Kuh der Woche: Kuh und Meer

Kuh der Woche in Stralsund. © Roland Gramling, WWF

Die spät­herbst­li­che Pres­se­schau zur fünf­und­vier­zigs­ten Kalen­der­wo­che star­tet mit einer vor­zei­ti­gen Besche­rung: Das Bun­des­ka­bi­nett hat über das Strom­markt­ge­setz ent­schie­den und gibt grü­nes Licht für eine Art Abwrack­prä­mie für alte Koh­le­kraft­wer­ke. Eine Idee, die schon bei Autos nicht funk­tio­niert hat und ein öko­lo­gi­scher Wahn­witz war, wird jetzt ein­fach im Ener­gie­sek­tor wie­der­holt! Für den WWF ist die soge­nann­te Sicher­heits­be­reit­schaft alter Braun­koh­le­mei­ler nichts wei­ter als ein „kli­ma­po­li­tisch unnö­ti­ges Mil­li­ar­den­ge­schenk an RWE, Vat­ten­fall und die Mibrag“ – wohl­ge­merkt auf Kos­ten der Verbraucher.

Kli­ma­wan­del schlägt zu

Die Ent­schei­dung der Bun­des­re­gie­rung wirkt auch ange­sichts neu­es­ter wis­sen­schaft­li­cher Unter­su­chun­gen, als sei die aktu­el­le Ener­gie­po­li­tik noch immer nicht rich­tig in der Rea­li­tät ange­kom­men. So gab laut SÜDDEUTSCHE ZEITUNG die US-Behör­de für Ozea­ne und Atmo­sphä­re NOAA am Don­ners­tag eine Ana­ly­se her­aus, in dem 28 Extrem­ereig­nis­se wie Dür­ren oder Hur­ri­ka­ne aus dem Jahr 2014 dar­auf unter­sucht wur­den, ob der mensch­li­che Ein­fluss auf das Kli­ma etwas damit zu tun hat­te. In 18 von 32 Fäl­len kom­men die For­scher zu dem Schluss: ja, es gibt einen Effekt des Kli­ma­wan­dels. Der­weil ist der Kli­ma­wan­del laut WWF-Ana­ly­se auch im Super­markt ange­kom­men. Wäh­rend die Wet­ter­ka­prio­len die Exis­tenz von Klein­bau­ern in Erzeu­ger­län­dern bedro­hen, sind die Fol­gen für deut­sche Kon­su­men­ten bei Prei­sen und Pro­dukt­qua­li­tät etwa bei Hasel­nüs­sen oder Oran­gen schon heu­te spürbar.

It’s Fashion, Baby!

Mode­op­fer müs­sen jetzt tap­fer sein! Selbst vor den Luxus-Seg­men­ten macht der Kli­ma­wan­del laut der Luxus­hol­ding Kering — u.a. Stel­la McCart­ney (Kreisch!), Guc­ci (Dop­pel-Kreisch!) und Saint Lau­rent (Ohn­machts­an­fall!) — nicht halt. Die Risi­ken für die beson­ders auf gleich­blei­bend hohe Qua­li­tät ange­wie­se­ne Bran­che sei­en laut Kering-Stu­die enorm. Dabei dach­te ich immer: Wenn schon in den Unter­gang, dann wenigs­tens mit Stil. Aber selbst die­se Gewiss­heit ist mir nun genommen.

Kuh der Woche: Inter­na­tio­na­le Ost­see­kon­fe­renz Stralsund

Weil wir gera­de bei Schre­ckens­mel­dun­gen sind: Auch alle Kuh-Fans müs­sen nun stark sein. Kühe sind näm­lich Mit­schuld am schlech­ten Zustand der Ost­see. Oder exak­ter: Zuviel Kuh­mist auf dem Acker freut die Algen in der Ost­see. Durch Über­dün­gung wer­den näm­lich die sau­er­stoff­frei­en “Todes­zo­nen” immer grö­ßer. Die Land­wirt­schaft ist für mehr als die Hälf­te der Nähr­stoff­ein­trä­ge ver­ant­wort­lich. Über Flüs­se in die Ost­see gespül­te Dün­ge­mit­tel ent­zie­hen dem Was­ser Sau­er­stoff und för­dern Algen­blü­ten. Kein Wun­der also, dass der Kuh der Woche dies­mal aus Stral­sund kommt, wo im Ozea­ne­um gera­de die Inter­na­tio­na­le Ost­see­kon­fe­renz 2015 statt­fin­det. Unter dem Mot­to „Eine grü­ne­re Land­wirt­schaft für eine blau­e­re Ost­see“ tref­fen sich Land­wir­te, Wis­sen­schaft­ler, Poli­ti­ker und Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen aus allen Ost­see­an­rai­ner­staa­ten, um Lösun­gen und Stra­te­gien für einen effek­ti­ven Ost­see­schutz zu ent­wi­ckeln. Außer­dem wur­de mit einem fin­ni­schen Bau­ern­hof der Inter­na­tio­na­le Ost­see­land­wirt des Jah­res gekürt. Eine wich­ti­ge, lei­der viel zu wenig beach­te­te Aus­zeich­nung. Schließ­lich ist eine kran­ke Ost­see nicht nur schlecht für die Natur, son­dern auch für Tou­ris­mus und Fischerei.

