Getö­te­ter Wisent bereits zuvor ange­schos­sen: Der Wes­ter­wald ist nicht der Wil­de Westen

Wisente in freier Wildbahn: Nach Ausrottung wieder angesiedelt (Archivbild) © Michi Gandl, WWF

Kei­ne gute Nach­richt für den Arten­schutz in Deutsch­land: Der im Wes­ter­wald auf­ge­fun­de­ne und zu sei­ner Erlö­sung erschos­se­ne Wisent­bul­le ist nun ein Fall für die Staats­an­walt­schaft. Zum einen wur­de bei der Obduk­ti­on des toten Tie­res eine älte­re Schuss­ver­let­zung fest­ge­stellt, die nicht im Zusam­men­hang mit dem töd­li­chen Schuss steht. Die­se meh­re­re Mona­te alte Ver­let­zung könn­te der Grund für den all­ge­mein sehr schlech­ten Zustand des Tie­res gewe­sen sein. Zum ande­ren ist auch die recht­li­che Grund­la­ge für den erlö­sen­den Schuss im Juni frag­lich, da zuvor wohl nicht die not­wen­di­ge Geneh­mi­gung des Umwelt­mi­nis­te­ri­ums ein­ge­holt wurde.

Erschos­se­ner Wisent im Wes­ter­wald: Fol­ge einer älte­ren Straftat

Die alte Schuss­wun­de aus dem Obduk­ti­ons­be­richt lässt die Schluss­fol­ge­rung zu, dass der Wisent schon zuvor unrecht­mä­ßig ange­schos­sen wur­de. Das wäre selbst bei nicht geschütz­ten Arten ein Pro­blem. Denn ange­schos­se­nes Wild muss vom Jagd­be­auf­trag­ten gesucht und erlöst wer­den. Davon abge­se­hen sind Wisen­te laut euro­päi­schem und natio­na­lem Recht aber streng geschützt und dür­fen kei­nes­falls bejagt wer­den. Die Schuss­ver­let­zung ist dem­entspre­chend ein Ver­stoß gegen das Bundesnaturschutz‑, sowie das Bun­des­jagd­ge­setz. Die­ser Straf­tat muss nach­ge­gan­gen und die Täter:innen müs­sen ange­mes­sen bestraft wer­den! Wer einem Tier einer streng geschütz­ten Art ohne ver­nünf­ti­gen Grund nach­stellt, es fängt, ver­letzt oder tötet, begeht eine Straf­tat und kann mit einer Frei­heits­stra­fe von bis zu fünf Jah­ren oder einer Geld­stra­fe belegt wer­den (BNatSchG §71 in Anleh­nung an §44).

Wie kam der Wisent­bul­le in den Westerwald?

Das Tier stammt von einer frei­le­ben­den Her­de im 150 Kilo­me­ter ent­fern­ten Rot­h­aar­ge­bir­ge im Sau­er­land in Nord­rhein-West­fa­len. Dort wur­den die uri­gen Wild­rin­der 2013 wie­der ange­sie­delt. Da männ­li­che Wisen­te allein los­zie­hen, um ande­re Weib­chen zu fin­den, ist der Bul­le Rich­tung Süden abge­wan­dert und schließ­lich im Wes­ter­wald angekommen.

War­um muss­te der Wisent erschos­sen werden?

Am 21. Juni 2022 wur­de der Wisent­bul­le völ­lig ent­kräf­tet und schwer ver­letzt in Sel­ters in Rhein­land-Pfalz gefun­den. Anschei­nend hat­te sich das Tier meh­re­re Bei­ne gebro­chen und lag schon län­ge­re Zeit am Boden. Auch ein Maden­be­fall wur­de fest­ge­stellt. Nach Abstim­mung von Poli­zei, dem Jagd­aus­übungs­be­rech­tig­ten und einem tier­ärzt­li­chen Not­dienst wur­de der Wisent auf­grund sei­nes schlech­ten Gesund­heits­zu­stands von einem Jäger erschossen.

Laut Bun­des­na­tur­schutz­ge­setz ist für die leta­le Ent­nah­me eines streng geschütz­ten Tie­res wie dem Wisent jedoch zwin­gend eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung not­wen­dig, wel­che laut Medi­en­be­rich­ten nicht vor­lag. Die Ent­schei­dungs­be­fug­nis liegt in so einem Fall allein beim zustän­di­gen Ministerium.

