Zurück in die Stein­zeit? Minen­skan­dal in Norwegen

Dunkle Zukunft für den norwegischen Førdefjord © Tom Ording Dahl

Gegen alle Wider­stän­de hat Nor­we­gen letz­te Woche den Bau einer neu­en Rie­sen­mi­ne geneh­migt – direkt an einem schüt­zens­wer­ten Lachs­fjord. In der Fol­ge sol­len hier jedes Jahr sechs Mil­lio­nen Ton­nen Minen­ab­fäl­le ein­fach ins Meer gekippt werden.

Ich ken­ne und lie­be die präch­ti­ge nor­we­gi­sche Natur, Geschich­te und Volks­see­le. Ich habe dort gelebt und beherr­sche die Spra­chen des Lan­des. Doch die Ent­schei­dung der kon­ser­va­tiv-rechts­po­pu­lis­ti­schen nor­we­gi­schen Regie­rung von ver­gan­ge­ner Woche ver­schlug mir die Sprache:
Nach fünf Jah­ren öffent­li­cher Dis­kus­si­on und erbit­ter­tem Wider­stand von Bür­ger­initia­ti­ven und Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen erteil­te sie dem Kon­zern Nor­dic Mining AS die Geneh­mi­gung, eine rie­si­ge Mine am male­ri­schen Før­defjord nörd­lich von Ber­gen zu eröffnen.

Der Müll lan­det im Meer

Die Mine soll äußerst lukra­ti­ve Erz­vor­kom­men wie Titan und Titan­oxid aus­beu­ten. Die Fol­ge: Sechs Mil­lio­nen Ton­nen Abraum wer­den jähr­lich im Fjord ent­sorgt. Eine Flä­che von vie­len Qua­drat­ki­lo­me­tern soll 40 Jah­re lang vom Mee­res­bo­den in 300 Metern Tie­fe auf 150 Meter ver­füllt werden.

Sei­ne Laich­grün­de wer­den zuge­schüt­tet: Dorn­hai in Nor­we­gen © Rudolf Sven­son, WWF

Damit nicht genug: Die­se “mining tailings” genann­ten Abfäl­le wer­den hoch­gra­dig mit Kup­fer und Nickel kon­ta­mi­niert sein und wich­ti­ge Laich­grün­de von Blaul­eng und Dorn­hai zuschüt­ten. Der Før­defjord ist außer­dem mit sei­nen Zuflüs­sen ein Lachs­fjord von natio­na­ler Bedeutung!

Der Plan ver­stößt ein­deu­tig gegen das nor­we­gi­sche Gesetz zur Erhal­tung der bio­lo­gi­schen Viel­falt, eben­so wie gegen die Was­ser­rah­men­richt­li­nie der EU, zu deren Umset­zung sich Nor­we­gen im Rah­men des erwei­ter­ten euro­päi­schen Wirt­schafts­raums ver­pflich­tet hat.

Ein Rück­schritt für Norwegen

Welt­weit gibt es nur fünf Staa­ten, die Minen­ab­fäl­le der­art offen ins Meer ent­sor­gen, dar­un­ter die Tür­kei. Dass sich nor­we­gi­sche Poli­tik und Natur­schutz nicht immer ver­tra­gen ist nicht neu. Hier herrscht eine ande­re Auf­fas­sung von Unend­lich­keit und Nut­zung so genann­ter leben­der Res­sour­cen. Stich­wort Wal­fang unter wis­sen­schaft­li­chem Deck­man­tel. Auch die wirt­schaft­li­che Ver­wer­tung der ein­ge­schlepp­ten Königs­krab­be (statt sie aus­zu­rot­ten) ver­stößt gegen alle inter­na­tio­na­len Regeln.
Doch wenigs­tens waren die hohen nor­we­gi­schen Umwelt­stan­dards bis­her immer unum­strit­ten gewe­sen. Und als eine der reichs­ten Natio­nen kann Nor­we­gen sich die­se auch leis­ten. Die­ses Bild muss nun lei­der kor­ri­giert werden.

