Gro­ße, klei­ne oder kei­ne Wasserkraft?

Die Wildheit unserer Flüsse fällt dem Ausbau der Wasserkraft zum Opfer – aus gutem Grund? © Karl Seidl / WWF

Seit über hun­dert Jah­ren prägt sie das Bild unse­rer Flüs­se und spä­tes­tens seit dem rus­si­schen Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne und der damit ver­bun­de­nen Ener­gie­kri­se rückt sie wie­der ver­stärkt ins Bewusst­sein: Die Wasserkraft.

Ihr Prin­zip ist so ein­fach wie geni­al. Eine Kon­struk­ti­on im Fluss­lauf wan­delt durch, naja, Was­ser-Kraft Bewe­gungs- in elek­tri­sche Ener­gie um und speist die­se in unser Strom­netz ein. Je grö­ßer der Fluss, des­to grö­ßer kön­nen die Anla­gen sein und des­to mehr Strom pro­du­zie­ren sie. Stun­de für Stun­de, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Ohne durch Dun­kel­heit oder Wind­stil­le beding­te Pausen.

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Fast so zuver­läs­sig wie ther­mi­sche Kraft­wer­ke (also sol­che die mit Kern­spal­tung, Koh­le, Öl oder Gas betrie­ben wer­den) drü­cken Was­ser­kraft­an­la­gen unab­läs­sig ihren Strom in unser deut­sches Netz, wel­ches mit durch­schnitt­lich nur zehn Minu­ten Aus­fall im Jahr 2020 im inter­na­tio­na­len Ver­gleich einen Spit­zen­platz besetzt.

Hoff­nungs­trä­ger der Energiewende?

Die Was­ser­kraft ist als Rück­grat der Ener­gie­ver­sor­gung kaum weg­zu­den­ken. Hat sie auch das Poten­zi­al, die Ener­gie­wen­de von mor­gen ent­schei­dend vor­an­zu­brin­gen? Eher nicht. Denn Was­ser­kraft­wer­ke haben Schwach­stel­len. Und die­se sind so ekla­tant, dass wir sie in unse­re Über­le­gun­gen mit ein­be­zie­hen müs­sen, um den tat­säch­li­chen Wert von Strom aus Was­ser­kraft bewer­ten zu kön­nen: Zum einen tref­fen die oben beschrie­be­nen Vor­tei­le nur auf gro­ße Kraft­wer­ke zu. Zum ande­ren haben alle Was­ser­kraft­wer­ke einen nega­ti­ven Ein­fluss auf den Ursprungs­zu­stand der Gewäs­ser und auf vie­le Orga­nis­men, die in die­sem Zustand natür­li­cher­wei­se vor­kom­men wür­den. Und die­ser Ein­fluss ist massiv.

Der Ein­fluss von Was­ser­kraft­wer­ken auf die Gewäs­ser und deren Orga­nis­men ist mas­siv © Zet­ter / iStock / Get­ty Images

Das Pro­blem mit der Wasserkraft

Anders als Pho­to­vol­ta­ik- oder Wind­kraft­an­la­gen beein­flus­sen Was­ser­kraft­wer­ke einen voll­stän­dig räum­lich abge­trenn­ten Lebens­raum. Durch ihre Weh­re und Däm­me ist stets der gesam­te Fluss und auf vol­ler Brei­te betrof­fen. Für Fische gibt es kei­ne Mög­lich­keit, Gewäs­ser­ab­schnit­te mit Was­ser­kraft­nut­zung ein­fach zu umschwim­men. Die Ver­rin­ge­rung die­ser öko­lo­gi­schen Durch­gän­gig­keit ist einer der Haupt­grün­de für das stil­le Ver­schwin­den der aqua­ti­schen Tier­welt. Fisch­po­pu­la­tio­nen, die fluss­auf- oder abwärts durch die Anla­ge schwim­men müs­sen, um ihren Lebens­zy­klus zu ver­voll­stän­di­gen, wer­den im bes­ten Fal­le für eini­ge Zeit auf­ge­hal­ten. Im schlimms­ten Fall ster­ben sie lokal aus.