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Nicht der ers­te gewil­der­te Wisent in Deutschland

Im Jahr 2017 gab es bereits einen Fall, der durch die Medi­en ging: Nach der Aus­rot­tung der Wisen­te in Deutsch­land über­quer­te ein Wisent­bul­le erst­mals nach meh­re­ren Jahr­hun­der­ten die Gren­ze von Polen nach Deutsch­land. Kurz nach dem Grenz­über­tritt wur­de der Wisent, der zu uns in die Hei­mat sei­ner Vor­fah­ren zurück­ge­kehrt war, in Lebus in Ost­bran­den­burg ohne vor­han­de­ne Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung erschos­sen. Der WWF hat damals Straf­an­zei­ge wegen des Abschus­ses gestellt. Das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um Bran­den­burg stuf­te die Tötung des Wisents als ille­gal ein. Auch die ille­ga­le Tötung von ande­ren unter Arten­schutz ste­hen­den Tie­ren wie zum Bei­spiel Wöl­fen, Luch­sen oder Greif­vö­geln ist kei­ne Sel­ten­heit in Deutschland.

WWF for­dert umfas­sen­de Aufklärung

Dass es nun wie­der eine ille­ga­le Hand­lung gegen einen Wisent gab, scho­ckiert uns als WWF sehr und zeigt, wie wich­tig die Arbeit für den Arten­schutz in Deutsch­land wei­ter­hin ist. Denn ohne die Unter­stüt­zung der Men­schen vor Ort und der Behör­den sieht es für die Arten­viel­falt in Deutsch­land düs­ter aus. Die ille­ga­le Tötung oder das Ver­let­zen eines streng geschütz­ten Tie­res ist kein Kava­liers­de­likt. Des­halb for­dern wir als WWF Deutsch­land eine umfas­sen­de Unter­su­chung und Auf­klä­rung des Fal­les, damit es zu kei­nen wei­te­ren ille­ga­len Abschüs­sen von unter Schutz ste­hen­den Tie­ren kommt.

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Wisen­te schüt­zen, Wil­de­rei verhindern

Um wei­te­re Fäl­le wie in Lebus und im Wes­ter­wald künf­tig zu ver­hin­dern, setzt sich der WWF im EU-Inter­reg geför­der­ten Pro­jekt Los­Bo­nasus-Crossing!  für die Lösung von Kon­flik­ten zwi­schen Wisent und Mensch ein und erar­bei­tet Emp­feh­lun­gen für ein art­ge­rech­tes Manage­ment und Moni­to­ring der gro­ßen Pflanzenfresser.

Zusam­men für den Umweltschutz“

Das Pro­jekt „Łoś­Bo­nasus – Crossing!“ wird durch die Euro­päi­sche Uni­on aus Mit­teln des Fonds für Regio­na­le Ent­wick­lung (EFRE) im Rah­men der Gemein­schafts­in­itia­ti­ve „Inter­reg VA Meck­len­burg-Vor­pom­mern / Bran­den­burg / Polen“ kofi­nan­ziert. Ziel der Initia­ti­ve ist die För­de­rung der ter­ri­to­ria­len Zusam­men­ar­beit zwi­schen EU-Mit­glied­staa­ten und benach­bar­ten Nicht-EU-Län­dern. Das Pro­gramm för­dert grenz­über­grei­fen­de Maß­nah­men der Zusam­men­ar­beit u.a. im Bereich des Umweltschutzes.

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Seit wann gibt es in Deutschland wieder Elche und wieso braucht man Herdenschutzhunde, um Weidetiere vor dem Wolf zu schützen? Als Biologin beim WWF bin ich für die Öffentlichkeitsarbeit für Wildtiere in Deutschland und Europa zuständig. Dabei unterstütze ich unsere europäischen Partner in der Projektkommunikation und erhalte Einblicke in ganz verschiedene und spannende Themenfelder, über die ich hier im Blog berichte.

Kommentare (13)

  • Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für den unermüdlichen Einsatz für die Natur. Ich bin bereits WWF-Protektor, werde meinen Einsatz aber noch steigern. These are crucial times.

