Wie raus aus der Abhän­gig­keit vom rus­si­schen Gas?

Tausende Pipeline-Röhren liegen in Mukran © Imago/Jens Koehler

Deutsch­land sitzt in der Fal­le der fos­si­len Abhän­gig­keit. Ver­deut­licht nach dem rus­si­schen Über­fall auf die Ukrai­ne. Wie kom­men wir da raus?

Gas, Öl, Koh­le und Uran – hier sind Deutsch­land und die Euro­päi­sche Uni­on von Russ­land abhän­gig. Die EU über­weist Tag für Tag bis zu einer Mil­li­ar­de Euro an Gaz­prom, Ros­neft und Co. Und finan­ziert so indi­rekt die rus­si­schen Devi­sen­kas­sen. Also ein­fach nicht mehr in Russ­land kau­fen? So ein­fach ist es mal wie­der nicht.

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Deutsch­land könn­te bis 2027 auf nahe­zu alle rus­si­schen Impor­te und damit auf bis zu ein Fünf­tel der Gasim­por­te gene­rell ver­zich­ten, schätzt die Denk­fa­brik Ago­ra Ener­gie­wen­de. Dazu sind aber weit­rei­chen­de Maß­nah­men nötig.

Was schnell hilft: Sparen!

Es ist ganz klar: ein Bereich mit sehr gro­ßem Poten­ti­al wur­de vie­le Jah­re lang brach­lie­gen gelas­sen: die Ener­gie­ef­fi­zi­enz bezie­hungs­wei­se die gesamt­wirt­schaft­li­che Effi­zi­enz. Zu Deutsch: das Ein­spa­ren. Das müs­sen wir jetzt als ers­tes machen. Jede nicht ver­feu­er­te Kilo­watt­stun­de an fos­si­ler Ener­gie ent­las­tet die Ener­gie­ver­sor­gung im kom­men­den Winter.

Der größ­te Teil des deut­schen Erd­gas­ver­brauchs geht in unse­re Hei­zun­gen. Die­se hän­gen zu oft noch an den Wän­den unge­dämm­ter Häu­ser unter zugi­gen Fens­tern. Für kurz­fris­tig wirk­sa­me Ergeb­nis­se bräuch­te es Ver­hal­tens­än­de­run­gen bei Ver­brau­chern, Gewer­be und Indus­trie. Die Absen­kung der Raum­tem­pe­ra­tur bräch­te, wenn flä­chen­de­ckend durch­ge­führt hohe Ersparnisse.

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Dazu könn­ten gas­ab­hän­gi­ge Indus­trie­pro­zes­se zurück­ge­fah­ren wer­den. Eine jetzt mit Nach­druck gestar­te­te Sanie­rungs­of­fen­si­ve für die Bau­sub­stanz und ein schnel­les Tausch­pro­gramm fos­si­ler Hei­zun­gen gegen Wär­me­pum­pen wür­de hier mit­tel­fris­tig hel­fen. Schon bis zum nächs­ten Winter.

Wie beim Hei­zen sparen?

Die Elek­tri­fi­zie­rung von Hei­zun­gen und Autos ist lang­fris­tig der Schlüs­sel zur Hal­bie­rung des gesam­ten Ener­gie­ver­brauchs. Elek­tri­sche Anwen­dun­gen sind deut­lich spar­sa­mer als die Ver­bren­nung von Gas und Öl in Heiz­kes­seln und Moto­ren. Dafür braucht es aber mehr erneu­er­ba­ren Strom.

Was mit­tel­fris­tig hilft: End­lich Erneu­er­ba­re Ausbauen!

Auch die bis­her hart­nä­ckigs­ten Geg­ner der Ener­gie­wen­de in der Bun­des­re­gie­rung haben in der Kon­se­quenz des Ukrai­ne­krie­ges erkannt. Son­ne, Wind und Was­ser­kraft sind eben „Frei­heits­en­er­gien“, die rasant aus­ge­baut wer­den müs­sen. Die Erkennt­nis ist genau­so über­fäl­lig wie rich­tig. Sie wird uns aber nicht in weni­gen Mona­ten unab­hän­gig von fos­si­ler Ener­gie machen.

