War­um Frank­reichs Gesetz zur Lebens­mit­tel-Ver­schwen­dung nicht die Lösung ist

Frankreichs neues Supermarkt-Gesetz: Warum wir nicht Hurra schreien. © iStock / Getty Images

Seit Mai 2015 gilt in Frank­reich ein Gesetz, das der Ver­schwen­dung von Lebens­mit­teln in den Super­märk­ten Ein­halt gebie­ten will. Grö­ße­re Super­märk­te müs­sen noch ess­ba­re Lebens­mit­tel, die nicht mehr ver­kauft wer­den, ent­we­der an Wohl­fahrts­or­ga­ni­sa­tio­nen spen­den oder als Tier­fut­ter bezie­hungs­wei­se als Kom­post für die Land­wirt­schaft zur Ver­fü­gung stel­len. Damit will die Regie­rung errei­chen, dass weni­ger Lebens­mit­tel direkt im Müll lan­den. Kon­kret sol­len die Ver­lus­te dadurch bis 2025 hal­biert wer­den. Frank­reich hat mit dem Gesetz einen ers­ten und muti­gen Schritt getan und das The­ma Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung wie­der in die öffent­li­che Debat­te gebracht — in poli­ti­schen Zei­ten, in denen jeg­li­cher Ein­griff einer Regie­rung durch neue Geset­ze als Blo­cka­de für das Wirt­schafts­wachs­tum betrach­tet wird. Trotz­dem ist Frank­reichs neu­es Gesetz nicht die Lösung des Problems.

Lebens­mit­tel-Abfall in Deutsch­land, zum Ver­grö­ßern klicken!

War­um wir nicht Hur­ra schreien

Nach unse­rer eige­nen Stu­die „Das gro­ße Weg­schmei­ßen“ent­ste­hen in Deutsch­land ledig­lich 14 Pro­zent der Ver­lus­te im Han­del. Unse­rer Mei­nung nach wür­de ein Gesetz, das sich nur eine Bran­che vor­knöpft, zu kurz grei­fen. 61 Pro­zent der Lebens­mit­tel­ab­fäl­le in Deutsch­land ent­ste­hen ins­ge­samt im Gewer­be – also im Ein­zel­han­del, Groß­han­del, in der Gas­tro­no­mie, bei der Her­stel­lung, der Wei­ter­ver­ar­bei­tung und in der Land­wirt­schaft. Die rest­li­chen 39 Pro­zent ver­schwen­de­ter Lebens­mit­tel wer­den von uns Pri­vat­kon­su­men­ten in die Ton­ne gehauen.

Daher for­dern wir für Deutsch­land eine Gesamt­stra­te­gie, die alle Berei­che berück­sich­tigt und in die Pflicht nimmt. Die­se braucht sicher­lich in Tei­len auch gesetz­li­che Rege­lun­gen — damit Unter­neh­men, die sich beson­ders für die Ver­mei­dung von Lebens­mit­tel­ab­fäl­len ein­set­zen, nicht im Wett­be­werb benach­tei­ligt wer­den. Bei­spiels­wei­se haben Händ­ler Angst, dass ihnen die Kun­den weg­lau­fen, wenn sie nicht mehr für die gesam­ten Öff­nungs­zei­ten ihres Ladens alle Brot- oder Gemü­se­sor­ten vor­rä­tig haben.

Aber noch­mal: Der Ein­zel­han­del ist in Deutsch­land nur für 14 Pro­zent der Ver­lus­te ver­ant­wort­lich. Führt Deutsch­land ledig­lich ein Gesetz wie das in Frank­reich ein, wür­den ande­re gro­ße Ver­schwen­der im gewerb­li­chen Bereich ver­schont. Ein viel zu klei­ner Schritt auf dem Weg zum Ziel: der Hal­bie­rung der Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung in Deutsch­land bis 2020.

Gesetz mit Lücken

Hand­werk­lich sehen wir beim fran­zö­si­schen Gesetz außer­dem zwei Fehler:

  1. Die Händ­ler dür­fen ihre über­schüs­si­ge Ware auch ein­fach kom­pos­tie­ren. Klar ist der Kom­post bes­ser als eine Müll­hal­de, aber trotz­dem müs­sen die Lebens­mit­tel unter Ein­satz von Boden, Was­ser, Land und Ener­gie erzeugt wer­den. Das Ziel muss sein, dass nur die Nah­rung pro­du­ziert wird, die auch gekauft bezie­hungs­wei­se geges­sen wird.
  2. Außer­dem ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Mas­sen der Lebens­mit­tel, die durch das Gesetz nun an die kari­ta­ti­ven Orga­ni­sa­tio­nen abge­ge­ben wer­den, deren frei­wil­li­gen Struk­tu­ren über­for­dern. Das Ver­mark­tungs­sys­tem mit sei­ner teil­wei­se ein­kal­ku­lier­ten bezie­hungs­wei­se akzep­tier­ten Ver­schwen­dung wälzt die Kos­ten für die Ent­sor­gung auf ehren­amt­li­che Struk­tu­ren ab.

