The End of Meat: Eine Welt ohne Fleisch?

"The end of meat" - Ab dem 14. September im Kino © The End Of Meat

Die Visi­on einer Welt ohne Nutz­tie­re und Fleisch­ver­zehr wird in dem Film „The end of meat“ skiz­ziert, in des­sen Pre­mie­re ich am 26.8. in Ber­lin war. Dort wird der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wel­che Aus­wir­kun­gen auf Umwelt und Gesund­heit der heu­ti­ge Fleisch­kon­sum in den Indus­trie­län­dern hat und ob man über­haupt noch Tie­re hal­ten sollte. 

Wen essen wir eigent­lich? Und war­um? Die­se Fra­gen sind nicht leicht zu beant­wor­ten. Im Film “The End of Meat” gibt es ein “Wun­der­schwein” namens Esther. Sie wur­de eigent­lich als Mini-Schwein von einem Pär­chen gekauft. Esther blieb jedoch gar nicht so “mini”, im Gegen­teil. Es wur­de sehr groß. Doch nicht nur das: Schlau und sozi­al wie Schwei­ne nun ein­mal sind, ver­hielt sich Esther ähn­lich wie der Hund der bei­den. Ein Schwein kann geges­sen wer­den. Hun­de jedoch – um Got­tes Wil­len. War­um ist das so? Wie kön­nen Men­schen über­haupt den­ken­de, lei­den­de Lebe­we­sen ver­spei­sen? Ande­re jedoch auf gar kei­nen Fall.

Kli­ma, Was­ser, Arten­viel­falt – alles leidet

Auch die im Film gezeig­ten Umwelt­aus­wir­kun­gen des Fleisch­kon­sums beein­dru­cken. Kli­ma, Was­ser, Arten­viel­falt – alles lei­det offen­sicht­lich unter der Tier­hal­tung. Die vor­ge­schla­ge­ne Lösung: Eine vega­ne Ernäh­rung. Die­se hät­te nicht nur posi­ti­ve Effek­te auf die soge­nann­ten “Umwelt­kos­ten”, wie ein Oxford-Pro­fes­sor berech­ne­te. Ganz neben­bei wür­de sie auch acht Mil­lio­nen Men­schen­le­ben ret­ten. Wir alle könn­ten im Schnitt sie­ben Jah­re län­ger leben, wenn wir es denn vegan tun wür­den, heißt es im Film.

Meh­re­re Unter­neh­mer, die vega­ne Pro­duk­te her­stel­len, kom­men auch zu Wort und berich­ten von unglaub­li­chen Absatz­stei­ge­run­gen. Last but not least wird die Arbeit von Mark Post, einem Pro­fes­sor der Uni­ver­si­tät Maas­tricht, vor­ge­stellt – cul­tu­red meat heißt das Zau­ber­wort. Für alle, deren Lust nach “rich­ti­gem” Fleisch nicht zu stil­len ist, stellt der Wis­sen­schaft­ler aus Stamm­zel­len einer Kuh Fleisch her — ohne Stall, Trans­port und Schlach­tung, direkt in der Petrischale.

Ist Kunst­fleisch die Zukunft?

Bei der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on im Kino­saal pro­gnos­ti­zier­te der Wis­sen­schaft­ler, dass es wohl schon in drei Jah­ren so weit sein könn­te, bis das ers­te Kunst­fleisch auf dem Markt erhält­lich sei. Eine Besu­che­rin schrie ihm dar­auf­hin ent­ge­gen, dass er ja den­noch Kühe brau­che und sie für sei­ne Zwe­cke ver­skla­ven würde.

Und immer wie­der wer­den im Film Hin­wei­se von Tier­recht­lern dazwi­schen gestreut, Tie­re essen wäre barbarisch.

Eine Stadt in Indi­en wird vor­ge­stellt, die sich als ers­te vega­ne Stadt der Welt titu­liert. Dort sei die Welt in Ord­nung: kein Tier wird geschlach­tet, die frei­en Kühe suchen auf der Müll­kip­pe nach Fut­ter. Dass die „hei­li­gen indi­schen Kühe“ teils kläg­lich auf der Fut­ter­su­che ver­en­den, wird zumin­dest angedeutet.

So weit so ein­sei­tig – die ande­re Sei­te der Tier­hal­tung, die posi­ti­ven Aspek­te bei­spiels­wei­se kom­men nicht vor. 