Hier rächt sich, dass die Vor­gän­ger­re­gie­run­gen durch das Fest­hal­ten an fos­si­len Ener­gie­trä­gern die Ener­gie­wen­de aus­ge­bremst, den Zusam­men­bruch der deut­schen Solar­in­dus­trie nicht ver­hin­dert haben und bei der Wind­kraft auf­grund seit Jah­ren Flau­te herrscht. Bis also die „Frei­heits­en­er­gien“ Deutsch­land kom­plett ver­sor­gen kön­nen, wer­den also noch eini­ge Jah­re ins Land gehen.

Schnel­ler als beim Gas könn­te es beim Öl gehen

Hier könn­ten mit­tel­fris­tig eine Rei­he ande­rer OPEC Län­der von Sau­di-Ara­bi­en bis Vene­zue­la ein­sprin­gen. Dar­über hin­aus ste­hen eine Rei­he von ver­kehrs­po­li­ti­schen Maß­nah­men bereit, die sofort wir­ken. Von Tem­po­li­mit zu auto­frei­en Wochen­en­den oder die Ver­län­ge­rung der Home-Office Pflicht. Mit­tel­fris­tig gilt es die Ver­la­ge­rung vom moto­ri­sier­ten Indi­vi­du­al­ver­kehr auf Bus­se und Bah­nen eben­so wie die Elek­tri­fi­zie­rung des Sek­tors schnel­ler als bis­her voranzutreiben.

Was nicht hilft: Tankrabatt

Wir brau­chen weni­ger Autos © roibu/iStock/Gettyimages Plus

Ange­sichts der stei­gen­den Ener­gie­prei­se wird nicht nur in Deutsch­land über eine Ent­las­tung der Verbraucher:innen debat­tiert. Aus­ge­rech­net der libe­ra­le Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lind­ner brach­te einen staat­li­chen Tan­kra­batt ins Spiel. Das wäre sozu­sa­gen die erneu­te Sub­ven­tio­nie­rung von „Unfrei­heits­en­er­gien“. Dies freut zwar die Auto­fah­rer, bedeu­tet aber vor allem das Fest­hal­ten an fos­si­len Abhän­gig­kei­ten und Ankur­beln des Ver­brauchs. Den es eigent­lich zu redu­zie­ren gilt.

Ein sozia­ler Aus­gleich für die rasant gestie­ge­nen Ener­gie­prei­se soll­te des­halb nicht über die direk­te Sub­ven­tio­nie­rung oder Decke­lung der Prei­se gesche­hen. Schon jetzt wird der Haus­halt mit über 65 Mil­li­ar­den Euro umwelt­schäd­li­chen Sub­ven­tio­nen pro Jahr belas­tet. Geld, das an ande­rer Stel­le für die Trans­for­ma­ti­on der Wirt­schaft fehlt.

Eine geziel­te­re und sozi­al gerech­te­re Ent­las­tung könn­te bei­spiels­wei­se über Pro-Kopf-Rück­erstat­tun­gen in Form von Kli­ma- und Mobi­li­täts­gel­dern erfol­gen — ergänzt um eine Zusatz­prä­mie, die sich an der Höhe der Ein­spar­maß­nah­men orientiert.

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Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland und damit beschäftigte mit alle (oder doch zumindest vielen) Fragen rund um Klima und Energie. Und obwohl ich seit Jahren nicht mehr aktiv dazu arbeite, hängt mein Herz an einer neuen Mobilitätswelt. Es braucht nicht mehr als täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren um daran erinnert zu werden, wieviel Arbeit das noch ist.

Kommentare (4)

  • Wir müssen alles tun um die Umwelt zu schonen ... wir wissen was zu tun ist und wir müssen das auch umsetzen .. weniger Auto fahren Heizungen runter drehen, kein Plastik, weniger Fleisch essen u.a. Auf jeden Fall uns unabhängig vom Gas und Öl machen so wie es umweltschonend auch möglich ist ...

  • Hallo,
    meistens sind Eure Infonews richtig interessant.
    Diesmal lese ich Euren Newsletter mit Erstaunen. Was stimmt denn jetzt?

