Die kun­ter­bun­te Welt des Wasserstoffs


Airbus
Abheben mit Wasserstoff: keine allzu ferne Zukunftsvision. © IMAGO-ABACAPRESS

Noch basiert Was­ser­stoff zu 98 Pro­zent auf fos­si­len Quel­len. Aber das könn­te sich ändern. Je schnel­ler, des­to besser.

In Lin­gen im Ems­land ging kürz­lich eine Pilot­an­la­ge zur Pro­duk­ti­on von grü­nem Was­ser­stoff an den Start.  Es dürf­te nicht die letz­te Anla­ge die­ser Art blei­ben, denn der Run auf den Stoff, aus dem die ener­gie­po­li­ti­schen Träu­me sind, steht erst am Anfang.

Dabei ist die Tech­nik, Was­ser, durch elek­tri­schen Strom in Sau­er­stoff und Was­ser­stoff zu zer­le­gen und die­sen als Ener­gie­trä­ger zu nut­zen schon ziem­lich alt. Die ers­te Elek­tro­ly­se gelang schon 1789. Eine Idee, die schon Jules Ver­ne, den Groß­va­ter aller Sci­ence Fic­tion Autoren, inspi­rier­te. In sei­ner Sto­ry „Die geheim­nis­vol­le Insel.“ ent­wi­ckel­te er die Visi­on vom Was­ser­stoff als „Koh­le der Zukunft“.

Schon Jules Ver­ne träum­te davon, Koh­le durch Was­ser­stoff zu erset­zen. © iStock-GettyImages

Das ist 175 Jah­re her, und seit­dem hat­te sein Traum immer mal wie­der Kon­junk­tur. Mal ging es dar­um, die Abhän­gig­keit von aus­län­di­schen Roh­stoff­lie­fe­ran­ten zu ver­rin­gern, mal stand der Ein­satz in der Raum­fahrt im Vordergrund.

Von Kli­ma­kri­se war zu Jules Ver­nes Zei­ten noch nicht die Rede. Aber spä­tes­tens seit die Erd­er­hit­zung immer bru­ta­ler zuschlägt und sich die Welt­ge­mein­schaft zum Abschied von fos­si­len Ener­gien ver­pflich­tet hat, wird immer deut­li­cher, dass in naher Zukunft kein Weg am Was­ser­stoff vorbeiführt.

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Ein ziem­lich bun­ter Energieträger

Das Pro­blem: Bis­lang wird der Ener­gie­trä­ger zum Groß­teil mit Strom aus fos­si­len Quel­len pro­du­ziert. Die­ser graue bzw. schwar­ze Was­ser­stoff führt nicht zu weni­ger, son­dern zu mehr Emis­si­on. Bei so genann­tem grü­nem Was­ser­stoff aus rege­ne­ra­ti­ven Quel­len ist das anders, doch der ist knapp und teuer.

Es gibt den Stoff mit der che­mi­schen For­mel H2 aber nicht nur in schwarz, grau oder grün, son­dern die Farb­pal­let­te ist brei­ter. Die pin­ke Vari­an­te basiert auf Atom­strom. Sie ist zwar CO2 arm, aber risi­ko­reich, teu­er und des­halb kein sinn­vol­ler Bau­stein für eine Ener­gie­wen­de. Wei­ßen Was­ser­stoff gibt es auch. Der kommt in natür­li­chen Lager­stät­ten vor, ist aber so sel­ten, dass er für die Lösung unse­rer ener­gie­po­li­ti­schen Auf­ga­ben wohl kei­ne Rol­le spie­len wird.

