Das Kli­ma­schutz­ge­setz braucht Boxhandschuhe

Deutschland braucht ein Klimaschutzgesetz das Boxhandschuhe trägt © Gelo Korol & Alexey Tolmachov/iStock Getty Images/ Imago/Zoonar/Juergen Wiesler

Als Ende 2021 die Ampel­re­gie­rung ihren Koali­ti­ons­ver­trag ver­ab­schie­de­te war klar: Das Bun­des-Kli­ma­schutz­ge­setz (kurz: KSG) wird umge­stal­tet wer­den. So heißt es unter ande­rem im Koali­ti­ons­ver­trag, dass das Gesetz im Sin­ne der „Fort­schritts­re­gie­rung“ wei­ter­ent­wi­ckelt, Kli­ma­schutz zur Quer­schnitts­auf­ga­be der Poli­tik sowie Straf­zah­lung bei einer ver­fehl­ten Kli­ma­po­li­tik an die EU ver­mie­den wer­den sol­len. Dar­über hin­aus soll­ten noch 2022 über­grei­fen­de Kli­ma­schutz­maß­nah­men in ein umfas­sen­des Kli­ma­schutz­so­fort­pro­gramm mün­den, die die Erfül­lung der Kli­ma­schutz­zie­le 2030 sicher­stel­len soll­ten. Mit über einem hal­ben Jahr Ver­spä­tung wur­den nun die Plä­ne der Bun­des­re­gie­rung dazu Ende Juni 2023 vor­ge­stellt – Zeit, dar­über zu reden.

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Was ist über­haupt das Klimaschutzgesetz?

Das Bun­des-Kli­ma­schutz­ge­setz (kurz: KSG) ist seit 2019 das zen­tra­le kli­ma­po­li­ti­sche Rah­men­werk, das dazu dient, die Kli­ma­kri­se zu bekämp­fen. Es legt ver­bind­li­che Zie­le fest, wie viel Treib­haus­ga­se wir in den kom­men­den Jah­ren ein­spa­ren müs­sen, um spä­tes­tens 2045 kli­ma­neu­tral zu sein. Das Gesetz regelt auch, wie die ver­schie­de­nen Sek­to­ren wie Ver­kehr, Ener­gie­wirt­schaft und Gebäu­de zur Emis­si­ons­re­duk­ti­on bei­tra­gen sol­len. Die Ein­hal­tung der ver­bind­li­chen Kli­ma­schutz­zie­le in den Sek­to­ren wird jähr­lich im März über­prüft. Bis­her waren “Stra­fen” vor­ge­se­hen, falls die Zie­le nicht erreicht werden.

Das Kli­ma­schutz­ge­setz hält genau fest, wann wel­che Berich­te abzu­lie­fern sind © WWF Deutschland

Die für die­se Berei­che zustän­di­gen Minister:innen müs­sen bei Ziel­ver­feh­lung ein soge­nann­tes Sek­tor-Sofort­pro­gramm vor­le­gen. Hier sol­len Maß­nah­men ent­wi­ckelt wer­den, die dafür sor­gen, dass die Ziel­ein­hal­tung wie­der erreicht wird. Das soll sicher­stel­len, dass jeder Sek­tor einen fai­ren Bei­trag in der Trans­for­ma­ti­on leis­tet. Vor zwei Jah­ren wur­de das KSG nach einem Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts gestärkt. Seit­dem hat Kli­ma­schutz sogar Ver­fas­sungs­rang. Was soll nun geän­dert wer­den? 

Bun­des­re­gie­rung streicht Ver­bind­lich­keit von Zie­len 

Ein zen­tra­les Ele­ment des KSG ist die Ver­bind­lich­keit der Sek­tor­zie­le. Es ist geplant, die­se Ver­bind­lich­keit zu strei­chen und statt­des­sen nur noch die Ein­hal­tung des Gesamt­ziels zu berück­sich­ti­gen. Die­ser Plan der Bun­des­re­gie­rung birgt jedoch eini­ge äußerst kri­ti­sche Aspekte.