Ein ande­rer wich­ti­ger Grund wird von Fach­leu­ten „hydro­mor­pho­lo­gi­sche Degra­da­ti­on“ genannt. Die für den Was­ser­kraft­be­trieb not­wen­di­gen Bau­wer­ke ver­än­dern das Gewäs­ser nach­hal­tig, ver­drän­gen typi­sche Fluss­le­bens­räu­me und erset­zen sie durch Struk­tu­ren, die man sonst eher in Still­ge­wäs­sern fin­den wür­de. Die­se sind aber für vie­le Arten essen­zi­ell und kön­nen nicht ein­fach durch ande­re Lebens­raum­ty­pen ersetzt wer­den. Dazu kommt die Sterb­lich­keit der Fische in den Tur­bi­nen. Im Schnitt ster­ben mehr als ein Fünf­tel aller Fische beim Durch­wan­dern einer Wasserkraftanlage.

Natür­li­che Fluss­le­bens­räu­me, wie hier an der Elbe, wer­den von der Was­ser­kraft ver­drängt © Melis­sa Frie­be / WWF

Zu viel Was­ser oder zu wenig

Auch die stark ver­än­der­ten Abfluss­mus­ter, die durch die Was­ser­kraft ent­ste­hen, sind ein Pro­blem. Wird viel Strom benö­tigt oder sind die Prei­se auf dem Strom­markt beson­ders hoch, las­sen man­che Kraft­wer­ke inner­halb kür­zes­ter Zeit gigan­ti­sche Was­ser­men­gen durch die Tur­bi­nen. Schwimm­schwa­che Arten und Lebens­sta­di­en wer­den so ein­fach weggespült.

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Sinkt der Strom­be­darf oder der Strom­preis, fah­ren die Betrei­ber ihre Anla­gen wie­der her­un­ter, eben­falls oft inner­halb weni­ger Minu­ten. Gan­ze Gewäs­ser­ab­schnit­te wer­den durch die­sen soge­nann­ten „Schwall-Sunk-Betrieb“ tro­cken­ge­legt oder von ande­ren abge­schnit­ten. Die viel­fäl­ti­gen natur- und arten­schutz­recht­li­chen Auf­la­gen, tech­ni­schen Lösun­gen und Aus­gleichs­maß­nah­men, die den Bau und Betrieb sol­cher Anla­gen beglei­ten, ver­mö­gen ihre Pro­ble­me zu einem gewis­sen Grad zu ent­schär­fen. In der gesamt­heit­li­chen Pra­xis lösen sie sie jedoch nach­weis­lich nicht.

Eine Fra­ge der Skalierung

Nun gut –  könn­te man mei­nen – in einem gro­ßen Fluss ste­hen gro­ße Kraft­wer­ke und leben vie­le Fische. Klar, dass der Ein­fluss von die­sen gro­ßen Kraft­wer­ken beson­ders hoch ist. Um den öko­lo­gi­schen Scha­den der Anla­gen zu begren­zen, müss­te man also nur her­un­ter­ska­lie­ren. Und auf die klei­nen Fluss­ab­schnit­te in den Mit­tel- und Ober­läu­fen aus­wei­chen. Wo nur klei­ne Kraft­wer­ke ste­hen, die bei glei­cher Wehr­hö­he eine kür­ze­re Gewäs­ser­stre­cke auf­stau­en und in denen nur klei­ne Tur­bi­nen ihre Arbeit ver­rich­ten. Aber so ein­fach ist es nicht. Im Gegenteil.

Die Öko­lo­gie der Oberläufe

Die öko­lo­gi­sche Inte­gri­tät der Ober­läu­fe der klei­nen Gewäs­ser ist deut­lich höher als die der gro­ßen Gewäs­ser. Das liegt dar­an, dass gro­ße Gewäs­ser unter so genann­tem „mul­ti­plem Stress“ lei­den. Jeder will ein Stück von ihnen abha­ben: Die Schiff­fahrt (Schiff­fahrts­stra­ßen), die Land­wirt­schaft (Was­ser­ent­nah­me und Land­nut­zung in der Aue), Sied­lun­gen (Flä­chen­nut­zung und Ver­sie­ge­lung, Trink­was­ser­ge­win­nung), Klär­wer­ke (Ein­lei­tung von geklär­ten Abwäs­sern), Kraft­wer­ke (Kühl­was­ser) und natür­lich die Was­ser­kraft (Strom­ge­win­nung).

