Seit fast drei Jahren will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Europas Naturschutz wirtschaftsfreundlicher machen. Statt sich der Debatte zu stellen, verzögert er nun – und blamiert sich.
Das gab es in der Geschichte der EU wohl noch nie: Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft sagte die lang erwartete Konferenz ‘Future-proof Nature Policy’ zu Europas Naturschutzgesetzen einfach ab.
Die EU-Kommission ist es nicht gelungen, dass entscheidende Dokument als Diskussionsgrundlage vorzulegen. Obwohl die EU-Kommission die beiden wichtigsten europäischen Naturschutzgesetze, die Vogelschutz- und die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie, schon seit Oktober 2013 überprüft. Und obwohl Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon vorab das Ergebnis festgelegt hat: einen wirtschaftsfreundlicheren Naturschutz einführen.
Doch die EU-Kommission schafft es bis heute nicht, Ergebnisse der Evaluierung vorzulegen.
Der europäische Naturschutz steht auf dem Spiel
Dabei steht verdammt viel auf dem Spiel. Die europäischen Naturschutzgesetze sind seit mehr als 20 Jahren erfolgreich: Das weltweit größte Naturschutzgebiete-Netzwerk Natura 2000 verbindet über 27.000 Schutzgebiete in ganz Europa. Gerade deswegen konnten sich bedrohte Arten wie Wolf, Luchs, Seeadler oder Kegelrobbe in den letzten Jahren erholen.
Grund genug, dass wir klar gegen eine wirtschaftsfreundlichere Version dieser Gesetze sind. Darum beteiligen wir uns seit letztem Jahr auch an der europaweiten Kampagne #NatureAlert, zusammen mit dem NABU und dem BUND.
Verzögerungs-Taktiererei der EU-Kommision
Die Ergebnisse dieser Evaluation wurden erst für letzten Herbst, dann für dieses Frühjahr angekündigt. Bis heute sind sie nicht veröffentlicht. Mit Folgen: Die niederländische Regierung hat die Konferenz, auf der über die Ergebnisse diskutiert werden sollte, mit klaren Worten gerade kurzfristig abgesagt:
“Wir haben kürzlich von der Europäischen Kommission erfahren, dass das Arbeitspapier zum Evaluierungsbericht des Fitness Checks der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie nicht vor Ende Juni 2016 veröffentlicht werden soll. Das Arbeitspapier wäre die Basis gewesen für substanzielle Diskussionen auf der Konferenz über die Umsetzung der Vogelschutz- und FFH-Richtlinien in den Mitgliedstaaten. Es sollte die Basis sein für konstruktive und vorurteilsfreie Diskussionen. Jetzt, da das Arbeitspapier nicht vor Ende Juni veröffentlicht werden soll, hätte die Konferenz keine substanzielle Basis für Diskussionen und würde keinen Beitrag zur aktuellen Debatte liefern können. Wir bedauern sehr, dass wir deswegen gezwungen sind, die Konferenz abzusagen…”
Diese Mail ging Mittwochabend an mehrere hundert angemeldete TeilnehmerInnen aus den europäischen Regierungen, Forschungsinstituten, Medien sowie Wirtschaft- und Umweltverbänden. Eine klare Ohrfeige für Juncker. Schließlich wurde die Konferenz mit größter Spannung erwartet, denn hier sollte über die Zukunft von Europas Naturschutz diskutiert werden.
Wenn die Ergebnisse nicht zur eigenen Position passen…
Junckers Zeitspiel ist nicht der inhaltlich aufwendigen Überprüfung geschuldet. Wir sind überzeugt davon, dass die Ergebnisse der Überprüfung manch einem in der Kommission nicht passen. Doch der Kommission läuft damit nicht nur die Zeit davon, sie verliert auch immer mehr potenzielle UnterstützerInnen. Im letzten Sommer fand die größte EU-Bürgerbefragung mit über 500.000 Menschen statt. Mit dem klaren Votum, die Naturschutzgesetze so zu lassen, wie sie sind. Das EU-Parlament hat sich mit der deutlichen Mehrheit von 86 Prozent gegen die Kommissions-Pläne gestellt. Auch immer mehr europäische UmweltministerInnen stellen sich öffentlich gegen die Pläne.
Und das könnt ihr jetzt tun
Diese Entwicklungen zeigen, dass wir den Druck auf die EU-Kommission jetzt dringend weiter erhöhen müssen. Noch steht das finale Votum der europäischen UmweltministerInnen aus. Ihr Wort kann Kommissionspräsident Juncker nicht einfach überhören!
Darum haben wir erst vor ein paar Tagen eine europaweite Aktion gestartet (in Deutschland zusammen mit dem BUND). Gebt der Natur jetzt eure Stimme: Geht auf unsere Kampagnen-Website, erstellt dort euren persönlichen Natur-Klang in einer Minute und schickt diesen mit einer Botschaft an unsere Umweltministerin Barbara Hendricks: www.wwf.de/naturealert
Aus unserer Arbeit der letzten Jahre wissen wir, dass gerade persönliche und kreative Botschaften an PolitikerInnen eine starke Wirkung haben können!
Rette die Heimat von Luchs, Braunbär & Kegelrobbe!
Weiterführende Links:
NABU-Kollege Konstantin Kreisers Einschätzung über die Absage der Amsterdam-Konferenz
Statement zur Absage der Amsterdam-Konferenz von unserem Brüssler Politik-Büro