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Durch die Abschaf­fung der ver­bind­li­chen Sek­tor­zie­le besteht nicht län­ger die Gewiss­heit, dass jeder Sek­tor einem kla­ren Pfad zur Min­de­rung der Treib­haus­ga­se folgt und hier­für einen kon­kre­ten und adäqua­ten Bei­trag leis­tet. Es soll nun die Mög­lich­keit geben, Über­erfül­lun­gen in einem Sek­tor mit Ziel­ver­feh­lun­gen in einem ande­ren Sek­tor zu ver­rech­nen. Doof nur, dass mit­tel­fris­tig kein Sek­tor auf dem Pfad ist, um sei­ne Zie­le “über­zu­er­fül­len”. Damit geht ein­her, dass künf­tig die Sek­tor-Sofort­pro­gram­me nicht mehr von ein­zel­nen Minister:innen vor­ge­legt wer­den. Für über 40 Ver­bän­de ist das ein Min­dest­kri­te­ri­um, das bei­be­hal­ten wer­den muss, wie aus einem gemein­sa­men Papier her­vor­geht. So soll auch nicht mehr wie bis­her jähr­lich ein Pro­gramm bei Ziel­ver­feh­lung vor­ge­legt wer­den, son­dern nur noch alle zwei Jah­re, sofern das Gesamt­ziel geris­sen wird.

Die Ver­säum­nis­se der Ampel­re­gie­rung beim Kli­ma­schutz wer­den auf den Schul­tern zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen las­ten © Imago/NurPhoto/Emmanuele Contini

Damit haben wir ein gro­ßes Pro­blem. Denn wie der Exper­ten­rat für Kli­ma­fra­gen bereits mehr­fach beton­te, ist kein Sek­tor auf dem rich­ti­gen Weg, die Kli­ma­zie­le mit­tel- und lang­fris­tig ein­zu­hal­ten. Die Strei­chung der Ver­bind­lich­keit der Sek­tor­zie­le wird jedoch sicher­lich nicht dazu bei­getra­gen, die Kli­ma­zie­le ins­ge­samt zu errei­chen. Im Gegen­teil: Wir befürch­ten, dass anstatt kon­kre­ter und ver­bind­li­cher Maß­nah­men zur Redu­zie­rung der Treib­haus­gas­emis­sio­nen eine Ver­la­ge­rung der Ver­ant­wor­tung und eine Auf­schie­bung drin­gend erfor­der­li­cher Maß­nah­men auf den Schul­tern zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen abge­la­den wird. 

Kli­ma­schutz­mi­nis­ter Habeck: „Kei­ne Sau hat sich dar­an gehalten“

Ein wei­te­rer bedeut­sa­mer Aspekt, der in der über­ar­bei­te­ten Ver­si­on des Geset­zes ver­nach­läs­sigt wird, ist die Ein­füh­rung eines Sank­ti­ons­me­cha­nis­mus’, der sicher­stel­len soll­te, dass Politiker:innen ihre Ver­ant­wor­tung wahr­neh­men. Die Kon­se­quenz die­ser Unter­las­sung wur­de im ver­gan­ge­nen Jahr im Ver­kehrs­sek­tor deut­lich. Das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um hat sei­ne Kli­ma­zie­le nicht erreicht. Statt jedoch wie vor­ge­se­hen ein ange­mes­se­nes Sofort­pro­gramm vor­zu­le­gen, prä­sen­tier­te Wis­sing ein Pro­gramm, das den Anfor­de­run­gen des KSG in kei­ner Wei­se gerecht wird. Dies wur­de auch vom Exper­ten­rat fest­ge­stellt. Wir haben bereits im letz­ten Jahr dar­auf hin­ge­wie­sen. Und was war die Kon­se­quenz der Miss­ach­tung der gesetz­li­chen Vor­ga­ben? Es gab keine!