Nicht allein die Was­ser­kraft setzt ins­be­son­de­re gro­ße Gewäs­ser unter mas­si­ven Stress © Jupi­ter­images / iStock / Get­ty Images

In der Kon­se­quenz sind gro­ße Flüs­se in Deutsch­land alles ande­re als natür­lich. Sie sind hoch­ge­züch­te­te Indus­trie­infra­struk­tu­ren, die mit einem natür­li­chen Gewäs­ser unge­fähr so viel zu tun haben wie ein moder­ner LKW mit einer Schub­kar­re. Je klei­ner jedoch das Gewäs­ser und je gerin­ger der men­schen­ge­mach­te Ein­fluss auf sie, des­to vor­sich­ti­ger muss agiert wer­den, um sei­ne öko­lo­gi­sche Inte­gri­tät zu wahren.

Fast noch wich­ti­ger als die Unver­sehrt­heit der klei­nen Ober­läu­fe sind ihre grund­sätz­li­chen öko­lo­gisch wich­ti­gen Struk­tu­ren: In den Ober­läu­fen fließt das Was­ser schnel­ler, ist käl­ter und kla­rer und hat einen höhe­ren Sau­er­stoff­ge­halt. Der Gewäs­ser­grund ist geprägt von gro­bem Kies, in dem eine gro­ße Anzahl an ein­zig­ar­ti­gen aqua­ti­schen Lebens­räu­men exis­tiert. Tie­re, die die­se sehr spe­zi­el­len Lebens­räu­me nut­zen, sind evo­lu­tiv dar­an ange­passt. Zu die­sen „Habi­tat­spe­zia­lis­ten“ gehö­ren etwa Lach­se, Forel­len, Äschen, Elrit­zen oder Groppen.

Unren­ta­bi­li­tät der Kleinwasserkraft

Um Fischen den Auf­stieg in die Ober­läu­fe der Gewäs­ser, wo man­che Arten lai­chen, zu ermög­li­chen, ist an allen Was­ser­kraft­an­la­gen eine Fisch­auf­stiegs­an­la­ge vor­ge­schrie­ben. Die dafür benö­tig­te Was­ser­men­ge wird in der Regel als „Pro­zent vom Gesamt­ab­fluss“ bemes­sen und liegt etwa zwi­schen 2 Pro­zent (bei sehr gro­ßen Was­ser­kraft­an­la­gen) und 5 Pro­zent (bei klei­nen). Im Umkehr­schluss kann eine klei­ne­re Anla­ge weni­ger Was­ser rela­tiv zur Grö­ße des Flus­ses durch ihre Tur­bi­nen schi­cken als eine gro­ße. Das macht klei­ne Anla­gen inhä­rent weni­ger pro­fi­ta­bel, wes­we­gen auf eine ord­nungs­ge­mä­ße Dota­ti­on der Fisch­auf­stiegs­an­la­ge oft ver­zich­tet wer­den muss.

Klein­was­ser­kraft­wer­ke pro­du­zie­ren kaum genü­gend Strom, um die Kos­ten für Schutz­maß­nah­men zu decken © Andre­as Volz / WWF

Die­se tra­gi­sche Kau­sa­li­tät ist nur ein Bei­spiel für die mit sehr spit­zem Blei­stift kal­ku­lier­te Wirt­schaft­lich­keit klei­ner Was­ser­kraft­wer­ke. Vie­le klei­ne Anla­gen pro­du­zie­ren schlicht nicht genug Strom, um die ver­hält­nis­mä­ßig hohen Kos­ten, die bei der Instal­la­ti­on von Fisch­schutz­maß­nah­men und ‑wan­der­hil­fen sowie einem öko­lo­gisch vor­teil­haf­te­ren Betrieb anfal­len, decken zu können.

