio­nen steht es in der Ver­ant­wor­tung, viel mehr für den Kli­ma­schutz zu tun als bis­lang. In den letz­ten zehn Jah­ren ist der Treib­haus­gas­aus­stoß bei uns kon­stant hoch geblie­ben. Und das vom Kli­ma­ka­bi­nett beschlos­se­ne Paket ist nicht das Paket, was es ange­sichts der Dring­lich­keit der Situa­ti­on bräuch­te. Bis zur gro­ßen inter­na­tio­na­len Kli­ma­kon­fe­renz Ende des Jah­res muss die Bun­des­re­gie­rung nun nachliefern.

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Mit dem Kli­ma­schutz Hand in Hand gehen muss ein bes­se­res Fische­rei­ma­nage­ment. Die ohne­hin schon stark geschrumpf­ten Bestän­den brau­chen eine Atem­pau­se. Dazu gehört, dass Fang­men­gen nach bes­ten wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen fest­ge­legt wer­den. Damit nur so viel gefischt wird, wie nach­wach­sen kann. Zusätz­lich soll­ten unse­re Schutz­ge­bie­te im Meer end­lich wenigs­tens zur Hälf­te nut­zungs­frei werden.

Die Natur kann sich erholen!

Meersspiegelanstieg: Taucher und Korallen
Tau­cher über Koral­len bei den Phoe­nix Islands, Kiri­ba­ti © Cat Hol­lo­way / WWF

Mit umfas­sen­dem Kli­ma­schutz und einer gesun­den Fische­rei­po­li­tik wür­den wir den ein­zig­ar­ti­gen Lebens­räu­men der Mee­re, Polar­re­gio­nen und Küs­ten die Chan­ce geben, sich zu erho­len. So wie bei den Phoe­nix-Inseln in der Mit­te des Pazi­fi­schen Oze­ans. Bereits 2002 wur­den die Koral­len­rif­fe die­ser Inseln von einem unge­wöhn­lich hei­ßen El Niño ver­wüs­tet. Inner­halb einer drei­jäh­ri­gen Hit­ze­pe­ri­ode wur­den über drei Vier­tel der Koral­len­rif­fe zer­stört. 2006 wur­de ein Schutz­ge­biet ein­ge­rich­tet und das Riff vor jedem direk­ten nega­ti­ven Ein­fluss des Men­schen kon­se­quent geschützt – die Kli­ma­kri­se ein­mal aus­ge­nom­men. Und sie­he da: 2015 hat­ten sich bereits über die Hälf­te der Rif­fe erholt. Bekommt die Natur Raum und Zeit, kann sie sich zumin­dest manch­mal erholen.

Die letz­ten Kapi­tel sind noch nicht geschrie­ben. Noch liegt der Aus­gang in unse­ren eige­nen Händen.

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