Tier­ge­recht­heit:

Im gan­zen Film gibt es kei­nen ein­zi­gen Tier­hal­ter, der sich bemüht, sei­ne Tie­re mög­lichst tier­ge­recht zu hal­ten, obwohl es die­se durch­aus gibt. Jede Art der Tier­hal­tung ist ein Kom­pro­miss. Tier­hal­ter, die dies tun, bekom­men kei­ne Chan­ce gehört und gese­hen zu werden.

Ernäh­rungs­si­cher­heit und Souveränität:

Etwa 70 Pro­zent der welt­weit ver­füg­ba­ren land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­chen sind soge­nann­tes abso­lu­tes Grün­land – sind also nicht acker­fä­hig. Wir in Deutschand ver­fü­gen über aus­rei­chend Flä­che und müss­ten theo­re­tisch in den Mit­tel­ge­bir­gen oder Grün­land-Stand­or­ten Deutsch­lands wie Weser­marsch oder Spree­wald kei­ne Tie­re hal­ten, um unse­re Ernäh­rung sicher­zu­stel­len.  Aber die Men­schen im Sahel, im süd­li­chen Afri­ka, der Mon­go­lei etc. haben kei­ne ande­re Mög­lich­keit Lebens­mit­tel auf dem Acker zu erzeugen.

Der Film beschränkt sich somit auf eine deut­lich westlich/Wohlstandsgesellschaft gepräg­te Sicht auf Ernäh­rung und ihre Alter­na­ti­ven. Kein ein­zi­ger Hir­te, der unter ande­ren Bedin­gun­gen lebt und eben kaum Mög­lich­kei­ten hat, fin­det Gehör. Zie­gen, Scha­fe und Rin­der sind näm­lich in der Lage in Gegen­den, in denen es für den Men­schen kaum Mög­lich­kei­ten gibt, deren Ernäh­rung sicher­zu­stel­len. Ins­be­son­de­re mit Hin­blick auf das Labor-Fleisch, das sicher­lich preis­lich gese­hen auf lan­ge Zeit kei­ne Alter­na­ti­ve für die auf­stre­ben­den Schwel­len­län­der sein wird.

Der Film will zwar eine mög­li­che vega­ne Welt­ernäh­rung der Zukunft ent­wer­fen, stellt gleich­zei­tig die im Labor her­ge­stell­ten Alter­na­ti­ven zu Fleisch und Milch dar. Dabei unter­schlägt er aber, wie eine sol­che “vega­ne Land­wirt­schaft der Arten­viel­falt” aus­se­hen soll. (Stich­wort Öko-Land­bau, weni­ger Pes­ti­zi­de etc.).

Kreis­lauf­wirt­schaft:

Tie­re sind immens wich­tig für eine funk­tio­nie­ren­de Kreis­lauf­wirt­schaft. Auf vie­len Stand­or­ten die­ser Welt gehö­ren Tie­re und ihre Aus­schei­dun­gen für eine funk­tio­nie­ren­de Kreis­lauf­wirt­schaft dazu, wie er exem­pla­risch im öko­lo­gi­schen Land­bau durch­ge­führt wird. Es geht durch­aus an bestimm­ten  vor allem frucht­ba­ren — Stand­or­ten auch ohne Tie­re, aber lang­fris­tig ist der Dung von Tie­ren die ent­schei­den­de, nach­hal­ti­ge Kom­po­nen­te für frucht­ba­re Böden.

Arten­viel­falt:

Gezeigt wird eine Situa­ti­on, in der mit Bewei­dung wüs­ten­haf­te Ver­hält­nis­se herr­schen. Dem ent­ge­gen stün­de dem­nach eine Land­wirt­schaft ohne Tie­re, die ein­her­geht mit blü­hen­den Fel­dern und Land­schaf­ten. Die­ses ent­wor­fe­ne Bild ent­spricht ein­fach nicht der Wahr­heit. Denn exten­si­ve und gut gema­nag­te Wei­de­sys­te­me gel­ten als die arten­reichs­ten Agrar­öko­sys­te­me, die wir in Deutsch­land ken­nen. Arten­viel­falt geht viel­fach ein­her mit dem Vor­han­den­sein von Gra­sern auf Grünland.