Gro­ße Anla­gen, im Gegen­zug, sind leis­tungs­fä­hig, gehö­ren meist zu gro­ßen, inter­na­tio­nal agie­ren­den Unter­neh­men, die auch groß­räu­mi­ge, kos­ten­in­ten­si­ve Maß­nah­men umset­zen kön­nen. Beliebt sind unter ande­rem kom­bi­nier­te Ansät­ze, die auf­wärts wan­dern­de Fischen weit­räu­mig um das Kraft­werk her­um füh­ren und ihnen gleich­zei­tig einen Teil ihres Lebens­rau­mes bereit­stel­len, der in den rie­si­gen Stau­hal­tun­gen der Kraft­wer­ke ver­lo­ren ging.

Die Umwelt­be­las­tung bleibt

Sowohl gro­ße als auch klei­ne Was­ser­kraft­wer­ke üben mas­si­ven Stress auf ihre Umwelt aus und sind mit­ver­ant­wort­lich für das kra­chen­de Ver­feh­len bedeut­sa­mer inter­na­tio­na­ler Umwelt­zie­le. Rech­net man jedoch dem Ein­fluss eines Kraft­werks die von ihm pro­du­zier­te Strom­men­ge gegen wird die Unver­hält­nis­mä­ßig­keit vie­ler klei­ner Anla­gen schnell sicht­bar. Mit hohen, an die All­ge­mein­heit und Umwelt exter­na­li­sier­te Kos­ten pro­du­zie­ren in Deutsch­land fast 7.000 klei­ne Anla­gen (instal­lier­te Leis­tung von <1 MW) weni­ger als 0,5  Pro­zent der gesam­ten Strom­men­ge. Durch die Moder­ni­sie­rung eines ein­zi­gen gro­ßen Kraft­werks kann mehr Strom pro­du­ziert wer­den, als mit den über 2.000 Klein­was­ser­kraft­wer­ken, die allein in Bay­erns Bächen stehen.

Die Belas­tung einer Klein­was­ser­kraft­an­la­ge für das umlie­gen­de Öko­sys­tem ist unver­hält­nis­mä­ßig hoch © El Cho­clo / iStock / Get­ty Images

Was dar­aus fol­gen muss

Ein ech­ter Bei­trag der Klein­was­ser­kraft zur Ener­gie­wen­de ist für mich nicht ersicht­lich. Ziel soll­te daher sein, gro­ße Anla­gen in Gewäs­sern mit Mehr­fach­nut­zung zu moder­ni­sie­renund klei­ne Anla­gen, die die öko­lo­gi­schen Anfor­de­run­gen nicht erfül­len kön­nen ohne ihre Betrei­ber gleich­zei­tig in den Ruin zu trei­ben, zurück zu bau­en. Wie spek­ta­ku­lär die öko­lo­gi­sche Revi­ta­li­sie­rung befrei­ter Flüs­se aus­se­hen kann, zei­gen die Pro­jek­te der Dam Rem­oval Euro­pe-Koali­ti­on. Ich hof­fe, dass vie­le deut­sche Pro­jek­te in den nächs­ten Jah­ren folgen.

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Ich bin Fischökologe und habe in den lezten Jahren über den Einfluss von Wasserkraft und anderen menschengemachten Stressfaktoren auf Fischpopulationen geforscht, unter anderem am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin und dem Institut für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow. Ich freue mich sehr, meine gewässerökologische Expertise nun in die programmatische Arbeit des WWF einfließen lassen zu können. Dass ich dabei von vielen Gleichgesinnten umringt bin, ist sehr ermutigend. Es ist toll zu erleben, wenn persönliche Herzensangelegenheiten die Angelegenheiten Vieler sind, und man zusammen für sie kämpfen kann.

Kommentare (2)

  • Grundsätzlich kann ich als engagierter Bürger die Sorgen des WWF um Wasser- und Luftbewohner beim Ausbau der regenerativen Energien verstehen. Gleichzeitig lehnen wir alle ebenfalls - aus gut nachvollziehbaren Gründen - die Atomenergie ab und sehen anhand der Klimaentwicklung immer konkreter, dass fossile Energien wie Kohle, Öl und Gas unsere Erde mittelfristig zum Treibhaus machen.

