Müll-Medi­ta­tio­nen: Tütentraining

6,1 Milliarden Plastiktüten - spätestens in unseren Meeren ein tödliches Problem. © iStock / Getty Images

Nun ist es wie­der pas­siert. Zu lan­ge habe ich mich in mei­nem Porte­mon­naie mit den Mün­zen ver­hed­dert und schon habe ich an der Kas­se mei­nen Arti­kel in der Hand: Ver­packt in einer Plas­tik­tü­te, der Erb­sün­de der Kon­sum­ge­sell­schaft schlechthin.
Nor­ma­ler­wei­se gelingt mir recht­zei­tig ein has­ti­ges „Es geht ohne Tüte, dan­ke“. Die Kas­sie­rer schau­en meist irri­tiert, stop­fen aber den Plas­tik­beu­tel wie­der unter die The­ke. Offen­sicht­lich gehö­re ich unter den Freaks, die hier im Frank­fur­ter Bahn­hofs­vier­tel an der Kas­se auf­lau­fen, noch zur harm­lo­se­ren Variante.

Plas­tik: Gefahr für See­hund & Co

Nun schlep­pe ich mei­nen Ein­kauf also in einer Plas­tik­tü­te nach Hau­se. Wird die­se Tüte im Meer schwim­men und den Mee­res­be­woh­nern den Gar­aus machen? Immer­hin gelan­gen jedes Jahr grob geschätzt etwa 10 Mil­lio­nen Ton­nen Plas­tik­müll in die Mee­re. Als Strand­gut las­sen die­se Plas­tik­tei­le vor­mals wei­ße Süd­see­strän­de aus der Fer­ne betrach­tet aus­se­hen wie ein bun­tes Bäl­le­bad. Schlim­mer noch: See­hun­de ver­hed­dern sich in Net­zen, Vögel ster­ben an zu viel Plas­tik im Magen und Leder­schild­krö­ten ver­wech­seln im Meer schwim­men­de Plas­tik­tü­ten mit Qual­len, ihrer Nahrung.

Was pas­siert nach der Gel­ben Ton­ne? © iStock / Get­ty Images

Und mei­ne Plastiktüte?

Nun, soweit wird es mit mei­ner Plas­tik­tü­te ver­mut­lich nicht kom­men. Wenn ich die Tüte nicht gera­de über den Deich wer­fe, bie­tet in Deutsch­land der Gel­be Sack oder die Gel­be Ton­ne die Mög­lich­keit, die Plas­tik­tü­te ord­nungs­ge­mäß zu ver­sen­ken. Der Ver­pa­ckungs­müll lan­det dann in Sor­tier­an­la­gen. Mit einem Ver­fah­ren namens „Wind­sich­tung“ wer­den Plas­tik­tü­ten und ande­re Foli­en aus dem Abfall­strom gebla­sen, so dass die­se sepa­rat wei­ter ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen. Ergeb­nis ist aller­dings ein Gemen­ge aus ver­schmutz­ten Res­ten ver­schie­de­ner Kunststoffgattungen.
Letzt­end­lich ist die Aus­wahl an Pro­duk­ten, die aus die­sem Recy­cling-Mate­ri­al her­ge­stellt wer­den kön­nen, über­schau­bar: Dick­wan­di­ge Müll­sä­cke oder Bau­fo­li­en sind das Ergeb­nis die­ses Recyclings.

Recy­cling allein reicht nicht

Ist also alles palet­ti mit mir und mei­ner Plas­tik­tü­te, solan­ge ich sie nur in die rich­ti­ge Ton­ne schmei­ße? Ein Blick auf die Zah­len lässt mich zwei­feln: Jedes Jahr wer­den in Deutsch­land 6,1 Mil­li­ar­den Plas­tik­tü­ten auf den Markt gewor­fen. Mit einem Ver­brauch von 71 Plas­tik­tü­ten pro Ein­woh­ner steht Deutsch­land in Euro­pa dabei sogar noch ganz gut da. In Polen und Por­tu­gal sind es bei­spiels­wei­se fast 500 Tüten pro Ein­woh­ner und Jahr. Laut EU-Beschluss muss die Durch­schnitts­men­ge in Deutsch­land bis zum Jahr 2025 auf höchs­tens 40 Tüten pro Kopf und Jahr sin­ken.

