Die Verfilmung von Frank Schätzings “Der Schwarm” läuft ab jetzt in der ZDF Mediathek. Der Ökothriller hat auch in Serienform nichts an Brisanz verloren. Fans der Vorlage dürften trotzdem enttäuscht sein.
Die erste Episode beginnt harmlos: Wir lernen die Meeresbiologin Charlie Wagner kennen. Die hat den Auftrag, das Meeresboden-Vermessungsprogramm ihres Kieler Instituts zu beaufsichtigen. Das tut sie sehr einsam auf einer Shetland Insel im nördlichen Atlantik. Es windet stark, ist eiskalt. Charlie holt sich gerade Brennholz. Plötzlich meldet ein Computer einen Fehler am AUV (Autonomes Unterwasserfahrzeug), das die Bodenvermessung vornimmt.
Was ist da los? Um nachzusehen, zwängt sich Charlie in einen Neoprenanzug, hüpft auf ihr kleines Boot und wirft den Außenborder an. Dann springt sie ins Wasser. Mit nichts als Bleigurt, Flossen und Maske am Körper. Ohne Handschuhe und Haube! In den Atlantik! Zwischen Schottland und den Färöern wird das Wasser nie wärmer als 12 Grad. Ich nenne das Eistauchen.
Irrsinnig spannende Buchvorlage
Diese Szene eröffnet die 8‑teilige Serien-Adaption von „Der Schwarm“, Frank Schätzings Bestseller aus dem Jahr 2004. Für mich als Meeresbiologin steht die Szene aber auch beispielhaft dafür, wie im Namen der Serien-Dramaturgie arg an der Faktenbasis geknabbert wird. Das betone ich besonders, weil die Ursprungsgeschichte keine zusätzlichen Spannungsmomente gebraucht hätte.
In dem Buch geht es nicht um Fische, wir erleben alles andere als eine Erzählung auf Nemo-Niveau. „Der Schwarm“- ist vollgepackt mit damals hochaktuellen meereswissenschaftlichen und ökologischen Erkenntnissen – und verknüpft diese clever mit sich daraus ergebenden geopolitischen Herausforderungen. Die Vorlage selbst ist ein irrsinnig spannender Thriller.
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„Es pilchert mehr, als es schwärmt“
Die kinoreife Serie löst sich vom Aufbau der Vorlage. Und auch von den Figuren. Die leiden plötzlich unter rührseligen Beziehungsproblemen, die es im Buch so nicht gab. „Es pilchert mehr, als es schwärmt“, sagte Frank Schätzing der ZEIT in einem Interview und lässt keinen Zweifel daran, was er von der Serie hält.
Anfangs noch an den Dreharbeiten beteiligt, war Schätzing frühzeitig aus der Produktion ausgestiegen. Vor allem hätte er sich ein zeitgemäßes Update des Stoffes gewünscht. So wurden im Jahr 2004 etwa kaum Soziale Netzwerke genutzt – in der heutigen Welt undenkbar. In der Serie spielen sie keine Rolle. Die Erzählung an relevante soziale, aber auch geopolitische Entwicklungen der Gegenwart anzupassen, das hätte der Verfilmung tatsächlich gut getan.
Wenn die Natur zurückschlägt
Doch zurück zu dem, was die Adaption nun mal bietet. Am Ende der dritten Episode (mehr Folgen stellte das ZDF vorab nicht zur Verfügung) sind uns neben dem Forscher Sigurd Johanson alle weiteren Hauptdarsteller:innen bekannt. Genauso wie alle verstörenden Naturphänomene, die gleichzeitig rund um den Globus auftreten.
An Norwegens Kontinentalhang werden unbekannte Würmer entdeckt. Die gefährden die dortigen Ölbohr-Pläne. Denn die Tiere scheinen das viele Meter starke Methanhydrat im Meeresboden zu destabilisieren. Dazu bleiben die Wale vor Kanadas Westküste zunächst aus, um dann doch noch zurückzukehren – in ihrem Wesen extrem verändert. Währenddessen sterben in Frankreich Menschen an Killeralgen und die Lagune von Venedig droht an Quallen zu ersticken.
Die Protagonist:innen beginnen sich langsam auszutauschen und ahnen, dass hinter all dem eine steuernde Kraft steckt. „Etwas” will offenbar nicht mehr. „Etwas” hat genug von uns und beginnt ganz koordiniert, das Meer als Waffe gegen die Menschen einzusetzen. Eine ozeanische Apokalypse!
Damals abstrus, heute Realität
2004 schienen einige von Frank Schätzings Ideen noch abstrus und die vielen parallel erzählten Ereignisse ziemlich weit hergeholt. Aber ist es nicht so, dass wir heute bereits mit Problemen leben, die das Buch damals dramatisiert hat? Dass wir manchmal schon gedacht haben: „Jetzt schlägt die Natur zurück“?
Methanhydrate etwa müssen wir nicht aufwändig anbohren, um sie zu destabilisieren. Das erledigen stetig steigende Temperaturen. Zahlreiche Walarten reagieren darauf längst mit verändertem Verhalten. Und die Klimakrise, die Frank Schätzing selbst als „die Überkrise“ betitelt, ist kein Schreckensszenario mehr. Sie ist längst Realität.
Wir stehen heute vor der entscheidenden Aufgabe, aus diesen Ereignissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Damals wie heute üben wir durch Überfischung, Vermüllen und Zerstörung von Lebensräumen extremen Druck auf die Meere aus. Im Kampf gegen die Globale Erderhitzung müssen wir den Ozean als unseren engsten Verbündeten anerkennen, schützen und regenerieren.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Dort, wo Folge 3 von “Der Schwarm” endet, entfaltet sich im Buch erst die volle Wucht der Erzählung. Ich bin auf jedem Fall gespannt auf die Serienumsetzung: Wenn Sigurd Johanson mit der Meeresintelligenz, der er den Namen “Yrr” gibt, Kontakt aufnimmt. Hoffentlich yrrsinnig spannend! Und vielleicht ja doch noch so wegweisend wie der Roman vor knapp zwanzig Jahren.
Kommentare (2)
„Der Schwarm“ ist ein geschicktes umstricken von „Abyss“ aus dem Jahre 1989…
Die Umweltthematik ist eingebaut worden, damit die „Klebegeneration“ sich wieder findet…
„Der Schwarm“ ist überlang, und partiell einfach langweilig…sorry. Dialoge sind schwach, und die dargestellten Persönlichkeiten leichter ablesbar als Samstag - Krimi.
Verglichen mit dem Ideengeber („Abyss), sehr mager. Ich kann mich erinnern, dass bestimmte Sequenzen vom „Abyss“ auf Jahre in meiner Erinnerung blieben…das wird mit dem „Schwarm“ nicht passieren. Im Gegenteil.
Ich empfehle dem Blogger und den jüngeren Zuschauern unbedingt „Abyss“ zu sehen, weil es wirklich für damalige Zeit eine erfrischend andere Geschichte erzählt worden ist, und der Meister James Cameron hat alle Register gezogen.
Gruß, Ch.
Recht hast du. Und wie. Partnerschafts- und erziehungsprobleme haben gefühlte 50% gefüllt. Dass der
Schluß dann das Hornberger
Schießen widerspiegelt war mir schon nach der ersten Folge klar. Das ganze hätte man in 2std. packen können. Wäre für alle billiger gewesen.
Gruß Thomas