  • Die Menschen haben den Tieren die Hölle auf Erden gebracht … danke für ihren Einsatz … tierquälerei muss bestraft werden … was sind das für Menschen, die Tieren leid zufügen … wir müssen aktiv für die Umwelt und die Tiere kämpfen.

    • Der erste Schuss muss unbedingt verfolgt werden! Im erlösenden zweiten Schuss mag vielleicht nicht der rechtlich absolut korrekte Weg beschritten worden sein. Auch wenn diese Rechte wichtig sind, wurde dem Tier mit der Entscheidung weiteres unnötiges Leid erspart und es wurden mehrere offizielle und kompetente Stellen (Jagdausübungsberechtigter, Polizei, Tierarzt) hinzugezogen. Die beiden Taten sind nicht vergleichbar und sollten nicht gleich verfolgt werden, weil sonst niemand mehr im Sinne des Tieres handeln wird.

  • Es ist mir völlig unverständlich, dass der WWF in diesem Beitrag insbesondere die Tötung des schwer verletzten Tieres, dessen Leiden angesichts insbesondere mehrerer gebrochener Beine unbestreitbar war und zudem noch von einem Tierarzt bestätigt wurde, anprangert und auf das vorherige Beantragen einer Ausnahmegenehmigung pocht.

    Man kann die völlig berechtigte Forderung nach Aufklärung auch stellen, ohne das strikte Einhalten einer rechtlichen Praxis einzufordern, die in diesem Fall das Tierleid nur völlig unnötig verlängert, wenn durch einen Fachmann bereits festgestellt wurde, dass das Tier leidet und es keine sinnvolle Prognose für ein gesundes, schmerzfreies Weiterleben gibt. Dass es eine Regelung gibt, dass Tiere streng geschützter Arten nur mit Ausnahmegenehmigung getötet werden dürfen, ist definitiv sinnvoll, allerdings nur in anders gelagerten Fällen, wo es z.B. darum geht, ob das besagte streng geschützte Tiere eine Bedrohung z.B. für Menschen oder andere streng geschützte Ziele im Bereich des Artenschutzes o.ä. darstellt. In solchen Fällen würde das Abwarten aber für das betroffene Tier kein Leiden darstellen, im Gegenteil.

    Hier aber ist meiner Meinung nach definitiv eher die Frage relevant, was den Wisent in seine Lage gebracht hat, die für ihn dann ein derartiges Leiden bedeutete, dass eine Euthanasie aus Tierschutzgründen dringend und eilbedürftig angeraten war, d.h. es ist auf die Frage nach dem ersten Schuss abzustellen, nicht darauf, ob die Tötung in diesem Fall unangemessen war.

  • Also wenn es dem Wiesent so schlecht ging das er gelitten hat und eine Genesung unwahrscheinlich ist, dann muss vor Ort entschieden werden können, ob er erlöst wird oder nicht und nicht in irgend einem Ministerium. Das dauert doch viel zu lange und ist zu weit weg. Im Sinne des Tieres kann so eine lange Meldekette, in so einer Extremsituation, nicht sein.

  • Das einzige, was ich an dem Bericht kritisiere ist, dass man erst die Genehmigung des zuständigen Ministeriums hätte einholen müssen, um das arme Tier zu erlösen. Dafür hätte der Wisent völlig unnötig noch länger leiden müssen. Ich finde, in diesem Fall war es gut und richtig, nicht erst noch tagelang zu warten, bis sich im Ministerium mal irgendjemand der Sache annimmt.

  • das Problem existiert schon lange, geändert hat es sich aber nur zum Nachteil. NRW-CDU Kurzzeit Agrarministerin Schulze-Föcking hat den Wilderern seinerzeit einen Bärendienst erwiesen und 2018 die Stabsstelle für Umweltkriminalität aufgelöst. Wir haben viele große Umweltverbände, was leisten diese konkret außer Probleme zu beschreiben? Wilderern in Deutschland fallen mittlerweile sogar schon Polizisten zum Opfer und die Hobbyjägerschaft macht sich immer noch ihre eigenen Gesetze, auch "Taubensportler" und Geflügelzüchter gehören immer wieder zu den üblichen Verdächtigen. In so manchem Revier geht es schaurig zu. Selbst in der Landwirtschaft gibt es noch geächtete Tiere, die sinnfrei vernichtet werden und als Vogelscheuchen aufgehängt werden. Jaa, auch heute noch, trotz generellem Vogelschutz werden, aus welchem Grund auch immer "Ausnahmebewilligungen" erteilt. Die Politik, aber auch die strafverfolgenden Behörden zeigen wenig bis gar kein Interesse Umweltkriminalität ernsthaft zu verfolgen. Natur und nichtmenschliche Lebewesen haben bis Heute wenig bis gar keinen Wert. Ich erstelle mir nun eine Liste mit den von "Naturausbeutern" verwünschten Tieren, die als Konkurrenz angesehen werden und ständig als mysteriöse Opfer aufgefunden werden. Auch der Errichtung von Windenergieanlagen fielen viele geschützte Vogelarten zum Opfer, vor und nach dem Bau. Das ist heutzutage sogar politisch relativiert.

