Plas­tik im Meer: Die See­kuh räumt auf

Was tun gegen Müll im Meer? © Brent-Stirton-Getty-Images / WWF

Plas­tik im Meer ist eine Pest, mit bit­te­ren Fol­gen für die Mee­res­na­tur. Unse­re Ozea­ne ver­sin­ken im Plas­tik­müll.  Die­se Stu­die zeig­te, dass 20 Län­der für 83 Pro­zent der Plas­tik­ein­trä­ge von Land ver­ant­wort­lich sind. Nun haben Umwelt­schüt­zer zusam­men mit Werf­ten den Kata­ma­ran “See­kuh” ent­wi­ckelt, der grö­ße­re Plas­tik­tei­le aus den Bin­nen- und Küs­ten­ge­wäs­sern fischen kann, bevor sie einen der gro­ßen Müll­stru­del errei­chen.

Modell der “See­kuh” © One Earth — One Oce­an e. V.

Die Lübe­cker “See­kuh” lässt sich zer­le­gen und an jeden Ort der Welt trans­por­tie­ren, viel­leicht ja auch ein­mal in den Hot­spot Asi­en und an die dor­ti­gen Pazi­fik­küs­ten. Und wenn sie sich bewährt, wer­den sicher wei­te­re See­kü­he fol­gen. Einen Ver­such ist es alle­mal wert.

30 Jah­re Plas­tik im Meer — und kein Ende

Als ich 1987 für den WWF bei der zwei­ten Nord­see­schutz­kon­fe­renz in Lon­don war — der Kon­fe­renz, bei der Prinz Charles in sei­ner Eröff­nungs­re­de sag­te “die Pati­en­tin könn­te ster­ben, noch bevor die Dia­gno­se gestellt ist” und so das Vor­sor­ge­prinzp aus der Tau­fe hob — hat­ten eini­ge Umwelt­ver­bän­de die Akti­on “back to sen­der” gestar­tet: An Strän­den der deut­schen Bucht wur­de ange­spül­ter Müll ein­deu­tig bri­ti­schen Ursprungs gesam­melt und in Lon­don vor das Kon­fe­renz­ge­bäu­de geschüttet.

So kommt der Müll ins Meer

Wie ihr sicher wisst, brei­ten sich Schad­stof­fe, Öl und Müll in der Nord­see mit Strö­mun­gen gegen den Uhr­zei­ger­sinn von West nach Ost aus. Und das Ver­ei­nig­te König­reich hat­te damals unter den Nord­see­an­rai­nern ‑zu Recht- noch den Ruf des Schmutz­fin­ken, auch was die Ein­lei­tung von Abwäs­sern oder Ver­klap­pung von Klär­schlamm betraf. Der damals gefun­de­ne und retour­nier­te Müll, neben Plas­tik auch Glas und Holz, stamm­te jedoch über­wie­gend von Schif­fen, die ihren Abfall auf See ent­sorgt hat­ten. Und das ist in unse­ren Gewäs­sern auch heu­te noch so, ganz anders als im Mit­tel­meer, Asi­en und Afri­ka, wo der meis­te Müll von der Land­sei­te kommt, über die Flüs­se, mit dem Wind, aus küs­ten­na­hen Depo­nien usw.

Plas­tik im Meer: Übel­tä­ter Schifffahrt

Dem Mee­res­schutz fehl­te lan­ge der Durch­blick © Marine-Photo-Bank

Aber das hat­ten wir in den 1980er und 1990er Jah­ren ein­fach noch nicht auf dem Schirm. Das gilt für alle damals am Mee­res­schutz Betei­lig­ten in den Indus­trie­staa­ten, die Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen nicht aus­ge­nom­men. Also wur­den zwar wich­ti­ge, aber ein­sei­ti­ge Beschlüs­se erwirkt und erkämpft. Die Inter­na­tio­na­le Schiff­fahrts­or­ga­ni­sa­ti­on (IMO) ver­bot welt­weit die Ent­sor­gung von Plas­tik im Meer. Auf Antrag der Nord­see­staa­ten erklär­te sie die Nord­see zum Son­der­ge­biet, in dem auch ande­re Fest­stof­fe nicht mehr über Bord gehen dür­fen. Die EU ver­ab­schie­de­te eine Richt­li­nie zu Ent­sor­gungs­an­la­gen in euro­päi­schen Häfen. Das Bild an unse­ren Strän­den hat sich seit­dem sicht­lich ver­bes­sert, wäh­rend in ande­ren Regio­nen des Oze­ans schlei­chend ein rie­si­ges Pro­blem ent­stand und lan­ge Zeit über­se­hen wur­de, sicher auch, weil in Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­dern der Gebrauch von Ein­weg­plas­tik und Gebrauchs­ge­gen­stän­den aus Kunst­stof­fen mehr und mehr in Mode kam und Chi­na die Pro­duk­ti­on ankurbelte.

Es bleibt dabei: Ent­schei­dend ist es, an die Ursa­chen zu gehen. Es muss ‑neben sinn­vol­len Müll­sam­mel­ak­tio­nen wie mit der “See­kuh”- vor­ran­gig dar­um gehen, in den Pro­blem­re­gio­nen auf Indus­trie und Märk­te ein­zu­wir­ken, sowie eine funk­tio­nie­ren­de Abfall­kreis­lauf­wirt­schaft aufzubauen.

