Es ist Mittag und ein riesiger Mangobaum schützt uns vor der Sonne. Gemeinsam mit Kollegen sitze ich im Kreis und unterhalte mich mit gut 30 Bauern im Silowana-Komplex in Südwestsambia. Zum ersten Mal besuche ich ein afrikanisches Land südlich des Äquators.
Im südwestlichsten Zipfel Sambias, an der Grenze zu Angola und Namibia, bin ich mehrere Stunden auf von chinesischen Firmen gebauten Straßen gefahren. Vorbei an kleinen Maisfeldern, aus denen verkohlte Baumstümpfe hervorragen, ging die Fahrt. Nur wenige Kilometer Richtung Westen liegt der Sioma Ngwezi Nationalpark und auf der anderen Seite – oft in Sichtweite – liegt der Sambesi. Und nun sitze ich unter einem Mangobaum und höre zu.
Die Familien, nicht selten mit acht Kindern, ernähren sich von kleinen Feldern, die sie dem Wald abgerungen haben. Meist nicht größer als ein bis zwei Hektar. Nach nur wenigen Jahren sind die Böden ausgelaugt, so dass dann neue Waldstücke gerodet werden, um dort Mais anzubauen. Die offenen Savannenwälder werden dadurch immer kleiner. Schlecht fürs Klima, die Menschen selbst und Wildtiere wie Elefanten. Die brauchen nämlich diese Wälder, um zum Wasser des Sambesi zu gelangen. Elefantenland. Tja — und umso mehr Wald gerodet wird, desto öfter stoßen Mensch und Tiere zusammen.
Die Ernte reicht nicht
Die Bauern pflanzen hauptsächlich Mais an. Zwar mittlerweile wieder mit Methoden, die die Böden fruchtbar erhalten und mit wenig bis gar keinem Dünger. Aber die Erträge sind nur in wirklich guten Jahren so, dass sie ausreichen, um die Familie zu versorgen und durch kleine Verkäufe noch ein zusätzliches Einkommen zu generieren.
In der diesjährigen Regenzeit sind die Regenfälle jedoch gering: Selbst ich als Europäer kann leicht erkennen, dass es nicht mal reichen wird, die Familie irgendwie mit ausreichend Essen zu versorgen.
Unter dem Mangobaum sitzend wird uns klar: Diese Menschen werden in diesem Jahr auf Hilfe von außen angewiesen sein. Ansonsten werden sie hungern.
Sambia und Deutschland: Ein himmelweiter Unterschied
Mitte 2014 hatten wir beim WWF Deutschland zusammen mit den Kollegen vom WWF Sambia die Planung für das Projekt mit Kleinbauernfamilien in Südwestsambia begonnen. Wir diskutierten Themen wie Bodenfruchtbarkeit, Saatgut und den Verlust von Ernte — den sogenannten Nachernteverlust.
Zeitgleich unterhielten wir uns in Berlin, wie wir Deutschlands riesige Mengen weggeschmissene Lebensmittel in der Öffentlichkeit thematisieren und politische Prozesse vorantreiben können.
Hungern und Überfluss — Die Extrempole zwischen Industrieländern und dem Süden
Wie absurd kommt es mir vor, den Familien in Sambia zu erläutern, dass wir in Deutschland das Essen einfach wegschmeißen. Essen das wir in tollen Gunstgebieten ernten können — also bei tollen Böden und gemäßigtem Klima. Von den importierten Lebensmitteln oder Viehfutter (das zu Fleisch und Milch „verwandelt“ wird) ganz zu schweigen. Wobei in Deutschland nur gut fünf Prozent der Lebensmittel direkt nach der Ernte — als sogenannte Nachernteverluste — verloren gehen.
Nachernteverluste liegen bei einem Drittel der Ernte
Zurück nach Sambia. Dort ist es gravierend anders: Die Menschen verlieren in guten Jahren große Teile ihres Mais oder der anderen geernteten Nutzpflanzen durch schlechte Lagerbedingungen. Noch kann ich nicht exakt sagen, wie hoch diese Verluste sind, weil in diesen Regionen schlicht keine offiziellen Statistiken erhoben werden. Weltweit gehen Statistiken von etwa 30 Prozent Verlusten bei Getreide in Ländern südlich der Sahara – also auch Sambia – aus. Die Bauern bestätigen im Gespräch in etwa die Zahlen.
Meist sind es Nager, Insekten und deren Larven oder auch Schimmelpilze, die die Nahrungsmittel ungenießbar machen. Beim Rundgang durch das Dorf wird deutlich, warum das so ist. Mais liegt offen auf dem Boden zum Trocknen. Die Speicher sind aus geflochtenen Ästen gebaut, so dass Tiere leichten Zugang haben. Um Schädlinge fernzuhalten, nutzen die Bauern meistens Asche, die mit dem Mais vermischt wird.
Ich bin gespannt, welche Lösungen unsere sambischen Kollegen in den nächsten zwei Jahren mit den Dorfbewohnern entwickeln, um die Verluste zu reduzieren.
Greifbare Folgen
Während wir nach dem Besuch wieder stundenlang im Auto durch die Gegend geschüttelt werden, wird klar, wie greifbar hier die Folgen von Lebensmittelverlusten werden. Die Familien haben in schlechten Jahren schlicht zu wenig zu essen, beziehungsweise zu wenig Überschüsse und damit Einnahmen. Gleichzeitig verursachen die Verluste den Druck, mehr zu arbeiten. Schließlich muss man ein Drittel mehr Land bewirtschaften, um die Verluste wettzumachen. Neben der Mehrarbeit steigt der Druck auf das Land.
Ich hatte nicht den Mut, den Dorfbewohnern zu erzählen, dass in Deutschland genauso viel Essen verdirbt — aber nicht weil die Aufbewahrungsmöglichkeiten fehlen! Sondern weil wir zu viel einkaufen und die Supermärkte immer alles vorrätig haben, auch wenn der Laden in 30 Minuten schließt.