Schup­pi­ge Schmuggelware

Unglaub­li­che 2674 abge­schlach­te­te und ille­gal geschmug­gel­te Schup­pen­tie­re haben die­se Woche laut einem Bericht der GLOBAL TIMES die Behör­den in Süd­chi­na auf­ge­grif­fen. Schup­pen­tie­re sind die der­zeit wohl am meis­ten ille­gal gehan­del­ten Tie­re über­haupt. Ihr Fleisch gilt als Deli­ka­tes­se und ihre schup­pi­ge Haut als angeb­li­ches Wun­der­mit­tel gegen aller­lei Gebre­chen. Nach­dem die Bestän­de in Asi­en durch die ille­ga­le Jagd stark geschrumpft sind, gera­ten nun die Arten in Afri­ka in das Faden­kreuz der inter­na­tio­na­len Wild­tier­ma­fia. Stre­ber­wis­sen am Ran­de (mit beson­de­rem Dank an WWF-Kol­le­ge Arnulf Köhn­cke): Schup­pen­tie­re haben kei­ne Zäh­ne und fres­sen fast nur Amei­sen und Ter­mi­ten. Des­we­gen dach­te man frü­her, sie wären mit Amei­sen­bä­ren und Gür­tel­tie­ren ver­wandt. Neue Unter­su­chun­gen zei­gen aber, dass die nächs­ten leben­den Ver­wand­ten der Schup­pen­tie­re tat­säch­lich die Raub­tie­re sind.

Vom Schach­ro­bo­ter zum Androiden

Und jetzt noch ein Blick in die — wahr­schein­lich nicht all­zu fer­ne — Zukunft. Vor eini­gen Wochen habe ich mich an die­ser Stel­le bereits damit aus­ein­an­der­ge­setzt, wie wahr­schein­lich es ist, dass ich eines Tages auf der Arbeit von einem Robo­ter ersetzt wer­de. Auf JETZT.DE wid­met sich nun Frie­de­mann Karig in einem Essay einer neu­en, künst­li­chen Intel­li­genz, die ihrer­seits das Poten­ti­al haben könn­te, die Mensch­heit zur bedroh­ten Spe­zi­es zu machen. Sei­ne The­se: „Die künst­li­che Intel­li­genz wird kom­men. Ganz sicher, und viel­leicht sogar ganz bald.“ Im Kino hat sich übri­gens vor eini­gen Mona­ten Regis­seur Alex Gar­land mit dem sehens­wer­ten Strei­fen Ex Machi­na der Pro­ble­ma­tik genähert.

Roland Gramling ist Exil-Franke, Frankfurt-Fan und Berlin(West)-Bewohner. Nach dem Online-Journalismus-Studium in Darmstadt wechselte er auf die dunkle Seite der Macht und verkaufte seine Seele an die PR und Pressearbeit. Seit 2008 ist er Pressesprecher beim WWF Deutschland und seitdem auf der Suche nach dem Kuh des Lebens (oder zumindest der Woche). Er findet Pandas süß und Wölfe cool und hält Lady Gaga für die größte Poetin seit Oscar Wilde. Sonntags ist er stets am Tatort und damit grundsätzlich verdächtig. Kurzweilige Desorientierung ist mitunter beabsichtigt aber nie gewollt. Er kann nicht über sich selbst lachen und hält das auch noch für witzig. Fleisch kommt ihm nicht auf den Teller aber gerne mal unters Messer. Für ihn ist das Internet noch total Neuland-mäßig, aber die gedruckte Zeitung schon längst tot. In diesem Sinne: Muuuh!
Auch interessant
[Sassy_Social_Share]