Här­te­test für die Fischerei-Reform

Eigentlich dachten wir, die Überfischung der Meere sei bald vorbei. Haben wir uns zu früh gefreut? © Gilbert van Ryckevorsel / WWF

Ich bin scho­ckiert. Warum?

Im Jahr 2009 hat die EU-Kom­mis­si­on offi­zi­ell zuge­ge­ben, dass die “Gemein­sa­me Fische­rei­po­li­tik” (GFP) der EU ver­sagt hat. Sie leg­te das soge­nann­te Grün­buch vor – Sub­text in der Zusam­men­fas­sung: „Die Poli­tik macht nicht, was sie soll und muss drin­gend refor­miert wer­den. Wir bit­ten um Vorschläge!“

Febru­ar 2013 — Das Par­la­ment stimmt mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit für eine nach­hal­ti­ge Fische­rei © Euro­päi­sche Union

Die Vor­schlä­ge kamen, es ver­gin­gen wei­te­re Jah­re, es wur­de hart ver­han­delt und am Ende stand im Mai 2013 eine Reform, die die­sen Namen auch ver­dien­te. Nein, per­fekt war sie nicht, aber ein gelun­ge­ner Kom­pro­miss. Auch wenn die Indus­trie es geschafft hat­te, den ganz gro­ßen Wurf in Rich­tung Nach­hal­tig­keit zu ver­hin­dern, so hat­ten doch auch die Umwelt­ver­bän­de viel erreicht. Es war auch unser Erfolg. Unse­re Hoff­nung hieß “MSYder “Maxi­mum Sus­tainable Yield”. Das ist ein wis­sen­schaft­li­ches Prin­zip, mit dem berech­net wird, wie­viel Fisch maxi­mal gefan­gen wer­den kann, ohne den Bestand der Art zu gefähr­den. Nur so erho­len sich näm­lich die Fisch­be­stän­de und das soll­ten sie laut GFP bis 2020.

Alle haben die Reform gefei­ert — zu früh gefreut?

End­lich kei­ne lega­li­sier­te Über­fi­schung mehr, statt­des­sen nach­hal­ti­ge Mehr­jah­res­plä­ne und kna­cki­ge Ziel­set­zun­gen — das dach­ten wir. Die NGOs haben gefei­ert, die deut­sche Poli­tik hat gefei­ert – soweit so gut. Der ers­te Rea­li­täts-Check folg­te prompt. Im Janu­ar 2014 trat das neue Gesetz in Kraft und die ers­ten Ver­hand­lun­gen über Fang­quo­ten stimm­ten uns bereits dar­auf ein, dass auch dies­mal das Para­dies aus­blei­ben wür­de. Geschenkt. Para­dies und Dies­seits haben jen­seits von vier Buch­sta­ben nicht viel gemein. Das war mir eigent­lich klar.

Aber was jetzt pas­siert, macht mich rasend!

Der WWF beglei­te­te den GFP-Reform­pro­zess mit einer Kam­pa­gne. © David Biene

In die­sen Tagen sit­zen Ver­tre­ter aus EU-Kom­mis­si­on, Euro­päi­schem Par­la­ment und der Fische­rei­mi­nis­ter zusam­men und ver­han­deln den ers­ten Mehr­jah­res­plan der neu­en GFP. Er wird für die Ost­see (#Bal­tic­MAP) gel­ten und als Vor­la­ge für alle wei­te­ren Mehr­jah­res­plä­ne die­nen – er ist ein Prä­ze­denz­fall! Die­ser Plan legt fest, wie vie­le Fische durch die Fische­rei ster­ben dür­fen. Der GFP-Här­te­test zeigt, wie ein Gesetz plötz­lich auf­ge­weicht wird, wenn star­ke und krea­ti­ve Geg­ner dar­an arbei­ten. Trotz Reform wei­ter­hin die Mee­re plün­dern? Das geht erschre­ckend ein­fach, wie ich gera­de ler­nen muss.

Das Ziel scheint klar: den “MSY” auf­zu­pum­pen, bis er nur noch hei­ße Luft ent­hält. Angeb­lich weil die Wis­sen­schaft­ler das „erlau­ben“. Aber das ist das Pro­blem. Hier wird beim wich­tigs­ten Stück Fische­rei­po­li­tik getrickst! Fisch­be­stän­de erho­len sich nicht durch Zau­be­rei. Die Limits zum nach­hal­ti­gen Fisch­fang wer­den über Bord geworfen.

Was das bedeu­ten wür­de, habe ich mal aus­ge­rech­net: Statt rund 50.000 Ton­nen dürf­ten plötz­lich gut 61.000 Ton­nen Hering völ­lig legal aus der west­li­chen Ost­see gefischt wer­den. Also 11.000 Ton­nen mehr sind auf ein­mal genau­so nach­hal­tig? Wie kann das sein?

Eine “nach­hal­ti­ge Fische­rei”, die kei­ne ist

Es kann NICHT sein! Eine nach­hal­ti­ge Fische­rei hat ech­te Ober­gren­zen! Und das ist kei­ne Fra­ge der Mei­nung! Nicht umsonst sagen die Wis­sen­schaft­ler, die mit der Berech­nung von der EU-Kom­mis­si­on beauf­tragt und bezahlt wor­den sind: Poli­ti­ker, hal­tet euch an das Limit! Zu viel Fische­rei bedroht die Bestände!

Aber die Fische­rei­mi­nis­ter und die Kom­mis­si­on wer­fen die­sen ent­schei­den­den Zusatz gera­de über Bord. Und damit auch die­se wich­ti­ge OBERGRENZE, die die Reform ent­hält, um die Über­fi­schung zu beenden.

Helft uns!

Ihr, die das lest: Bit­te, bestärkt das EU Par­la­ment (@Europarl_DE)  und vor allem auch EU-Par­la­men­ta­rie­rin Ulri­ke Rodust (@UlrikeRodust) dar­in, sich die­sen fau­len Fisch nicht auf­ti­schen zu las­sen! Sie müs­sen stark blei­ben, denn sonst wird die­se Reform so erfolg­reich wie die letz­ten – erfolg­reich dabei unse­re Mee­re zu plün­dern und Miss­ma­nage­ment zu betrei­ben. Das darf ein­fach nicht passieren!

Ihr nutzt kein Twit­ter? Dann ver­brei­tet die­sen Bei­trag über Face­book & Co., damit so vie­le Leu­te wie mög­lich davon erfahren!

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Seit 2011 arbeite ich für den WWF im Bereich EU-Fischereipolitik. Ich bin klassische Überzeugungstäterin. Seit ich denken kann, wollte ich Meeresbiologin werden und die Welt retten. Mittlerweile bin ich etwas bescheidener und wäre auch mit der Rettung der Europäischen Fischbestände und Meere zufrieden. Dass ich, „wenn ich groß bin“ für den WWF arbeiten möchte, habe ich schon mit unter 10 Jahren auf einen Zettel gekritzelt. Kein Witz. Meine Mutter hat ihn mir gezeigt. Ich liebe Hering. Ja, auch als Schwarmfisch im Meer. Vor allem aber vom Grill.
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