Die Vision einer Welt ohne Nutztiere und Fleischverzehr wird in dem Film „The end of meat“ skizziert, in dessen Premiere ich am 26.8. in Berlin war. Dort wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit der heutige Fleischkonsum in den Industrieländern hat und ob man überhaupt noch Tiere halten sollte.
Wen essen wir eigentlich? Und warum? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Im Film “The End of Meat” gibt es ein “Wunderschwein” namens Esther. Sie wurde eigentlich als Mini-Schwein von einem Pärchen gekauft. Esther blieb jedoch gar nicht so “mini”, im Gegenteil. Es wurde sehr groß. Doch nicht nur das: Schlau und sozial wie Schweine nun einmal sind, verhielt sich Esther ähnlich wie der Hund der beiden. Ein Schwein kann gegessen werden. Hunde jedoch – um Gottes Willen. Warum ist das so? Wie können Menschen überhaupt denkende, leidende Lebewesen verspeisen? Andere jedoch auf gar keinen Fall.
Klima, Wasser, Artenvielfalt – alles leidet
Auch die im Film gezeigten Umweltauswirkungen des Fleischkonsums beeindrucken. Klima, Wasser, Artenvielfalt – alles leidet offensichtlich unter der Tierhaltung. Die vorgeschlagene Lösung: Eine vegane Ernährung. Diese hätte nicht nur positive Effekte auf die sogenannten “Umweltkosten”, wie ein Oxford-Professor berechnete. Ganz nebenbei würde sie auch acht Millionen Menschenleben retten. Wir alle könnten im Schnitt sieben Jahre länger leben, wenn wir es denn vegan tun würden, heißt es im Film.
Mehrere Unternehmer, die vegane Produkte herstellen, kommen auch zu Wort und berichten von unglaublichen Absatzsteigerungen. Last but not least wird die Arbeit von Mark Post, einem Professor der Universität Maastricht, vorgestellt – cultured meat heißt das Zauberwort. Für alle, deren Lust nach “richtigem” Fleisch nicht zu stillen ist, stellt der Wissenschaftler aus Stammzellen einer Kuh Fleisch her — ohne Stall, Transport und Schlachtung, direkt in der Petrischale.
Ist Kunstfleisch die Zukunft?
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Und immer wieder werden im Film Hinweise von Tierrechtlern dazwischen gestreut, Tiere essen wäre barbarisch.
Eine Stadt in Indien wird vorgestellt, die sich als erste vegane Stadt der Welt tituliert. Dort sei die Welt in Ordnung: kein Tier wird geschlachtet, die freien Kühe suchen auf der Müllkippe nach Futter. Dass die „heiligen indischen Kühe“ teils kläglich auf der Futtersuche verenden, wird zumindest angedeutet.
So weit so einseitig – die andere Seite der Tierhaltung, die positiven Aspekte beispielsweise kommen nicht vor.
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Tiergerechtheit:
Im ganzen Film gibt es keinen einzigen Tierhalter, der sich bemüht, seine Tiere möglichst tiergerecht zu halten, obwohl es diese durchaus gibt. Jede Art der Tierhaltung ist ein Kompromiss. Tierhalter, die dies tun, bekommen keine Chance gehört und gesehen zu werden.
Ernährungssicherheit und Souveränität:
Etwa 70 Prozent der weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzflächen sind sogenanntes absolutes Grünland – sind also nicht ackerfähig. Wir in Deutschand verfügen über ausreichend Fläche und müssten theoretisch in den Mittelgebirgen oder Grünland-Standorten Deutschlands wie Wesermarsch oder Spreewald keine Tiere halten, um unsere Ernährung sicherzustellen. Aber die Menschen im Sahel, im südlichen Afrika, der Mongolei etc. haben keine andere Möglichkeit Lebensmittel auf dem Acker zu erzeugen.
Der Film beschränkt sich somit auf eine deutlich westlich/Wohlstandsgesellschaft geprägte Sicht auf Ernährung und ihre Alternativen. Kein einziger Hirte, der unter anderen Bedingungen lebt und eben kaum Möglichkeiten hat, findet Gehör. Ziegen, Schafe und Rinder sind nämlich in der Lage in Gegenden, in denen es für den Menschen kaum Möglichkeiten gibt, deren Ernährung sicherzustellen. Insbesondere mit Hinblick auf das Labor-Fleisch, das sicherlich preislich gesehen auf lange Zeit keine Alternative für die aufstrebenden Schwellenländer sein wird.
Der Film will zwar eine mögliche vegane Welternährung der Zukunft entwerfen, stellt gleichzeitig die im Labor hergestellten Alternativen zu Fleisch und Milch dar. Dabei unterschlägt er aber, wie eine solche “vegane Landwirtschaft der Artenvielfalt” aussehen soll. (Stichwort Öko-Landbau, weniger Pestizide etc.).