    Aus diesem Dilemma kommen wir nicht heraus, wenn wir Wind- und Wasserenergie ebenfalls verteufeln und den lokalen Naturschutz vor den globalen Klimaschutz stellen. Wir brauchen ausnahmslos alle erneuerbaren Energien, die wir haben, und müssen diese im Mix optimieren.

    Natürlich müssen wir auch bei den erneuerbaren Energien abwägen, welche Auswirkungen diese langfristig haben. Das sollte aber sachlich konstruktiv und historisch korrekt geschehen, und nicht mit - wie leider auch in diesem Artikel lesbaren - falschen Behauptungen zu einem ausufernden Rundumschlag gegen die Wasserkraft als erneuerbare Energie führen.

    Ich will das gerne näher erläutern und beleuchte dazu erst einmal den historischen Aspekt. Seit über 100 Jahren haben Politik und Wasserwirtschaft Hochwasserschutz betrieben und massiv unsere Flüsse begradigt. Dies hat eine gewisse Zeit funktioniert, weil die kritischen Überschwemmungsgebiete entschärft wurden und zudem Schifffahrt, Landgewinnung und die Stadtentwicklung dadurch einen Aufschwung erlebten - bis deutlich wurde, dass man die Probleme damit nur flussabwärts verlagert und dabei sowohl die begradigten Flüsse mangels Energieabbau erodieren als auch der Grundwasserspiegel absinkt. Trotzdem wurde dies bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts so weiterbetrieben, allerdings mit der Maßgabe, Querbauwerke zur Energievernichtung und zum Anheben des Grundwasserspiegels zu errichten. Da war es nur konsequent, die Bauwerke einem weiteren Nutzen zuzuführen, nämlich der Erzeugung von Energie aus Wasserkraft.

    Gleichzeitig wurden Retentionsräume aufgegeben und im Zuge des Straßen- und Städtebaus massiv Flächen versiegelt, die Drainage riesiger Flächen staatlich bezuschusst und viele Bäche und Wassergräben verdolt, was die Hochwassergefahren wieder erhöhte.

    Heute haben wir in der BRD ca. 200.000 Querbauwerke, aber lediglich 7.600 Wasserkraftanlagen. Trotzdem sollen die Wasserkraftanlagen das Übel aller Flüsse sein, obwohl sie hohe Mindestwasseranforderungen einhalten und die sicher jahrzehntelang unterschätzte Durchgängigkeit seit mindestens 20 Jahren mit hohen Investitionen sukzessive hergestellt wird.

    Wie muten in diesem Kontext die Forderungen zum Abbruch der Wehre und Beseitigungen der Wasserkraft an? Meines Erachtens ist das kontraproduktiv, denn damit lösen wir das in unserer Kulturlandschaft geschaffene Problem nicht. Die Wehre nur mit rauen Rampen zu versehen nützt den Gewässern auch nichts, denn zum Einen bleiben diese weiterhin schießende Rinnen, zum Anderen haben sie andere schädliche Auswirkungen, wie dies beispielsweise der Biologe Wolfgang Büchs im Interview mit der ARD zur Hochwasserkatastrophe im Ahrtal vom 8.8.2021 eindrucksvoll verdeutlichte: „Andere Naturschutzmaßnahmen waren meines Erachtens eher kontraproduktiv, etwa dass kleinere Stauwehre entfernt wurden, um Fischen und der gesamten Gewässerfauna eine Durchlässigkeit zu schaffen, was sich auch über Fischtreppen erreichen lässt. Hierdurch erhöhte sich die Abflussgeschwindigkeit.“

    Und ein Rückbau der Flüsse in ihre ursprüngliche mäandrierende Form, was eigentlich die Konsequenz der WWF-Forderungen wäre, ist nur in kleinem Rahmen und nicht flächendeckend möglich. Das würde den Rückbau von großen Ländereien, Siedlungen und ganzen Städten zu Überschwemmungsgebieten voraussetzen, was sich politisch, finanziell und eigentumsrechtlich nicht durchsetzen lässt. Ökologische Kosmetik, wie bei vielen Renaturierungsmaßnahmen umgesetzt, lösen das komplexe Problem ebenso wenig. Dies bringt lokale Verbesserungen, immerhin…