Der Før­defjord ist ein wich­ti­ger Lachs­fjord. © Rudolf Sven­son, WWF

Pro­tes­te von Umweltschützern

Geht gar nicht!” ist das ein­hel­li­ge Urteil von Nina Jen­sen, Lei­te­rin des WWF Nor­we­gen, genau­so wie von Maren Esmark, Geschäfts­füh­re­rin des Nor­we­gi­schen Natur­schutz­ver­ban­des (Fri­ends of the Earth). Noch etwas deut­li­cher wird Ras­mus Hans­son, Nina Jen­sens Vor­gän­ger beim WWF und heu­te ein­zi­ger grü­ner Abge­ord­ne­ter im nor­we­gi­schen Par­la­ment: “Das wird das Alta von Minis­ter­prä­si­den­tin Erna Sol­berg.” Am nord­nor­we­gi­schen Alta­fluss hat­ten sich 1979/80 Hun­der­te von Umwelt­ak­ti­vis­ten — dar­un­ter auch Ras­mus und ich — zusam­men mit den indi­ge­nen Sami der Regi­on ver­sam­melt, um den Bau eines Stau­damms in Nord­eu­ro­pas größ­tem Can­yon zu ver­hin­dern. Es war die größ­te Akti­on zivi­len Unge­hor­sams in Nor­we­gens Nach­kriegs­ge­schich­te, lei­der nur zum Teil erfolgreich.
Auch jetzt mel­de­ten sich bereits wie­der mehr als 900 Leu­te, die bereit sind, sich im Før­defjord vor Bull­do­zern auf die Stra­ße zu set­zen und gege­be­nen­falls anzu­ket­ten, um die Erschlie­ßung der Mine zu blockieren.

Gegen jede Vernunft

Die erteil­te Geneh­mi­gung ist gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht ein Skan­dal: Sowohl das nor­we­gi­sche Mee­res­for­schungs­in­sti­tut als auch die natio­na­le Umwelt­be­hör­de hat­ten der Regie­rung von dem Vor­ha­ben wegen öko­lo­gi­scher Beden­ken abge­ra­ten. Kur­zer­hand gab Umwelt­mi­nis­te­rin Tine Sundtoft bei ihrer Fach­be­hör­de ein neu­es Gut­ach­ten in Auf­trag, das dies­mal auch wirt­schaft­li­che Aspek­te berück­sich­ti­gen soll­te. Das Ergeb­nis ist bekannt. Und: Gera­de erst hat­te sich Nor­we­gen beim Abkom­men zum Schutz des Nord­ost­at­lan­tik (OSPAR) ver­pflich­tet, Lebens­räu­me und Laich­plät­ze des bedroh­ten Dorn­hais zu schützen.
Aber die Beschlüs­se von 2014 sind ein Jahr danach schon wie­der Schall und Rauch — und für die Abfäl­le scheint zu gel­ten: Aus den Augen, aus dem Sinn.

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Als Meeresökologe, Zoologe und Biochemiker war Stephan Lutter seit 1988 beim WWF und einer der ersten international arbeitenden Meeresschützer. Einige große Schutzgebiete und -Zonen auf der Hoch- und in der Tiefsee hätte es ohne sein Engagement nicht gegeben. Seine Expertise war international geschätzt, sein Einsatz für unsere Meere einzigartig. - Zu unserer großen Trauer ist Stephan verstorben. Einen Nachruf auf den engagierten Meeresschützer findet ihr hier: https://blog.wwf.de/stephan-lutter-nachruf/ -

Kommentare (2)

  • In diesen Tagen (Februar 2016) will Nordic mining mit Probebohrungen anfangen. Norwegische Umweltaktivisten sperren die Zufahrtswege und Baumaschinen mit einer friedlichen Sitzblockade. Sie werden aber immer wieder von der Polizei entfernt und man droht ihnen Bußgelder von ca 1000 euro an.

  • Zufaellig gesucht und gefunden...
    Auf der Suche nach Moeglichkeiten der Einsetzbarkeit von einer neuen Technologie zur hydrophobierung von Sedimenten unter Wasser ( Erarbeitet in Brisbane) ist das Problem Tailings kein Problem mehr.
    HFS

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