Gesetz zum Koh­le­aus­stieg: Absa­ge an den Klimaschutz

Die Bundesregierung betonte immer wieder, den erzielten Kompromiss zum Kohleausstieg umsetzen zu wollen. © Peter Jelinek

Kann man eigent­lich erwar­ten, dass eine gewähl­te Regie­rung einen Kom­pro­miss umsetzt, den eine von ihr eigens ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on (KWSB) aus unter­schied­lichs­ten Interessenvertreter:innen und Wissenschaftler:innen aus­ge­han­delt hat? Die­se Fra­ge stell­te sich in mei­nem Twit­ter­feed heu­te früh, dem Tag der Ver­ab­schie­dung des „Geset­zes zur Redu­zie­rung und zur Been­di­gung der Koh­le­ver­stro­mung” im Bundeskabinett.

Ganz grund­sätz­lich muss sich eine demo­kra­tisch gewähl­te Regie­rung nicht an sol­che Emp­feh­lun­gen hal­ten. Aber die Bun­des­re­gie­rung hat­te zuvor bei jeder Gele­gen­heit bekräf­tigt, dass sie genau das tun wer­de. Und schließ­lich hat sie heu­te auch gelie­fert. Fast alle Betei­lig­ten dürf­ten von dem Gesetz pro­fi­tie­ren. Ein paar wich­ti­ge Inter­es­sen sind jedoch auf der Stre­cke geblie­ben: Der Kli­ma­schutz, die Steuerzahler:innen und zukünf­ti­ge Gene­ra­tio­nen. Für die­se hat die Bun­des­re­gie­rung denk­bar schlecht verhandelt.

Koh­le­aus­stieg mit Steinkohleverstromung?

Heu­te wur­de im Bun­des­ka­bi­nett para­do­xer­wei­se ein Koh­le­aus­stiegs­ge­setz ver­ab­schie­det, dass zunächst mal mehr Koh­le ans Netz bringt. Mit Dat­teln IV geht – obwohl die Koh­le­kom­mis­si­on das anders fest­ge­hal­ten hat­te – noch in die­sem Jahr geht ein neu­es Stein­koh­le­kraft­werk ans Netz. Des­sen Emis­sio­nen kön­nen nicht voll­stän­dig durch ande­re Still­le­gun­gen kom­pen­siert wer­den. Und das damit gesen­de­te Signal ist wirk­lich fatal.

Der “Koh­le­aus­stieg”, den wir jetzt haben, bedeu­tet zudem, dass wei­te­re sechs Dör­fer per Gesetz für einen ener­gie­wirt­schaft­lich nicht not­wen­di­gen Braun­koh­le­ta­ge­bau wei­chen müs­sen. Im Klar­text heißt das: Sie wer­den weg­ge­bag­gert. Zum Ham­ba­cher Wald steht nichts mehr drin.

Gesetz zum Koh­le­aus­stieg igno­riert die Kohlekomission

Der Koh­le­aus­stieg, den wir jetzt haben, schont die Braun­koh­le vor allem in der Lau­sitz. Er setzt in kei­ner Wei­se den von der Koh­le­kom­mis­si­on aus­ge­han­del­ten ste­ti­gen Min­de­rungs­pfad um. Statt­des­sen min­dert er die Erzeu­gung und Emis­sio­nen in lan­gen Trep­pen­stu­fen immer erst kurz vor der jeweils fest­ge­leg­ten Deadline.

Der Koh­le­aus­stieg, den wir jetzt haben, garan­tiert den Betrei­bern RWE (Rhei­ni­sches Revier) und LEAG (Lau­sit­zer Revier) Mil­li­ar­den an Ent­schä­di­gung. Sie wer­den bezahlt von Steu­er­gel­dern. Die LEAG erhält die­se Zah­lung sogar für einen Still­le­gungs­pfad, der sich kaum von den ursprüng­li­chen Pla­nun­gen des Unter­neh­mens unter­schei­det. Das Gesetz schreibt zwar immer­hin fest, dass die Ent­schä­di­gun­gen für Wie­der­her­stel­lung und Rekul­ti­vie­rung ein­ge­setzt wer­den müs­sen. Aller­dings ist das ohne­hin die Auf­ga­be der Betrei­ber, aus den Ein­nah­men dafür Geld zurückzulegen.

Steu­er­gel­der als Ent­schä­di­gun­gen für Betreiber

Der Koh­le­aus­stieg, den wir jetzt haben, wird aus öffent­li­chen Kas­sen mit über vier Mil­li­ar­den Euro Ent­schä­di­gun­gen allein für die Braun­koh­le­be­trei­ber unter­stützt. Hin­zu kom­men noch die Aus­schrei­bungs­sum­men für die Stein­koh­le­kraft­wer­ke,  mit bis zu wei­te­ren fünf Mil­li­ar­den Euro “Anpas­sungs­geld” für Arbeitnehmer:innen und wei­te­re 40 Mil­li­ar­den Euro Struk­tur­wan­del­för­de­rung für die Regio­nen. 

Koh­le­aus­stieg ohne Klimaschutz

Der Koh­le­aus­stieg, den wir jetzt haben, kann über­haupt nur dann einen Kli­ma­schutz­ef­fekt haben, wenn die Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­te im Emis­si­ons­han­del, die durch die Still­le­gun­gen frei wer­den, gelöscht wer­den. Das ist so direkt nicht vor­ge­se­hen – denn damit gehen Ein­nah­men­ver­lus­te ein­her. Statt­des­sen wer­den die Zer­ti­fi­ka­te in die soge­nann­te Markt­sta­bi­li­täts­re­ser­ve ver­scho­ben. Das hat die Fol­ge, dass sich Deutsch­land die Kos­ten für die­sen teu­er erkauf­ten Koh­le­aus­stieg dann mit kli­ma­po­li­tisch muti­ger vor­an­schrei­ten­den Mit­glieds­staa­ten wie Grie­chen­land (Koh­le­aus­stieg 2028) tei­len kann.

Eigent­lich ist es ja nicht zuviel erwartet:

Wenn man eine Kom­mis­si­on ein­setzt zur Aus­ar­bei­tung eines gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Kom­pro­mis­ses zur Befrie­dung eines gro­ßen und kom­ple­xen Kon­flik­tes, der in sei­ner Bedeu­tung für den inter­na­tio­na­len Kli­ma­schutz nicht hoch genug zu bewer­ten ist, und die­ser Kom­pro­miss laut Bun­des­re­gie­rung dann auch Eins zu Eins umge­setzt wer­den soll, dann muss die­ser sorg­fäl­tig aus­ta­rier­te Kom­pro­miss eben auch tat­säch­lich genau so umge­setzt werden.

Kann man das eigent­lich erwar­ten? Ich fin­de ja. 

Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland und damit beschäftigte mit alle (oder doch zumindest vielen) Fragen rund um Klima und Energie. Und obwohl ich seit Jahren nicht mehr aktiv dazu arbeite, hängt mein Herz an einer neuen Mobilitätswelt. Es braucht nicht mehr als täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren um daran erinnert zu werden, wieviel Arbeit das noch ist.

Kommentare (1)

  • Luft und Liebe braucht man dringender als entgangene Gewinne, als reale Verluste vom Staat einzufordern, wo es bestenfalls nur Kalkulationen (Prognosen) sind, während die wahren Auswirkungen nicht geldwert entschädigt oder rückgängig gemacht werden können und Alle betreffen. Vielleicht das Geld das nächste Mal in den Mund und nicht in den Allerwertesten stecken? Aber nicht alles auf einmal, wir haben ja alle noch Zeit?! 8-/

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