    Das “Memorandum deutscher Fachwissenschaftler:innen zum politischen Zielkonflikt Klimaschutz versus Biodiversitätsschutz bei der Wasserkraft”, das unter Federführung des IGB 2021 veröffentlicht wurde ist als Argumentationshilfe für Gegner:innen der Wasserkraft eher fragwürdig. Leider wurde hier im Nachgang kein Dialog mit den Gewässernutzer:innen, von denen die Wasserkraft eine ist, gesucht. Auch andere Disziplinen wurden nicht mit einbezogen, was das Dokument leider sehr einseitig und prätentiös macht und aufgrund mangelnder Interdisziplinarität nicht realitätstauglich ist.

    Es gibt eine Vielzahl von anderen freien und international anerkannten Umweltwissenschaftler:innen, die sich positiv zur Wasserkraftnutzung und zum Erhalt unserer Kulturlandschaft einsetzen, wie beispielsweise Ernst Ulrich von Weizsäcker oder der ehemalige Greenpeace-Chef Dr. Gerd Leipold. Greenpeace geht beispielsweise viel differenzierter an das Thema Wasserkraft heran.

    Aufgrund meiner mehr als 40-jährigen direkten Betriebserfahrung im Kleinwasserkraftsektor muss ich leider einige von den NGO´s (Fischereiverbände, BUND, WWF etc. ) aufgeführte Pauschalaussagen richtigstellen, bzw. eine differenzierte Betrachtung anbieten.
    • “Ausgetrocknete Flussleichen”: Dies ist keineswegs die Regel, kann aber im Einzelfall bei Havarien vorkommen. Wasserkraftwerke geben amtlich festgelegte und kontrollierte Mindestwassermengen ab, die nicht nur die Durchgängigkeit gewährleisten, sondern auch, neben den Ausleitungsstrecken, zusätzliche Lebensräume bieten.
    • “Fischhäckselnde Turbinen”: Gerade vor den Kleinkraftwerken sind Feinrechen mit in der Regel 15 mm Stabweite angeordnet. Da passt nicht mal ein kleiner Finger durch, und schon gar keine Fische. Die Möglichkeit besteht trotzdem, dass es hier zu Schädigungen an Individuen kommen kann, aber die Population ist keineswegs gefährdet. Wenn es tatsächlich an einzelnen Anlagen eine Mortalität von 20% und mehr geben sollte, dürften es nach 5 Kraftwerken schon keine Fische mehr geben?! Es wäre wirklich sehr freundlich und vor allem den aktuellen zukunftsorientierten Diskussionen zuträglich, wenn sich die Gegner einmal von diesem alten Mythos trennen könnte.
    • “Keine Durchgängigkeit für Fische und Makrozoobenthos”: Die Kleinwasserkraft wird behördlich streng mit Vorgaben nach WHG/WRRL beauflagt, was auch sukzessive mit sehr hohen Kosten umgesetzt wird. Es gibt bereits tausende positive Beispiele, auch bezüglich Fischschutz und Fischabstieg, obwohl es dazu noch keinen „Stand der Technik“ gibt.
    • “Keine Durchgängigkeit für Geschiebe”: Bei den Kleinkraftwerken gibt es in der Regel nur moderate Stauräume, die bei jedem Hochwasser, also mehrmals jährlich, gespült werden. Das Geschiebe wird so weitergeleitet, wie es im natürlichen Flussregime passieren würde.
    • “Erwärmung des Wassers in den Stauräumen”: wie bereits oben erwähnt, sind die Stauräume und damit die Durchlaufzeit des Wassers bei Kleinwasserkraft gering. Es findet keine Erwärmung über die hinaus statt, welche sich bei frei fließender Strecke ergeben würde. Im Gegenteil: durch die Turbinierung wird dem Wasser Energie entzogen. Einen Beitrag zur Gewässererwärmung liefern hingegen thermische Kraftwerke, Einleitungen aus Kläranlagen, sowie die Klimaerwärmung.
    • “Abgabe von Methan in den Stauräumen”: dieser Vorwurf ist absurd bei der kleinen Laufwasserkraft. Methanbildung kommt bei großen Staudämmen vor, bei denen die Biomasse (Wald) nach dem Staudammbau mit eingestaut wird und sich diese Biomasse über die Jahre hinweg organisch zersetzt. Solche Anlagen sind tatsächlich fragwürdig ob ihrer Dimensionen und regionalen Auswirkungen auf die Bevölkerung und das Mikroklima und bedürfen umfassender sozio-kultureller, ökonomischer und ökologischer Abwägungen (wie jeder menschliche Eingriff in die Natur).
    • “Strom einsparen bringt mehr als Wasserkraft”: Natürlich sind Einsparmaßnahmen richtig und zielführend und eine Grundlage der Energiewende. Nicht zielführend ist die Argumentation, gerade mit Stromsparen die erneuerbare Wasserkraft zu ersetzen. Ersetzen Sie, wenn Sie die Bevölkerung tatsächlich zum Einsparen bringen, damit besser die CO2-Schleudern!
    • “Behörden sollen endlich überwachen, dass die ökologischen Mindestanforderungen erfüllt werden”: Diese Forderung ist ebenfalls so ein Mythos, der sich anscheinend nicht beseitigen lässt. Seit 1900 ist das Monitoring ökologischer Mindestanforderungen gesetzlich verankert. Die Anlagen müssen nicht nur bei Neu- und Wiedergenehmigungsverfahren, sondern auch innerhalb der Genehmigungszeiträume hohe, sich ständig aktualisierende, Anforderungen erfüllen!

