Die Lofo­ten: Natur­pa­ra­dies am Polar­kreis in Gefahr

Nicht nur die Papageitaucher müssen um ihre Heimat fürchten. © iStock / Getty Images

Die Insel­welt der Lofo­ten, Ves­terå­len und Sen­ja in Nord­nor­we­gen ist eine weit­ge­hend intak­te Schatz­kis­te der Natur: Direkt von der Küs­te aus las­sen sich Zwerg‑, Schweins‑, Schwert‑, Pott- und Buckel­wa­le beob­ach­ten. Papa­gei­tau­cher besie­deln vie­le Klip­pen, nicht nur auf der berühm­ten Vogel­in­sel Røst im Süden der Lofo­ten. Und wer ger­ne nörd­lich vom Polar­kreis aufs Surf­brett stei­gen möch­te, fin­det sogar wei­ße Sand­strän­de mit kris­tall­kla­rem Wasser.

Schwert­wal vor Sen­ja © Bet­ti­na Kelm

Die­ses Natur­pa­ra­dies ist jedoch in höchs­ter Gefahr. Unter dem Mee­res­bo­den wer­den gro­ße Men­gen Öl und Gas ver­mu­tet und die Off­shore-Indus­trie steht in den Start­lö­chern, um die­se zu erkunden.

Schwar­zes Gold oder Fisch?

Jedes Jahr ab Febru­ar wan­dert der Kabel­jau (Skrei) aus der Barents­see zu den Lofo­ten, um zu lai­chen: Grund­la­ge für die his­to­ri­sche Lofo­ten­fi­sche­rei und reich­lich Stock- und Klipp­fisch, der welt­weit expor­tiert und zum Bei­spiel als Bacal­hau in Por­tu­gal ser­viert wird. Vor der Insel­ket­te wur­de außer­dem im Jahr 2002 in 350 m Tie­fe das größ­te Kalt­was­ser­ko­ral­len­riff der Welt ent­deckt, das Røst-Riff. Es umfasst 130 Qua­drat­ki­lo­me­ter. Und hier soll nun nach Öl gebohrt werden?

Lasst das Öl liegen!

La olja lig­ge!” Lasst das Öl lie­gen, for­dert die Umwelt­be­we­gung, aber auch die Mehr­heit der ein­hei­mi­schen Bevöl­ke­rung. Das Risi­ko eines Ölun­falls, Unter­was­ser­lärm, der die Wale ver­treibt, Schad­stof­fe im Kabel­jau, Papa­gei­tau­cher mit Öl im Gefie­der, die Ver­än­de­rung der Küs­ten­ge­mein­den und klei­nen Häfen, der Rück­gang des Tou­ris­mus… das sind nur eini­ge der Argu­men­te und Sor­gen. Zu Recht, wie ich mei­ne. Hier geht’s zu den Inter­net­sei­ten der regio­na­len Bür­ger­initia­ti­ve und des WWF Nor­we­gen (nor­we­gisch). Wer die Kar­te des nor­we­gi­schen Fest­land­so­ckels mit den erkun­de­ten und lizen­sier­ten Öl- und Gas­fel­dern betrach­tet, erkennt sofort, dass der Abschnitt zwi­schen Polar­kreis und Barents­see der ein­zi­ge von die­ser indus­tri­el­len Nut­zung noch unbe­rühr­te Bereich ist.

Lofo­ten: Kval­vi­ka Bucht. Karl Bro­dowsky, CC BY-SA 3.0, http://bit.ly/2jQK2qI

Lofo­ten: Fas­zi­nie­ren­de Inseln

Ich habe selbst eine Wei­le in Nord­nor­we­gen gewohnt und die­se fas­zi­nie­ren­den Inseln mehr­fach bereist, zum Wan­dern, Pad­deln, Angeln und Beob­ach­ten der Natur oder der Polar­lich­ter. Vor der Insel Ande­nes konn­te ich Zwerg- und Pott­wa­le beob­ach­ten. Ich ken­ne Men­schen, die gera­de die­sen Win­ter nach Sen­ja fuh­ren, um mit Orcas und Buckel­wa­len zu tau­chen. Und Skrei aus dem West­fjord kau­fe ich jetzt zur Fang­sai­son auch hier in Deutsch­land, weil ich weiß, dass er im Gegen­satz zum Nord­see­ka­bel­jau nach­hal­tig gefan­gen wird. Kei­ner von uns kann sich vor­stel­len, vor der Küs­te der Lofo­ten ein­mal auf Bohr­platt­for­men schau­en zu müssen.

Stock­fisch, eine Spe­zia­li­tät der Lofo­ten © Fre­d­rik Myh­re / WWF

Das Ölmo­ra­to­ri­um — ein Etappensieg…

Bevor im Okto­ber 2013 die der­zei­ti­ge nor­we­gi­sche Regie­rung aus Kon­ser­va­ti­ven (H) und der rechts­po­pu­lis­ti­schen Fort­schritts­par­tei (FrP) ins Amt kam, nutz­ten die nor­we­gi­schen WWF-Kol­le­gen und ande­re Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen die Chan­ce, einen Stopp der Öl- und Gas­er­kun­dung für die Lofo­ten, Ves­terå­len und Sen­ja für die Dau­er ihrer Amts­zeit zu for­dern. Der Trick: Es han­delt sich um eine Min­der­heits­re­gie­rung, die zwei klei­ne­ren Frak­tio­nen Zuge­ständ­nis­se machen muss­te. Im Ver­trag stand am Ende unter ande­rem dank unse­rer geziel­ten Lob­by­ar­beit ein Mora­to­ri­um für Öl- und Gas in der Regi­on. Wir vom WWF berich­te­ten auch in Deutsch­land darüber.