  • Es ist wirklich nicht zu glauben! Alles, was nach Deutschland kommt, wird sofort erschossen. So ging es vor Jahren dem Bär, der aus Polen kam und nun der Wisent. Wenn das arme Tier sogar gebrochene Beine hatte, was ist ihm geschehen? Das muss hart bestraft werden.

  • Lange überfällig, härtere Strafen für Tierquäler u. auch in diesem u. ähnlichen Fällen, wo Jäger sich das Recht nehmen, entscheiden zu dürfen, welches Tier erschossen wird. Tierqual, leider weltweit, aber auch bei uns in Deutschland, besonders sog. Nutztiere sind betroffen. Ihre alltägliche Qual wird viel zu selten gezeigt. Strafen für Tierqual sind selten u. dann zu mild. In Hilter/Landkreis Osnabrück ließ ein Tierhalter 300 Schweine verhungern(Nov. 2021). Bekannte Ausreden wie es dazu kam ..., Fakt aber: es war nicht mehr profitabel, die Tiere auf einem extra zugepachteten Hof zu versorgen. Die Schweine fraßen sich teils gegenseitig. Extreme Qual, Streß, Schmerz für die Schweine, sie waren eingesperrt, konnten nicht entkommen. Das Urteil des Gerichts in Oldenburg: Geldstrafe, Tierhaltungsverbot, aber keine Haftstrafe, obwohl dieses Verbrechen nicht im Affekt geschah, sondern wissentlich, geplant. Nach 2 oder 3 Tagen wäre auch noch eine Fütterung möglich gewesen. 12 000 Euro Vermögen waren vorhanden. Die 65 Rinder auf dem eigenen Hof wurden gefüttert. Dieses Urteil ist eine Schande - und Urteile dieser milden Art sind üblich - in Deutschland!

  • das Problem existiert schon lange, geändert hat es sich aber nur zum Nachteil. NRW-CDU Kurzzeit Agrarministerin Schulze-Föcking hat den Wilderern seinerzeit einen Bärendienst erwiesen und 2018 die Stabsstelle für Umweltkriminalität aufgelöst. Wir haben viele große Umweltverbände, was leisten diese konkret außer Probleme zu beschreiben? Wilderern in Deutschland fallen mittlerweile sogar schon Polizisten zum Opfer und die Hobbyjägerschaft macht sich immer noch ihre eigenen Gesetze, auch "Taubensportler" und Geflügelzüchter gehören immer wieder zu den üblichen Verdächtigen. In so manchem Revier geht es schaurig zu. Selbst in der Landwirtschaft gibt es noch geächtete Tiere, die sinnfrei vernichtet werden und als Vogelscheuchen aufgehängt werden. Jaa, auch heute noch und trotz generellem Vogelschutz werden, aus welchem Grund auch immer "Ausnahmebewilligungen" erteilt. Die Politik, aber auch die strafverfolgenden Behörden zeigen wenig bis gar kein Interesse Umweltkriminalität ernsthaft zu verfolgen. Natur und nichtmenschliche Lebewesen haben bis Heute wenig bis gar keinen Wert. Ich erstelle mir nun eine Liste mit den von "Naturausbeutern" verwünschten Tieren, die als Konkurrenz angesehen werden und ständig als mysteriöse Opfer aufgefunden werden. Auch der Errichtung von Windenergieanlagen fielen viele geschützte Vogelarten zum Opfer, vor und nach dem Bau. Das ist heutzutage sogar politisch relativiert.

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