Machen wir uns nichts vor: Im Grun­de sind Plas­tik­tü­ten ein durch und durch sinn­lo­ser Arti­kel. Roh­stof­fe wer­den ver­braucht und das Kli­ma belas­tet, um ein­mal sei­nen Ein­kauf nach Hau­se zu tragen.

War­um Ein­weg­tü­ten? © iStock / Get­ty Images

Unnüt­ze Plas­tik­tü­ten: War­um ändern wir nichts?

Alter­na­tiv kann ich eine Ein­kaufs­ta­sche mit in den Laden neh­men oder einen Baum­woll­beu­tel für den Spon­ta­n­ein­kauf mit­füh­ren. So wie frü­her eben. War­um wird das trotz­dem so wenig gemacht? Um den Gebrauch von Plas­tik­tü­ten ein­zu­däm­men, kom­men mir so eini­ge Gedan­ken­spie­le in den Kopf. Zum Bei­spiel: „Das Betre­ten des Lebens­mit­tel­mark­tes ist nur bei Mit­füh­ren eines aus­rei­chend dimen­sio­nier­ten Ein­kaufs­be­hält­nis­ses gestattet.“

Hmja, soweit wol­len wir es dann doch nicht kom­men las­sen. Ande­re Gedan­ken­spie­le sind da schon ernst­haf­te­rer Natur. Zum Bei­spiel ein deut­li­cher Preis­auf­schlag für Ein­weg­tü­ten. In Irland ist es so gelun­gen, den Ver­brauch um 96 Pro­zent auf 20 Stück pro Ein­woh­ner und Jahr zu sen­ken. Respekt also. Auch für uns Deut­sche ein Vorbild.

Eine Ein­kaufs­ta­sche zum Liebhaben

Wer­den wir als mone­tär getrie­be­ne Meu­te erst etwas ändern, wenn die Ein­weg­ta­sche an der Kas­se einen Euro kos­tet? Viel­leicht ist es Zeit, das The­ma mit einem ande­ren inne­ren Bewusst­sein anzu­ge­hen. Ist mei­ne Ein­kaufs­ta­sche nicht ein treu­er Beglei­ter auf Lebens­zeit? Viel­leicht soll­ten wir unse­rer Ein­kaufs­ta­sche einen Namen geben. Oder sie mit dem Auto­gramm eines bekann­ten Fuß­ball­stars ver­se­hen. Nur damit wir immer dar­an den­ken, unse­ren zuver­läs­si­gen Beglei­ter nicht allei­ne zu Hau­se ste­hen zu las­sen. Es ist wie mit dem Zäh­ne­put­zen. Immer dran den­ken, dann schleift es sich lang­sam in unse­re All­tags­ge­wohn­hei­ten ein.

So kom­me ich also nach Hau­se und stop­fe das klei­ne Plas­tik­tüt­chen zu den gefühlt 200 ande­ren Plas­tik­tü­ten in die Schub­la­de. Ja, ja: „Wir arbei­ten dran“. Auch eine schö­ne Ausrede.

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Ich arbeite seit über 20 Jahren beim WWF und versuche, in der Arbeit mit Unternehmen den ökologischen Fußabdruck so zu reduzieren, dass am Ende tatsächlich etwas Messbares herauskommt. Der Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie begleitet mich dabei täglich. Ein thematischer Schwerpunkt meiner Arbeit ist das Thema Verpackungen und Recycling. Ich beobachte gerade mit Entsetzen, wie die Weltmeere in eine Plastiksuppe verwandelt werden und hoffe, dass wir es schaffen, weltweit vorhandenen Sachverstand zusammenzubringen, um das Problem zu lösen.

Kommentare (12)

  • Der einfachste Weg ist ein Verbot von diesen dünnen Plastiktüten. Eine Reihe von "Drittweltländern" haben uns das schon vorgemacht.

    • Hier ist immer "nur" von den dünnen Plastiktüten die Rede ...
      Viel schlimmer finde ich jedoch, dass heutzutage fast jedes Lebensmittel in Plastik steckt und der Verbraucher kaum eine Wahl hat dem zu entgehen. Es sei denn er kauft alles z. B. auf dem Wochenmarkt.