Sonst kann es gar nicht genug See­kü­he geben, um das gan­ze Plas­tik wie­der aus dem Meer zu holen…

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Als Meeresökologe, Zoologe und Biochemiker war Stephan Lutter seit 1988 beim WWF und einer der ersten international arbeitenden Meeresschützer. Einige große Schutzgebiete und -Zonen auf der Hoch- und in der Tiefsee hätte es ohne sein Engagement nicht gegeben. Seine Expertise war international geschätzt, sein Einsatz für unsere Meere einzigartig. - Zu unserer großen Trauer ist Stephan verstorben. Einen Nachruf auf den engagierten Meeresschützer findet ihr hier: https://blog.wwf.de/stephan-lutter-nachruf/ -

Kommentare (8)

  • Hallo erstmal,
    viel Kunststoff-Müll wird auch durch Überschwemmungen / Hochwasser usw. ins Meer gespült.
    Die Kunststoff-Tragetaschen abzuschaffen ist nur ein ganz, ganz geringer Beitrag. Was ist mit Gefrierbeuteln und anderen Kunstoffartikeln?

  • Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern, daß ist erst 35-40 Jahre her. Da waren Lebensmittel sogut wie überhaupt nicht in Plastik verpackt und jetzt? Ich verstehe nicht den Sinn, es mag in manchen Augen praktisch sein, es macht uns aber krank und verseucht die Umwelt. Die Entsorgung ist nicht gewehrleistet, die Recyclingquote ist erschreckend. Wir müssen handeln.
    Tilo

  • Ich habe den Artikel bereits in der Zeitung gelesen und mich hat es sehr gefreut. Es ist immer wieder einmal auch mein Thema, vor allem wie die Industrieländer, Firmen, Konzerne etc. damit umgehen, was zu einer Katastrophe, zum Vandalismus an der Zukunft unserer Kinder wird. Nur, wenn ich die Zahlen der Müllmenge ansehe, die in kurzer Zeit im Meer verschwindet, dann können selbst viele "Meehrkühe" leider kaum was ausrichten und ich befürchte es bleibt beim guten Willen weniger Idealisten. Es müssten effektiv mehrere Fabriken her, die in der Dimension von Bohrinseln da Aufräumarbeit leisten - eventuell gleich weiterverarbeiten...
    Sorry, das ist keine Kritik, sondern meine Befürchtung...
    Die Politik müsste hier mehr Verantwortung zeigen. Das Thema wäre wirklich was für die Grünen, die schon in anderen Bereichen wertvolle Vorarbeit geleistet haben, nun jedoch mitrudern oder unterzugehen drohen - während sich die anderen Parteien nun mit dem brüsten, was die Grünen unter enormem Kraftaufwand anleierten.

  • Wenigstens das, was ohne großen Aufwand möglich ist, sollte man als Verbraucher/in vermeiden - ist es doch machbar, zum Einkaufen immer eine Stofftasche oder einen Korb zu benutzen. Auch auf den Wochenmärkten wären Plastiktüten nicht wirklich notwendig - es muss nicht alles ein- oder verpackt werden. Leider ist immer noch eine große Gedankenlosigkeit angesichts dieser Umweltproblematik "Plastik" vorhanden. Wir können alle etwas tun, wenn wir bei uns selbst anfangen!

  • Vor allen Dingen muss die Industrie es unterlassen, ihre Werbung in Plastik verschweißt, uns unaufgefordert in den Briefkasten zu schmeißen. Es gibt kaum noch einen Gegenstand, der nicht aufwendig in Plastik verpackt wird. Teilweise ist die Verpackung teurer als der darin verpackte Gegenstand!

  • Kann man nicht die Menschen im Fernsehen über die Plasteanteile in Fleecepullovern und Körperpflegemitteln aufklären? So erreicht man alle und nicht nur WWF-Mitglieder und Symphatisanten. Das Verbreiten von Infos und Petitionen in den Sozialen Medien funktioniert auch nur unter jungen Leuten.
    Peelings sind im Grunde ein Luxus den niemand braucht. Auch über übertriebene Reinlickeit und damit höheren Verbrauch an Körperpflege- und Waschmitteln müsste man diskutieren. Und die Hersteller dazu bringen, die Plastikkügelchen wegzulassen.
    Plastiktüten: Wir hatten früher immer einen Stoffbeutel in der Handtasche für einen evtl. kurzfristigen Einkauf. Wenn es nirgends mehr Plastiktüten gäbe, würden die Menschen auch heute solche Beutel einstecken. Plastiktüten gehören verboten! Auch abgepackte Lebensmittel in Plastik kann man abschaffen. Man müsste allerdings ein paar Leute einstellen, die das Zeug frisch an der Theke verkaufen. Das würde sich im Preis niederschlagen. Aber damit wären die Kosten für den Umweltschutz auf breiteren Schultern verteilt und nicht nur auf ein paar Spendern.

  • Ein Verweis auf offizielle Ratgeber (s. Link unten), die Produkte mit Mikroplastik aufweisen bzw. Firmen, die auf solche verzichten, ist bei solchen Artikeln ungemein relevant. Viele Leute wissen nicht, dass es passende Ratgeber gibt, wenn nicht einmal ein Artikel des WWF darauf verweist. Ich hoffe, ihr könnt das in Zukunft nachholen. Nur so kann der Verbraucher auch von seiner Marktmacht Gebrauch machen - die Kennzeichnung von Mikroplastiken ist leider weiterhin nicht vorgeschrieben.
    http://www.bund.net/themen_und_projekte/meeresschutz/muellkampagne/mikroplastik/erfolg/

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