Mit einem Elek­tro­ly­seur wird Was­ser in sei­ne Bestand­tei­le zer­legt. © picture-alliance-dpa-Rolf-Vennenbernd

Kon­tro­vers dis­ku­tiert wird hin­ge­gen über blau­en Was­ser­stoff. Der basiert zwar auch auf fos­si­len Ener­gien, in der Regel auf Erd­gas, doch die CO2-Emis­sio­nen sol­len abge­schie­den und unter­ir­disch gela­gert oder wei­ter­ver­ar­bei­tet wer­den. CCS  (Car­bon Cap­tu­re and Sto­rage) ist hier das Stich­wort. Für den WWF ist das bei der Pro­duk­ti­on von Was­ser­stoff kei­ne Lösung in die knap­pe, öffent­li­che För­der­gel­der inves­tiert wer­den soll­ten. Die Lage­rung birgt Risi­ken und infra­ge kom­men­de Stand­or­te sind begrenzt. Des­halb ist CCS allen­falls etwas für Pro­zes­se, bei denen CO2-Emis­sio­nen nicht ver­meid­bar sind, z.B. bei der Zementherstellung.

Woher kommt der begehr­te Stoff

Kurz­um: der ver­stärk­te Ein­satz von Was­ser­stoff ist nur sinn­voll, wenn er Hand in Hand mit dem Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien geht. Aber auch wenn der Aus­bau von Son­ne- und Wind­ener­gie in Deutsch­land zuletzt wie­der ange­zo­gen ist, wird das hei­mi­sche Poten­zi­al  nicht rei­chen, um die natio­na­le Nach­fra­ge nach grü­nem H2 zu decken. In der 2023 über­ar­bei­te­ten Natio­na­len Was­ser­stoff­stra­te­gie, rech­net die Bun­des­re­gie­rung damit, dass bis 2030 ins­ge­samt etwa 50 bis 70 Pro­zent impor­tiert wer­den muss. Da der Bedarf danach wei­ter stei­gen dürf­te, ist es nicht ver­wun­der­lich, dass der Wirt­schafts­mi­nis­ter flei­ßig durch die Welt tourt, um sich nach poten­zi­el­len Lie­fe­ran­ten umzusehen.

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Das birgt wei­te­re Her­aus­for­de­run­gen. Das son­nen­rei­che Nord­afri­ka bie­tet sich z.B. als Stand­ort für die Pro­duk­ti­on von grü­nem Was­ser­stoff an. Doch, wo die Son­ne kräf­tig scheint, fehlt es oft an einem ande­ren Grund­stoff: Was­ser. Des­halb muss bei all den Lie­fer­ver­trä­gen sicher­ge­stellt sein, dass die Pro­duk­ti­on nicht zulas­ten der Bevöl­ke­rung vor Ort geht und das Was­ser an ande­rer Stel­le, z.B. in der Land­wirt­schaft fehlt. Wer­den die Inter­es­sen der Ein­hei­mi­schen ver­nach­läs­sigt, droht eine erneu­te „Tank oder Tel­ler-Dis­kus­si­on“ wie wir sie vom Ein­satz von Bio­sprit, etwa auf der Basis von Palm­öl, bereits ken­nen. Und auch der Umwelt wäre damit nicht gehol­fen. Der WWF setzt sich daher für umfas­sen­de Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en für die Pro­duk­ti­on für Was­ser­stoff und sei­ner Fol­ge­pro­duk­te ein.

Her­aus­for­de­rung Transport

Ohne­hin stellt der Trans­port des begehr­ten Stof­fes eine nicht unwe­sent­li­che Hür­de da. Zunächst wird Deutsch­land beim rei­nen Was­ser­stoff wohl auf euro­päi­sche Part­ner, etwa auf der ibe­ri­schen Halb­in­sel und in Skan­di­na­vi­en set­zen. Hier ist ein Trans­port über Pipe­lines noch machbar.