Akti­ons­plan für Deutschland

Was wir jetzt brau­chen ist einen Akti­ons­plan (.pdf), in dem die Bun­des­re­gie­rung erklärt, wie die ein­zel­nen Sek­to­ren zum Ziel bei­tra­gen kön­nen. Der­zeit kon­zen­triert sich die Regie­rung prak­tisch nur auf den Pri­vat­kon­su­men­ten. Auch wenn „Zu gut für Ton­ne“, die Kam­pa­gne des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL), jeg­li­che Ver­schwen­dung in deut­schen Haus­hal­ten ver­hin­dern könn­te, wür­de Deutsch­land sein Ziel bis 2020 nicht errei­chen. Denn von 18,38 Mil­lio­nen Ton­nen ver­schwen­de­ter Lebens­mit­tel sind heu­te bereits 10 Mil­lio­nen Ton­nen ver­meid­bar — jedoch nur 4,9 Mil­lio­nen Ton­nen in Pri­vat­haus­hal­ten. Um die Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung wirk­lich zu hal­bie­ren, feh­len noch meh­re­re Mil­lio­nen Ton­nen. Wo sol­len die her­kom­men, wenn nicht durch die Redu­zie­rung von Ver­lus­ten im Gewerbe.

Peti­ti­on gegen die Lebensmittelverschwendung

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Ich bin überzeugter Omnivor! Einmal im Jahr kaufe ich einem befreundeten Neuland-Bauern ein Schwein ab. Der Metzger im nächsten Dorf zerlegt es für meine fünfköpfige Familie. Seitdem ich 1992 Abitur in Berlin machte, versuche ich bei Umweltorganisationen die Welt zu retten. Die persönliche Weltrettung wurde jedoch während meines Geographiestudiums etwas abgebremst. Politisch zu arbeiten ist richtig spannend. Nicht nur weil ich die Leute, die abends im Fernsehen kommen, teilweise persönlich treffe. Mich regt jedoch die Respektlosigkeit auf allen Seiten auf.

Kommentare (6)

  • Herzlichen Dank für den Beitrag. Ein guter Artikel: er zeigt, dass einfache wohlklingende Lösungen (Essen spenden, Butterberg nach Afrika etc.) nicht zielführend sind. Beim Foodsharing sind, wie der Beitrag zeigt, Strukturen freiwilliger Helfer oder Internetplatformen wie Foodwe überfordert. Exporte von Lebensmitteln in arme Regionen (wie Milch), können ganze nationale Märkte zum Erliegen bringen, wenn die Spenden günstiger sind, als einheimische Produkte. In Europa werden 89 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr verschwendet. Innovation und Technik könnten auch helfen, diesen Irrsinn abzustellen.

    Berlin, 9. Juli Christian Geng, Dr. Geng Sprachreisen

  • Eine Lösung wäre Nahrungsmittel wieder so Herzustellen, das sie ökologisch und qualfrei produziert werden. Dieses würde dementsprechend die Preise heben. Lebensmittel würden wieder einen Wert erhalten.

  • Wer lesen kann, liest zu Beginn des Artikels:
    "Lediglich 14% der Verluste entstehen im Handel."
    Und im nächsten Satz: "61 Prozent der Lebensmittelabfälle in Deutschland entstehen ..... im Einzelhandel, Großhandel...."
    Weiter heißt es:
    "Die restlichen 39% ... STOP - Das sind jetzt schon 114%!!
    Wie bitte???
    Ich war das erste und letzte Mal auf dieser Seite...

    • Liebe Helga, bitte entschuldige, falls das in meinem Text nicht ganz deutlich wurde: Die 14 Prozent der Verluste im Handel gehören zu den insgesamt 61 Prozent der Lebensmittelabfälle im Gewerbe. Aber es werden eben nicht nur im Einzelhandel Lebensmittel weggeworfen, sondern auch in der Gastronomie, bei der Weiterverarbeitung usw.
      Wir haben eine Studie dazu gemacht, "Das große Wegschmeißen" - hier kannst du das noch einmal genauer nachlesen: http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Studie_Das_grosse_Wegschmeissen.pdf
      Viele Grüße und ein schönes Wochenende, Matthias Meissner

  • Ich habe den Artikel zufällig gefunden und bin sehr glücklich darüber :) es hat mir sehr geholfen, also vielen Dank.

  • Natürlich ist Frankreichs Gesetz nicht die Lösung allen Übels. Wie ihr schon sagt, ist es trotzdem ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und ich finde es gut, dass bei der Gewerbeabfallentsorgung angefangen wurde. Die Verantwortung wird dauernd dem Verbraucher zugeschustert, dabei sind 99 % der Probleme alleine von Herstellern und Industrie lösbar.

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