    Erst gestern habe ich mich über Ökostromanbieter informiert. Und ganz erstaunt gelesen, es geht noch viel mehr, als man uns "dummen Bürgern " verkaufen will. Aber das tolle ist, man könnte viel mehr Biogasanlagen fördern. FAZIT: WIR BRÄUCHTEN KEIN RUSSISCHES GAS!

    Hier einen Auszug aus der Info von Polarstern
    "Biogasanlagen produzieren Ökogas durch anaerobe Vergärung.
    Biogene Abfall- und Reststoffe sowie erneuerbare Energien vergären unter Ausschluss von Sauerstoff durch Bakterien in großen Fermentern. Dabei werden Methan, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff erzeugt. Am Ende der Vergärung bleibt ein Gärrest zurück, quasi als Nebenprodukt. Es kann super als Biodünger eingesetzt werden.

    Einen großen Teil des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen entfällt auf die Wärmeversorgung. Das gilt für Haushalte, genauso wie für die Wirtschaft. Unternehmen mit einem hohen nachhaltigen Anspruch machen es vor: Sie wechseln nicht nur zu Ökostrom, sondern auch zu echtem Ökogas. So wie der Naturkost-Hersteller Rapunzel. Das Unternehmen betreibt sein Blockheizkraftwerk mit unserem Wirklich Ökogas. Es reduziert so die CO2-Emissionen seiner Rösterei erheblich. Auch der Outdoor Bekleidungshersteller Vaude und das Naturkosmetikunternehmen SPEICK zählen unter anderem zu Polarsterns Ökogas-Kunden."

    LINK ZUR BROSCHÜRE:
    https://www.polarstern-energie.de/fileadmin/files/oekogas/Polarstern_Produktblatt_Wirklich_Oekogas_Privatkunden_low.pdf

    Ich würde mich freuen, von Euch zu hören.

    Mit freundlichen Grüßen
    U.Wollerich

  • So ganz versteh ich das alles nicht mehr. Ich bin 70. Umwelt und Naturschutz sind mir wichtig. Aber SOFORT auf "russisches Gas u. Öl" zu verzichten ist doch Unsinn.
    Praktisch gedacht lebend in einer Mietwohnung. Praktisch gedacht als Hausbesitzer mit Gas, wo bekommt man so schnell Solarpanels oder einen Holzofen(damit weiter
    die Wälder abgeholzt werden). Woher kommt das Elektrisch? Und die Batterien für die Elektroautos und die Entsorgung der Batterien? 100.000de von Windräder, goodbye Vögel.Sicher kann man viel tun, aber man muss doch die Realität sehen. Jeder Mensch kann Energie einsparen, aber ein G7 Gipfel mit Hubschrauberlandeplätzen in Naturschutzgebiet, das ist wohl nicht die Antwort.
    Immer mehr Waffen in die Ukraine ist auch nicht die Antwort. 100 Mill für Aufrüstung ist erschreckend.
    LNG Terminals um dreckiges Fracking Gas aus der USA zu bringen, oder Öltanker die durch die Weltmeere fahren da wir kein Öl mehr aus Rußland wollen, das ist doch Wahnsinn. Die Umweltkatastrophen werden zunehmen da Europa keinen Blackout will oder sich leisten kann.
    Also was genau wollt ihr - mittelfristige oder langfristige Pläne wären super.
    Aber diese erzwungene sofortige Energiewende aus moralischen Gründen, weil wir keine Energie mehr aus Rußland wollen ist einfach nur dumm und eine Doppelmoral, nicht durchdacht, unrealistisch.
    Raus aus den Fossilen, rein in die Zukunft, aber bitte mit Verstand.
    Übrigens wird der Urwald in der Welt weiter abgeholzt und keinen interessiert es. Ich denke das hat auch sehr viel mit unseren Klima zu tun...

  • Bisher habe ich mich noch nicht so viel über das Gas informiert. Interessant zu lesen war, dass mittlerweile auch Verhandlungen für Gas aus anderen Ländern kommt. Ich werde zur Sicherheit ein paar Gasflaschen kaufen.

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