Beim Trans­port von Was­ser­stoff über wei­te Stre­cken gehen Tei­le des Ener­gie­trä­gers ver­lo­ren. © IMA­GO-ITAR-TASS-Ser­gei Krasnoukhov

Chi­le, Aus­tra­li­en oder Nami­bia sind zu weit weg und dürf­ten erst spä­ter oder über soge­nann­te „Was­ser­stoff­de­ri­va­te“ wie Ammo­ni­ak oder Metha­nol, also Was­ser­stoff­ver­bin­dun­gen, die ein­fa­cher zu trans­por­tie­ren sind,  ins Spiel kom­men. Zum Trans­port von Was­ser­stoff über wei­te Stre­cken wären gewal­ti­ge Inves­ti­tio­nen in die Infra­struk­tur wie den Trans­port mit Spe­zi­al­schif­fen nötig. Hin­zu kommt, dass dabei viel von dem kost­ba­ren Ener­gie­trä­ger ver­lo­ren geht.

Was­ser­stoff ist kei­ne Allzwecklösung

Trotz vie­ler Hin­der­nis­se: Was­ser­stoff wird eine wich­ti­ge Rol­le bei einer Trans­for­ma­ti­on zur kli­ma­neu­tra­len Wirt­schaft spie­len. Aber es bleibt auf abseh­ba­re Zeit ein eher teu­rer und begrenz­ter Roh­stoff. Des­halb wird es vor allem dar­um gehen, wie man den Stoff, der theo­re­tisch für vie­le Zwe­cke ein­setz­bar wäre, am sinn­volls­ten nutzt. Der Ener­gie­trä­ger ist zwar immer mal wie­der als Treib­stoff für Autos oder den Betrieb von Hei­zun­gen im Gespräch, das lässt sich aber als teu­re Spe­zi­al­lö­sung abha­ken. Elek­tro­fahr­zeu­ge und Wär­me­pum­pen sind viel effi­zi­en­ter und kos­ten­güns­ti­ger und blei­ben in abseh­ba­rer Zeit ein­deu­tig die bes­se­re Lösung.

Kann man machen, muss man aber nicht. Als Treib­stoff für Pkw ist H2 zu teu­er und wenig effi­zi­ent. © IMA­GO-Rupert Oberhaeuser

Grü­ner Stahl

Für den Was­ser­stoff bie­ten sich hin­ge­gen der Schiffs- und Flug­ver­kehr sowie die Che­mie­in­dus­trie an. Ein ganz wich­ti­ges Ein­satz­ge­biet könn­te zudem vor allem die Stahl­in­dus­trie wer­den. Die Bran­che ist in Deutsch­land für acht Pro­zent der Treib­haus­gas­emis­sio­nen ver­ant­wort­lich.  Der Grund: Bis­lang wird in den Hoch­öfen Koks als so genann­tes Reduk­ti­ons­mit­tel ver­wen­det, um die extrem hohen Tem­pe­ra­tu­ren für die Pro­duk­ti­on zu erzeu­gen. Dabei ent­ste­hen gro­ße Men­gen CO2. Die Koh­le direkt durch erneu­er­ba­re Ener­gien zu erset­zen, ist tech­nisch nicht mach­bar. Mit so genann­ten Direkt­re­duk­ti­ons­an­la­gen lie­ßen sich die CO2-Emis­sio­nen mas­siv redu­zie­ren. In einem sol­chen Ver­fah­ren wird das Eisen mit grü­nem Was­ser­stoff her­ge­stellt. Der bin­det den Sau­er­stoff aus dem Eisen­erz und hin­ter­lässt nur Was­ser als Abfall­pro­dukt. Ers­te Pilot­an­la­gen wer­den bereits von Salz­git­ter, Thys­sen­krupp und Arce­lor­Mit­tal betrie­ben. Die neu­en Anla­gen sind sehr kost­spie­lig. Daher wird es ohne öffent­li­che För­de­run­gen wohl nicht gehen, um eine Trans­for­ma­ti­on im Stahl­sek­tor ansto­ßen und Risi­ken für die Unter­neh­men zu mindern.

Alles in allem: Es tut sich was in Sachen H2. Was­ser­stoff bie­tet gro­ße Chan­cen, wenn Rah­men­be­din­gun­gen stim­men. Vie­le Fra­gen sind noch offen, aber Jules Ver­nes Visi­on von einer Was­ser­stoff­wirt­schaft nimmt kon­kre­te­re Züge an.

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