Lofo­ten © Fre­d­rik Myh­re WWF

… Doch lei­der nicht das letz­te Wort

Ende ver­gan­ge­nen Jah­res ging dann plötz­lich ein Sturm der Ent­rüs­tung durch Nor­we­gen. Nicht nur Umwelt­schüt­zer pro­tes­tier­ten, auch Fischer und Bewoh­ner der Regi­on #LoVe­Se, wie sie inzwi­schen als Hash­tag heißt. Hat­te doch Öl- und Ener­gie­mi­nis­ter Tord Lien die Indus­trie auf­ge­for­dert, Sek­to­ren des nor­we­gi­schen Sockels vor den Inseln zu benen­nen, in denen sie ger­ne anfan­gen wür­de, zu explorieren.

Schließ­lich muss­te sei­ne Che­fin, Minis­ter­prä­si­den­tin Erna Sol­berg, ihn zurück pfei­fen und ein­ge­ste­hen, dass man die Klau­sel im Dul­dungs­ver­trag ver­ges­sen hat­te. Ein Trep­pen­witz der nor­we­gi­schen Poli­tik, ober­pein­lich! Aber ein Sym­bol für die poli­ti­sche Groß­wet­ter­la­ge, das zeigt, woher der Wind in naher Zukunft bald wehen könn­te. Und Neu­wah­len ste­hen auch in Nor­we­gen im Herbst 2017 ins Haus.

Und jetzt?

Damit lei­der noch nicht genug, der Wahl­kampf wirft sei­ne Schat­ten schon vor­aus: Vor ein paar Wochen pro­fi­lier­te sich aus der Oppo­si­ti­on her­aus die Arbei­ter­par­tei (AP, Sozi­al­de­mo­kra­ten) mit einem neu­en Vor­schlag für Ölsek­to­ren vor den Lofo­ten (Kar­te links unten). Angeb­lich im Ein­klang mit der Natur, weil er auch einen Natio­nal­park Lofo­ten vor­sieht. Jedoch wer­den der Indus­trie damit genau die Flä­chen ange­bo­ten, die sie haben will. Auch Tei­le der Gewerk­schaf­ten trom­meln mit dem Argu­ment neu­er Arbeits­plät­ze im Nor­den. Die Debat­te ist wie­der voll ent­brannt und die nor­we­gi­schen WWF-Kol­le­gen mit­ten­drin. Bis zum AP- Par­tei­tag im April wol­len sie der Par­tei ihre für Natur und Umwelt schäd­li­chen Flau­sen austreiben.

Lofo­ten: Indus­trie oder Natur? © Per Byh­ring / Aftenposten

Drei Rif­fe in der Regi­on © Mareano

Hät­te Nor­we­gen unse­ren Preis dann noch verdient?

Gleich nach Ent­de­ckung des Røst-Riffs vor 14 Jah­ren hat­te der WWF vor­ge­schla­gen, die­ses unter Schutz zu stel­len. Als die nor­we­gi­sche Regie­rung das Gebiet dar­auf­hin für Boden­schlepp­net­ze sperr­te, zeich­ne­ten wir sie bereits 2003 mit unse­rem Prä­di­kat “Gift to the Earth (Geschenk für die Erde) aus. Soll­te eine nächs­te Regie­rung des Lan­des auf die Idee kom­men, in sei­ner Nähe Ölplatt­for­men auf­zu­stel­len und Pipe­lines und Kabel zu ver­le­gen, müss­ten wir die­sen Preis eigent­lich wie­der aberkennen.

Oder was meint ihr?

Rei­ne: Dorf auf den Lofo­ten © Fre­d­rik Myh­re / WWF
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Als Meeresökologe, Zoologe und Biochemiker war Stephan Lutter seit 1988 beim WWF und einer der ersten international arbeitenden Meeresschützer. Einige große Schutzgebiete und -Zonen auf der Hoch- und in der Tiefsee hätte es ohne sein Engagement nicht gegeben. Seine Expertise war international geschätzt, sein Einsatz für unsere Meere einzigartig. - Zu unserer großen Trauer ist Stephan verstorben. Einen Nachruf auf den engagierten Meeresschützer findet ihr hier: https://blog.wwf.de/stephan-lutter-nachruf/ -

Kommentare (5)

  • Das öl ist über kurz oder lang mal alle. Was bleibt dann für unsere Kinder? Wie wollen wir es unseren nachkommenden Generationen erklären was wir mit unserer schönen Welt angerichtet haben?

  • Bitte, dieses wunderbare Paradies muss so erhalten bleiben mit seiner herrlichen Pflanzen-und Tierwelt.

    • Die Menschheit macht weiter alles kaputt ...
      Könnte man nicht mehr Geld verdienen wenn wir in 10 Jahren alle anderen Ökosysteme zerstört haben den Besuch der Lofoten als teures von verwöhnten Touristen besuchte noch als einzigste intakte Paradies zu verkaufen!?
      Schützenswert auf jeden Fall gegen die Öl Industrie wehren.

  • Ich hatte zwei Mal das Glück, die wunderbare und natürliche Inselgruppe der Lofoten erleben zu dürfen. Seit die Norweger zu den wenigen [im Übrigen besonders reichen] Nationen dieser Welt gehören die meinen, ohne den kommerziellen Walfang nicht sein zu können, besuche ich das Land nicht mehr. Nicht zu fassen, dass diese Nation - trotz ihres unvergleichlichen Reichtums! - den Hals nicht voll bekommt und nun auch noch ihre Naturreservate verschandeln möchte. Hoffentlich wachen ihre sonst meistens kritischen Bürger rechtzeitig auf.

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