      • Und leider werden nach meinem Eindruck ganz besonders häufig Bio-Obst und -Gemüse vor dem Verkauf in (i.d.R. konventionellen) Supermärkten in Plastikfolie eingeschweißt - warum das so ist oder sein muss ist mir noch nicht klar geworden (vielleicht um ungewolltes oder absichtliches Vertauschen mit konventionellen Lebensmitteln zu verhindern?).

  • Generell finde ich, anhand einer Entplastikfizierung [privat als auch beruflich],dauerhaft ein Zeichen zu setzen. Ziel ist es, dem nächsten zum Mitmachen zu animieren und somit eine Welle der Solidarität mit den leidenden Meeres-Mitbewohnern zu bekunden.

  • Ich weiss ja nicht wie ihr euren Muell sammelt und abtransportiert aber ich brauche jedenfalls Plastiktueten als Muellbeutel auf anstatt rollenweise welche zu kaufen.

  • Das Schlimmste, der Gipfel der Dekadenz sind Waffeln und Popcorn in massiven schweren Plastikeimern!!! Ein Mal gekauft und gegessen wird dann der gesamte Plastikeimer weggeschmissen. Das muss wirklich nicht sein.
    Aber ja, das mit den Plastiktüten ist auch schlimm.

  • bedauerlich ist, dass die Erziehung k e i n e Plastikverpackungen zu verwenden nicht schon im Elternhaus, in den Kindergärten, später in den Schulen, gelehrt/vermittelt wird. Jedes Schulheft und Buch und Pausenbrot wird in Plastikhüllen/-Folie verpackt. - In der frühen Erziehung fängt es an... Und wieviel Plastikflaschen werden von Jugendlichen weggeworfen,obwohl sie mit 0,25 € Pfand belegt sind?

  • Auch in jedem Bekleidungsgeschäft und jeder Apotheke bekommt man eine Plastiktüte, ohne sie bezahlen zu müssen. Ich nehme selbst bei Mode immer eine eigene Tasche mit. Die Modegeschäfte könnten sic diese Kosten sparen und das Geld lieber den Näherinnen zukommen lassen.

  • Ich muss Martina zustimmen, man kommt einfach nicht drum rum, schaue man sich mal in den Supermärkten um. Es ist richtig übel geworden. Und die Leute packen sich selbst Bananen in die kleinen, dünnen Gratistütchen. 2-fach Plastik umverpackt und was es nicht alles gibt, mit der Ausrede: Hygiene.
    Plastik vergiftet uns und die Tiere und es scheint einfach niemanden ernsthaft zu interessieren. Es ist den meisten schlicht egal...
    Die Plastik ist in der Herstellung auch einfach viel zu billig, da müssen schlicht die Steuern rauf. Es muss im Portmonee weh tun, allein mit Appellen bekommt man die Leute nicht zum Umdenken.

  • Hallo,
    in meiner Stadt gab es vor einigen Tagen einen sehr interessanten Vortrag eines Bloggers, der über seine Erfahrungen, von Plastik wegzukommen, berichtet hat (plastic-diary.blogspot.de) - das hat mich zum Nachdenken über mein eigenes Konsumverhalten gebracht: da ist noch Luft nach oben. Aber ich finde, es geht nicht NUR ums Plastik, sondern überhaupt darum, wie wir mit (begrenzten) Ressourcen umgehen: z. B. Aluminium: das ist viiiel zu schade für Getränkedosen, Alufolie und diese grässlichen Einweg-Teelichthalter. Gemessen am Energieaufwand, der für die Herstellung von Aluminium nötig ist sind die Einweg-Verpackungen aus Alu eigentlich viel zu billig?!

  • Finde es unverantwortlich wie egal es manchen Menschen ist, wohin das Plastik verschwindet. In Bad Neustadt/Saale bekommt man seit ein paar Monaten nur noch eine Plastiktüte wenn man diese auch bezahlt, um unnötige Umweltverschmutzung einzugrenzen. Sollte überall so gemacht werden. Ist ein Anfang...

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