Kreislaufwirtschaft:
Tiere sind immens wichtig für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Auf vielen Standorten dieser Welt gehören Tiere und ihre Ausscheidungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft dazu, wie er exemplarisch im ökologischen Landbau durchgeführt wird. Es geht durchaus an bestimmten vor allem fruchtbaren — Standorten auch ohne Tiere, aber langfristig ist der Dung von Tieren die entscheidende, nachhaltige Komponente für fruchtbare Böden.
https://twitter.com/TheEndofMeat/status/903927171223314432
Artenvielfalt:
Gezeigt wird eine Situation, in der mit Beweidung wüstenhafte Verhältnisse herrschen. Dem entgegen stünde demnach eine Landwirtschaft ohne Tiere, die einhergeht mit blühenden Feldern und Landschaften. Dieses entworfene Bild entspricht einfach nicht der Wahrheit. Denn extensive und gut gemanagte Weidesysteme gelten als die artenreichsten Agrarökosysteme, die wir in Deutschland kennen. Artenvielfalt geht vielfach einher mit dem Vorhandensein von Grasern auf Grünland.
Fazit:
“The End of Meat” ist ein anregender und teilweise anrührender Film zu einem super spannenden Thema. Leider unternimmt er gar nicht erst den Versuch, Tierhaltung auch positiv darzustellen. Menschen werden darin moralisch unterteilt in welche, die noch Fleisch essen und den anderen, die schon weiter sind und vegan leben. Damit wird leider die Chance verpasst, eine Brücke zu den fleischessenden Mitmenschen zu schlagen, die auch weiterhin den Großteil der Bevölkerung ausmachen werden. Genau diese Moral ist es, die es in der Vergangenheit dem Veganismus/Vegetarierismus so schwer macht, in der breiteren Bevölkerung Fuß zu fassen.
So wird nur wieder dem Vorurteil gegenüber Veganern als verbissenen Extremisten Vorschub geleistet, die doch eigentlich eine wichtige Message hätten – man kann auf Fleisch verzichten, und dabei glücklich und gesund sein. Muss man aber nicht, denn jeder Bissen weniger hilft. Weniger, aber besseres Fleisch.
Warum soll ein Film von Veganern die positiven Seiten der Tierhaltung darstellen? Die Fleisch- und Milchindustrie weisen ja auch nicht auf die positiven Seiten der pflanzlichen Ernährung hin.
Und was soll “besseres Fleisch” sein? Am Ende ist auch ein freilaufendes Rind von Demeter nur ein totes Mitgeschöpf, dessen Erzeugung selbst nach streng ökologischen Prinzipien der Umwelt mehr schadet, als die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel. Und ich spreche jetzt von Obst, Gemüse, Kräutern, Getreiden und Nüssen, aus denen jeder hochwertige Mahlzeiten zubereiten kann. Nicht irgendwelchem hochindustriell verfälschten und um die halbe Welt transportierten Life-Style-Bio-Vegan-Müll.
Artikel verfasst von einem Landwirt und Projektleiter für Nutztierfütterung. Natürlich also super objektiv und neutral..
Sagt doch wieder alles, wie man versucht dieses grausame und tierverachtende System auf Laufen zu halten
Ich bin mal wieder zutiefst erschüttert über diesen Beitrag. Ist der WWF noch eine Naturschutzorganisation oder mittlerweile eine Agrar- und Windkraftlobbyvereinigung? (Den letzteren Begriff beziehe ich auf einen anderen Blogbeitrag des WWF). Der Film “Seaspiracy” wurde schon vom WWF auseinandergenommen, und jetzt folgt der nächste. Ich persönlich bin begeistert, dass endlich derartige Filme entstehen und verstehe absolut nicht, warum gewisse Naturschutzverbände immer gleich verzweifelt ein Haar in der Suppe suchen müssen. Der WWF macht viele tolle Aktionen, beispielsweise das Waldrappwiederansiedlungsprojekt, welches aufwändig sowie einzigartig ist und das ich persönlich sehr gut finde, schiesst sich jedoch durch derartige Aktionen massiv ins Abseits — zumindest bei meiner Person. Naturschutz, Klimaschutz, Artenschutz, der Schutz von Biodiversität und Lebensräumen, Tierschutz und Tierrechte sollten endlich zusammen gedacht werden. Meiner Meinung nach sind Tierrechte sogar ein Schlüssel zu mehr (echtem!) Naturschutz, denn wer Tiere schützt und respektiert, schützt auch ihren Lebensraum.