FDP blockiert sektorübergreifendes Programm
Für mich war es eigentlich ein Grund zur Freude. Als die Ampel-Koalition im vergangenen Dezember ihren Koalitionsvertrag vorstellte, konnte man von den vielen Maßnahmen lesen, die die Bundesregierung klima- und energiepolitisch in dieser Legislaturperiode umsetzen möchte. Nach Jahren des Stillstandes war das Ziel gesetzt, den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda zu setzen und die Pariser Ziele zu erreichen. Dies habe oberste Priorität, so der Koalitionsvertrag.
Ein wichtiger Punkt darin: Die Ankündigung eines Klimaschutz-Sofortprogramms. Die Ampel einigte sich im Koalitionsvertrag darauf, Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe zu machen. Sie wollte dafür ein Programm „mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen“ bis Ende 2022 auf den Weg zu bringen. Dahinter steckt das Ziel, sektorenübergreifend eine Strategie für den Klimaschutz mit dem erforderlichen Weitblick zu schaffen. Bisher ist davon allerdings noch nicht allzu viel zu erkennen…
Verpasste Chance im Klimaschutz
Das Klimaschutzgesetz gibt für die einzelnen Sektoren Minderungspfade der Treibhausgase mit jahresscharfen Zielwerten an. So kann man jährlich überprüfen, an welchen Stellschrauben man drehen muss, damit die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden. Im Jahr 2021 haben der Gebäude- und Verkehrssektor ihre vorgegebenen Emissionswerte nicht einhalten können und um je zwei bzw. drei Millionen Tonnen überschritten.
Das Klimaschutzgesetz verpflichtet die zuständigen Ressorts nun, Sofortprogramme aufzusetzen, die diese Emissionslücke schließen sollen. Am 13. Juli mussten die zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Bau sowie für Verkehr nun ihre Programme vorlegen. Das wäre ein hervorragender Zeitpunkt für die Ampel gewesen, gleich ihr umfassendes Klimaschutz-Sofortprogramm aus dem Koalitionsvertrag sektorübergreifend vorzustellen. Doch diese Chance hat die Regierungskoalition verpasst.
Stattdessen legten die zuständigen Ministerien nur Einzelprogramme vor. Die Programme haben gemeinsam, dass sie die Emissionslücken der Zielverfehlungen aus dem letzten Jahr nicht direkt schließen. Stattdessen präsentierten die Ministerien Maßnahmen, die diese Lücke bis 2030 schließen sollen. Doch dabei gibt es auch deutliche Unterschiede.
Bei der FDP fehlt es an klimapolitischer Weitsicht
Im Gebäudebereich stellten die Minister:innen Geywitz (SPD) und Habeck (Grüne) Maßnahmen vor, die den kompletten Emissionspfad des Sektors bis 2030 in den Blick nehmen. Insgesamt soll der Gebäudesektor bis 2030 seine Emissionswerte unterm Strich einhalten und die bisherige Lücke schließen. Zu kritisieren ist allerdings, dass auch bei Umsetzung der vorgelegten Maßnahmen die Sektorziele bis 2026 jedes Jahr verfehlt würden. Es werden auch Maßnahmen genannt, die noch gar nicht beschlossen sind. In der Summe würde man am Ende des Jahrzehnts durch die vorgestellten Maßnahmen allerdings so viel einsparen, dass man die Emissionslücke insgesamt schließen könnte. Na ja, let’s see…
Klimaschutz im Verkehrssektor
Auch das von der FDP-geführte Verkehrsministerium nahm das Jahr 2030 genauer in den Blick. Auch hier hat man keine Maßnahmen vorgelegt, die die Lücke umgehend schließen. Dabei liegen die dafür notwendigen Mittel auf der Hand. Um das Klimaschutzziel bis 2030 zu erreichen, muss der Sektor seine jährlichen Emissionen um über 60 Millionen Tonnen senken. Ein Tempolimit würde Mehremissionen schnell und kostengünstig reduzieren. Fast die Hälfte aller klimaschädlichen Subventionen ist auf den Verkehrsbereich zurückzuführen. Diese Subventionen konterkarieren jegliche Klimaschutzbemühungen des Sektors und sollten daher für klimafreundliche Investitionen umgenutzt werden.
Im Zuge eines umfangreichen Ausbaus der ÖPNV-Angebote könnte man etwa in den Verkehrsverbunden ein 365-Euro-Jahresticket schaffen. Dies wäre zugleich eine klimafreundliche Entlastung für viele Bürger:innen in Deutschland. Staatliche “Tankrabatte” gehören abgeschafft. Sie wirken kaum als Entlastung, halten an der fossilen Abhängigkeit fest und kurbeln den Verbrauch an, anstatt die „Freiheitsenergien” für eine echte Verkehrswende auszubauen.
Das vorgestellte Programm kann lediglich 13 Millionen Tonnen einsparen, so Minister Wissing (FDP). Ich finde, das Programm enthält weder Weitsicht, noch sind die Maßnahmen ambitioniert oder neu. Noch dazu ist fraglich, ob einzelne Vorhaben des Programms, wie die Einführung eines flächendeckenden WLANs im ÖPNV, tatsächlich auch eine Klimaschutzwirkung haben. Bald schon wird sich Minister Wissing also neue Sofortprogramme überlegen müssen, um den Verkehrssektor – mal wieder – on track zu bringen.
Regierungsparteien gespalten bei der Klimapolitik
Die nicht abgestimmten Einzelprogramme für Verkehr und Gebäude zeigen, dass man sich innerhalb der Regierungsparteien nicht auf einen gemeinsamen Klimakurs einigen konnte. In der Bundesregierung ist das Klima also eher schlecht. Das Klimaschutzgesetz gibt es eigentlich vor: Jeder Sektor muss einen fairen Beitrag zur Einhaltung der Klimaschutzziele leisten. Das sollten alle Regierungsparteien auch berücksichtigen.
Neue Verfehlungen der Klimaziele bahnen sich jedoch schon an. Damit nicht jedes Jahr neue Sofortprogramme mit Einzelmaßnahmen vorgelegt werden müssen, sollten sich die Blockierenden in der Bundesregierung einen Ruck geben. Sie sollten über ihren ideologischen Schatten springen und dem Klimaschutz tatsächlich oberste Priorität einräumen. So, wie sie es vereinbart haben.
Ach ja, über ein sektorenübergreifendes Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen würde ich mich bis Ende des Jahres natürlich trotzdem noch freuen…