Fazit:

The End of Meat” ist ein anre­gen­der und teil­wei­se anrüh­ren­der Film zu einem super span­nen­den The­ma. Lei­der unter­nimmt er gar nicht erst den Ver­such, Tier­hal­tung auch posi­tiv dar­zu­stel­len. Men­schen wer­den dar­in mora­lisch unter­teilt in wel­che, die noch Fleisch essen und den ande­ren, die schon wei­ter sind und vegan leben. Damit wird lei­der die Chan­ce ver­passt, eine Brü­cke zu den fleisch­essen­den Mit­men­schen zu schla­gen, die auch wei­ter­hin den Groß­teil der Bevöl­ke­rung aus­ma­chen wer­den. Genau die­se Moral ist es, die es in der Ver­gan­gen­heit dem Veganismus/Vegetarierismus so schwer macht, in der brei­te­ren Bevöl­ke­rung Fuß zu fassen.

So wird nur wie­der dem Vor­ur­teil gegen­über Vega­nern als ver­bis­se­nen Extre­mis­ten Vor­schub geleis­tet, die doch eigent­lich eine wich­ti­ge Mes­sa­ge hät­ten – man kann auf Fleisch ver­zich­ten, und dabei glück­lich und gesund sein. Muss man aber nicht, denn jeder Bis­sen weni­ger hilft. Weni­ger, aber bes­se­res Fleisch.

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Referent für Agrarrohstoffe und Tierhaltung beim WWF Deutschland. Landwirtschaft prägt mein Leben. Mich fasziniert dabei, dass es die weltweit einzige Wirtschaftsweise ist, die dank der Photosynthese in der Lage ist mehr zu erzeugen, als sie verbraucht. Und das mit der Natur und nicht gegen sie - das ist wahre Nachhaltigkeit! Ich bin Landwirt, Entwicklungshelfer, landwirtschaftlicher Berater, Einkäufer für Bio-Ölsaaten gewesen und jetzt Projektleiter für nachhaltigere Nutztierfütterung.-Markus hat den WWF inzwischen verlassen-

Kommentare (3)

  • Warum soll ein Film von Veganern die positiven Seiten der Tierhaltung darstellen? Die Fleisch- und Milchindustrie weisen ja auch nicht auf die positiven Seiten der pflanzlichen Ernährung hin.
    Und was soll "besseres Fleisch" sein? Am Ende ist auch ein freilaufendes Rind von Demeter nur ein totes Mitgeschöpf, dessen Erzeugung selbst nach streng ökologischen Prinzipien der Umwelt mehr schadet, als die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel. Und ich spreche jetzt von Obst, Gemüse, Kräutern, Getreiden und Nüssen, aus denen jeder hochwertige Mahlzeiten zubereiten kann. Nicht irgendwelchem hochindustriell verfälschten und um die halbe Welt transportierten Life-Style-Bio-Vegan-Müll.

  • Artikel verfasst von einem Landwirt und Projektleiter für Nutztierfütterung. Natürlich also super objektiv und neutral..
    Sagt doch wieder alles, wie man versucht dieses grausame und tierverachtende System auf Laufen zu halten

  • Ich bin mal wieder zutiefst erschüttert über diesen Beitrag. Ist der WWF noch eine Naturschutzorganisation oder mittlerweile eine Agrar- und Windkraftlobbyvereinigung? (Den letzteren Begriff beziehe ich auf einen anderen Blogbeitrag des WWF). Der Film "Seaspiracy" wurde schon vom WWF auseinandergenommen, und jetzt folgt der nächste. Ich persönlich bin begeistert, dass endlich derartige Filme entstehen und verstehe absolut nicht, warum gewisse Naturschutzverbände immer gleich verzweifelt ein Haar in der Suppe suchen müssen. Der WWF macht viele tolle Aktionen, beispielsweise das Waldrappwiederansiedlungsprojekt, welches aufwändig sowie einzigartig ist und das ich persönlich sehr gut finde, schiesst sich jedoch durch derartige Aktionen massiv ins Abseits - zumindest bei meiner Person. Naturschutz, Klimaschutz, Artenschutz, der Schutz von Biodiversität und Lebensräumen, Tierschutz und Tierrechte sollten endlich zusammen gedacht werden. Meiner Meinung nach sind Tierrechte sogar ein Schlüssel zu mehr (echtem!) Naturschutz, denn wer Tiere schützt und respektiert, schützt auch ihren Lebensraum.

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