    Mit Bedauern muss ich hier feststellen, dass es den Autor:innen des WWF Artikels nicht um eine sachliche, konstruktive Information geht, sondern dass hier durchaus Partikularinteressen verfolgt werden, warum auch immer.

    Der Wasserkraft wird zudem unterstellt, dass sie (wegen der lange fehlenden Durchgängigkeit) am Rückgang der Fischpopulationen maßgeblich schuld sei. Eine historische Betrachtung kann hier für Klarheit sorgen: Der Rückgang der Fischpopulationen erfolgte erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die meisten Wasserkraftanlagen wurden aber bereits vor 1900 und bis 1930 gebaut. Der Verfasser selbst hat als junger Fischer in den 60er Jahren die obere Donau befischt und dabei massenhaft Population aller Arten vorgefunden. Wie kann es sein, dass sich der Ausbau der Wasserkraft erst nach 80 Jahren schädlich ausgewirkt haben soll? Sind da nicht auch, und zwar wesentlich, andere Faktoren schuldig? Was hat sich in diesem Zeitraum an den Gewässern noch verändert?

    Wer hier wirklich nach Antworten sucht wird schnell fündig: Es gab bis in die 70er Jahre noch kaum biologische Schadstoffe in den Gewässern, aber viel Nährstoffangebot durch keine oder unzureichende Kläranlagen, die direkt in die Flüsse mündeten. Mit der Verbesserung der Kläranlagen durch stufenweisen Ausbau nahm das Nährstoffangebot und damit auch die Kleinstlebewesen, die den Fischen als Nahrungsgrundlage dienen, ab. Große Populationen der Flussbewohner konnten sich nicht mehr ernähren. Ein gutes Beispiel hierfür liefert aktuell der Fischbestand im Bodensee.

    Mit der Abnahme des Nahrungsangebotes, ging die massive Zunahme von Einleitungen durch biologische und chemische Stoffe wie Hormone, Gifte, Reinigungsmittel, Schwermetalle, Komplexbildner einher. Allein der Boom der Antibabypille und der Betablocker, sowie viele weitere Medikamente belasten das Gewässer, weil diese Hormone und chemischen Stoffe nicht in Kläranlagen zurückgehalten werden. Industrielle und landwirtschaftliche Gifte, sowie weitere aus den Haushalten (Reinigungsmittel, Fette, Hormone), die ins Gewässer gelangen, verändern auch die Fortpflanzungsfähigkeit der Wassertiere. Auch multiresistente Keime führen immer mehr zu Verunreinigungen unserer Gewässer.

