Foodsha­ring: Was tun mit übrig geblie­be­nen Lebensmitteln?

FairTeiler: Tauschkühlschränke und -Regale für Essen, das zu schade ist zum Wegwerfen. © iStock/Getty Images

Wie­der ein­mal muss ich zum Arbei­ten nach Ber­lin – und bli­cke ver­zwei­felt auf Kohl­ra­bi, Papri­ka, Man­gold und Co. in mei­ner Ham­bur­ger Küche. Das wird doch alles schlecht, bis ich wie­der da bin. Außer­dem lie­gen hier Nudeln, die ich nicht mag. Was tun, wenn nicht weg­wer­fen? Foodsharing!

Lebens­mit­tel ret­ten: Das Aben­teu­er beginnt

Goo­geln hilft ja meis­tens, so auch jetzt. Irgend­wo hat­te ich kürz­lich von Tausch­kühl­schrän­ken gele­sen und fin­de im Netz tat­säch­lich eine Kar­te, auf der soge­nann­te Fair­Tei­ler ein­ge­zeich­net sind. Ganz in der Nähe ist einer – wie das Ding wohl aus­sieht? Steht da wirk­lich ein Kühl­schrank für das Foodsha­ring mit­ten in der Stadt? Und was liegt drin? Ich beschlie­ße, es herauszufinden.

Fair­Tei­ler, Rück­sei­te © S. Probst

Der Kühl­schrank ist kein Kühlschrank

Ich ent­de­cke ihn sofort: In einem Gemein­schafts­gar­ten mit­ten im Ham­bur­ger Karo­vier­tel steht ein­fach so im Frei­en ein alter Küchen­schrank. Obwohl er eine gewis­se Por­ti­on Vin­ta­ge Charme ver­sprüht, bin ich etwas ent­täuscht. Es ist kein Kühl­schrank. Aber gut, im Moment steht nur eine Scha­le Trau­ben dar­in und das lässt sich ändern. Ich packe also mei­ne Fahr­rad­ta­schen aus und fül­le den Schrank mit mei­nen Sachen.

Am nächs­ten Tag kann ich mei­ne Neu­gier nicht bezwin­gen. Fun­tio­niert das Foodsha­ring? Obwohl nicht mehr viel Zeit bleibt bis zur Abfahrt nach Ber­lin, rade­le ich noch ein­mal am Fair­Tei­ler vor­bei. Tat­säch­lich! Mei­ne Sachen sind weg und die Trau­ben auch. Dafür ste­hen jetzt zwei Fla­schen Club-Mate im Schrank. Eine davon wird mei­ne Weg­zeh­rung für die bevor­ste­hen­de Zugfahrt.

Ich will mehr wis­sen über Foodsha­ring und spre­che mit dem „Erfin­der“ der Fair­Tei­ler, Fil­me­ma­cher Valen­tin Thurn

Valen­tin, dei­ne Fil­me wie „Tas­te the Was­te“ oder „10 Mil­li­ar­den“ dre­hen sich um Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung und nun erfah­re ich, dass du sogar den Ver­ein Foodsha­ring gegrün­det hast, um Lebens­mit­tel zu ret­ten. War das schon immer dein Thema?
Valen­tin Thurn: Nein gar nicht. Aber 2007 habe ich eine Repor­ta­ge gedreht: „Gefun­de­nes Fres­sen“ – über Müll­tau­cher, also Men­schen, die sich ihre Lebens­mit­tel aus Abfall­con­tai­nern holen. Als ich da so in die Ton­nen der Super­märk­te schau­te, dach­te ich nur noch: Was ist das für ein kran­kes Sys­tem, in dem es sich lohnt, gut ess­ba­re Sachen wegzuwerfen?!

Valen­tin Thurn © Alex Weis

Eine dei­ner Ideen, um Lebens­mit­tel zu ret­ten, sind die Fair­Tei­ler. Wer­den denn alle Lebens­mit­tel im Sin­ne des Foodsha­rings abge­holt? Oder ver­gam­melt zum Bei­spiel auch mal ein Salatkopf?
Oh, das wäre sel­ten der Fall! Man muss sich nur mal hin­stel­len und beob­ach­ten. Die Fair­Tei­ler sind gut besucht – von Men­schen aus allen Ein­kom­mens­schich­ten. Es gibt also auch Begeg­nun­gen von Leu­ten, die sonst nicht viel mit­ein­an­der zu tun hät­ten, das ist ganz schön. Jeder kann sich etwas her­aus­neh­men, man braucht sich dafür nicht als bedürf­tig aus­wei­sen, was zum Bei­spiel auch Flücht­lin­gen zugu­te kommt.

Ihr habt mit der Idee ein­mal ganz klein in Köln ange­fan­gen. Inzwi­schen ste­hen die Fair­Tei­ler in ganz Deutschland…
Die Idee brei­tet sich aus, sie ist kräf­tig genug. Es ist tat­säch­lich ein Selbst­läu­fer! Man­che stel­len sogar Fair­Tei­ler in ihren eige­nen Vor­gär­ten auf. So jeman­den ken­ne ich in Köln, der sagt: „Das ist super, ich habe jeden Mor­gen fri­sche Bröt­chen drin.“

Was sagst du mir, wenn ich nun auch einen Fair­Tei­ler zum Foodsha­ring auf­stel­len möch­te — ob als Pri­vat­per­son, Initia­ti­ve oder Verein?
Da freue ich mich! Man soll­te aller­dings vor­her den Grund­stücks­ei­gen­tü­mer fra­gen und am bes­ten unse­re Regeln auf­hän­gen, damit es kei­ne Pro­ble­me mit der Hygie­ne gibt. Dann den Stand­ort auf unse­rer Web­sei­te ein­tra­gen und gege­be­nen­falls Öff­nungs­zei­ten ange­ben – das ist zum Bei­spiel bei man­chen Kir­chen der Fall, die Fair­Tei­ler auf­ge­stellt haben.

Bei „Foodsha­ring“ pas­siert aber noch mehr — ihr ret­tet zum Bei­spiel auch Lebens­mit­tel aus Supermärkten?
Ja, unse­re “Food­sa­ver” holen in ganz Deutsch­land aus Super­märk­ten, Bäcke­rei­en und ande­ren Geschäf­ten das ab, was den Tag über aus­sor­tiert wur­de. So konn­ten wir in den zwei­ein­halb Jah­ren, die wir exis­tie­ren, schon zwei Mil­lio­nen Kilo Lebens­mit­tel retten!

War also die Grün­dung von Foodsha­ring genau der rich­ti­ge Schritt, um etwas zu verändern?
Foodsha­ring gibt es seit Dezem­ber 2012 und die Idee ist sehr viel schnel­ler groß gewor­den, als wir je gehofft haben. Es ist eine brei­te sozia­le Bewe­gung und schon echt eine Freu­de, das zu sehen. Wobei ich immer den­ke, die EIGENTLICHE Lösung müss­te sein, die Über­pro­duk­ti­on zu verringern.

Dan­ke für das Interview!

 

Journalistin und Redakteurin für Video, Audio und Text. Freie Autorin für den WWF, weil ich an den Umweltschutz glaube und dafür trommeln möchte. Und weil das alles so wahnsinnig spannend ist!

Kommentare (1)

Auch interessant
[Sassy_Social_Share]