Robert Habeck: Kei­ne Sau hal­te sich an das Kli­ma­schutz­ge­setz © Imago/Political Moments

Nicht das ers­te Mal… 

Die ver­gan­ge­ne Gro­ße Koali­ti­on aber auch die Ampel­re­gie­rung haben schon häu­fi­ger Vor­ga­ben des KSG miss­ach­tet. So wur­den wie­der und wie­der Fris­ten zur Vor­la­ge wich­ti­ger Berich­te zum Stand des Kli­ma­schut­zes und Aus­blick der Emis­si­ons­ent­wick­lung ver­strei­chen las­sen. Somit ist die Aus­sa­ge von Minis­ter Habeck zumin­dest in Tei­len rich­tig, dass sich kei­ne Sau an das Kli­ma­schutz­ge­setz hal­te. Ist das also der Anspruch einer Regie­rung, die sich dem Kli­ma­schutz als eine der obers­ten Prio­ri­tä­ten ver­schrie­ben hat?

Nicht nur Rück­schritt, aber auch kein ech­ter Fort­schritt 

Die Geset­zes­än­de­rung der Bun­des­re­gie­rung ent­hält auch gute und fort­schritt­li­che Plä­ne. So soll der Exper­ten­rat für Kli­ma­fra­gen eine stär­ke­re Rol­le in der Beur­tei­lung von Geset­zes­vor­ha­ben bekom­men. Auch soll künf­tig ein vor­aus­schau­en­der Blick gestärkt wer­den, sodass poten­zi­el­le Ziel­ver­feh­lun­gen bes­ser vor­aus­ge­sagt wer­den kön­nen. Bei­des hat auch der WWF für eine Wei­ter­ent­wick­lung des KSG ein­ge­for­dert. Ins­ge­samt rei­chen die­se Punk­te jedoch nicht.

Mit den bis­her umge­setz­ten und geplan­ten Maß­nah­men sind die Kli­ma­zie­le bis 2030 nicht ein­zu­hal­ten © Milos Mull­er/i­Stock/­Get­ty-Images

Wir brau­chen ein Kli­ma­schutz­ge­setz mit Box­hand­schu­hen! 

Nach dem his­to­ri­schen Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts wur­de das KSG damals nicht gestärkt, um nun wei­ter abge­schwächt zu wer­den. Die Zeit rennt. Klar, es ist viel pas­siert: Wich­ti­ge kli­ma­po­li­ti­sche Erfol­ge wur­den erzielt und es wird auch wei­ter­hin auf Hoch­tou­ren an Maß­nah­men gear­bei­tet, um die Kli­ma­kri­se wei­ter ein­zu­däm­men. Aber die Bun­des­re­gie­rung hat zuletzt ein­ge­stan­den, dass die Kli­ma­zie­le 2030 mit den bis­her umge­setz­ten und geplan­ten Maß­nah­men deut­lich ver­fehlt wer­den. Damit darf sich die Bun­des­re­gie­rung nicht zufrie­den­ge­ben. Es liegt auf der Hand, dass wir wei­te­re und wirk­lich ambi­tio­nier­te Maß­nah­men benö­ti­gen, um die Kli­ma­kri­se einzudämmen.

Und dafür ist es umso ent­schei­den­der, dass wir auch in Zukunft ein star­kes Rah­men­ge­setz zum Kli­ma­schutz in Deutsch­land haben, das Box­hand­schu­he trägt. Samt­hand­schu­he kön­nen wir uns nicht mehr leisten.

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Ich arbeite als Referent Klimaschutz und Energiepolitik vor allem mit der Beschleunigung der Energiewende in Deutschland. Dabei liegt mein Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie das Hochfahren einer erfolgreichen Wärmewende. Auch wenn ich derzeit vor allem zu nationalen politischen Themen arbeite, liegt mir eigentlich seit meinem Studium die europäische Politik besonders am Herzen.
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