    Dazu kommt die seit den 70er Jahren extrem gestiegene Zahl der Freizeitfischer:innen, die die Populationen dezimieren. Aktuell sind im Deutschen Angelfischerverband e.V. 26 Landes- und Spezialverbände mit ca. 9.000 angeschlossenen Vereinen organisiert. In manchen Quellen wird die Zahl der Angelfischer:innen in Deutschland mit bis zu 6 Millionen Anglern angegeben.

    Die Fischer:innen zählen sich zu den größten Naturschutz- und Umweltverbänden Deutschlands, und dies obwohl sie die natürlichen Fischbestände dezimieren, gepaart mit dem Unsinn, gezüchtete und artfremde Arten zu besetzen und damit genfremdes Material ins Gewässer einzubringen. Gleichzeitig gehen vermehrt Fischräuber wie der Kormoran auch in Süddeutschland an die Fischbestände. Weiterhin kommen vermehrt invasive Arten aus anderen Regionen ins Gewässer und verdrängen heimische Arten.

    Weitere Probleme schafft neben der Landwirtschaft auch der Straßenbau. Viele Straßen verlaufen parallel zu den Gewässern und überqueren dabei Nebenflüsse und -bäche, die dann oft verdolt oder mit Beton gesichert wurden. Eine Anbindung der Nebenflüsse ans Hauptgewässer ist oft nach kurzer Zeit nicht mehr gegeben, weil das Hauptgewässer als Auswirkung des Hochwasserschutzes erodiert und sich eintieft. Somit kann oft keine Laichwanderung mehr in die Seitenbäche funktionieren, welche die Kinderstuben der Fische sind. Reifenabrieb, Plastik und saurer Regen geben ein Weiteres.

    Sicher werden viele dieser Probleme bereits politisch angegangen, aber es ist eine Mammutaufgabe, diese Missstände alle rückzubauen und gleichzeitig die Infrastruktur und den Wohlstand aufrechtzuerhalten.

    Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns gegenübersehen, können wir aber - so viel ist sicher - noch weniger erreichen, indem wir einzelne Technologien ausgrenzen und pauschal und generell mit “immer”, “alle”, “keiner”, “nie” argumentieren und handeln. Das ist sogar gefährlich. Eher halte ich es für angebracht, hier konstruktiv das Gespräch mit den Beteiligten zu führen und gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Konsens über ein zielorientiertes Vorgehen herzustellen, auch wenn das für beide Seiten Kompromisse bedeutet. Siehe hierzu auch die gemeinsame Erklärung zwischen WWF, Swisspower AG, der Bundesrätin Sommaruga u.a. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-86432.html. Es kann durchaus sinnvoll sein und ist in der heutigen Zeit mehr denn je angeraten, einzelne Dinge in größeren Kontexten zu betrachten und sich nicht zu sehr auf Positionen zu verfestigen.

    Dazu stehen sicherlich die Verbände der kleinen Wasserkraft gerne zur Verfügung

    Elmar Reitter Rechtenstein/Do.

  • Zuerst muss der Energiebedarf/Energieverbrauch drastisch gedrosselt werden !

    Z.B. Abschaltung bzw. Reduzierung von Lichtwerbung, Denkmalbeleuchtung, Straßenbeleuchtung und von unnötigen elektrobetrieben Geräten (Verbote oder Erhebung von Steuern).

    Weitere Maßnahmen:
    1. Keinen kostenreduzierten Industriestrom.
    2. Abschaffung der Globalisierung.
    3. Keine Freihandelsabkommen.
    4. Einführung von Zöllen auf Einfuhren.
    Hierdurch würden Billigimporte aus dem Ausland reduziert, die heimische Industrie gefördert und gleichzeitig der Warentransport über weite Strecken erheblich eingeschränkt.
    5. Einführung von Pfand i.H.v. 10% des Verkaufspreises, auf alle elektronische und elektrobetriebene Geräte.

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