Bereits beim Frühstücken lese ich über anhaltende Dürre in Kalifornien, über einen Nationalpark in Südspanien, der verdurstet und stirbt sowie über Erdrutsche aufgrund von Überflutungen in Kolumbien.
Ich setze die Kaffeetasse ab und betrachte meinen gedeckten Tisch. Mir wird etwas mulmig. Da sind riesige, kalifornische Mandelplantagen, an die ich unweigerlich denken muss. Und mir kommen all die Brunnen Südspanien in den Sinn, aus denen mein Obst bewässert wird, anstatt dass das Wasser in den Doñana Nationalpark fließt.
Weltwasserwoche in Stockholm
Vielleicht stammt mein Kaffee sogar von jenem Cafetero aus Kolumbien, dessen Feld von einer Schlammlawine erwischt wurde. Nun hat er alles verloren, weil um ihn herum Wälder abgeholzt wurden, die dem Boden Halt gegeben hätten. Auf der Weltwasserwoche in Stockholm, die vom 27. August bis zum 1. September stattfindet, werden unter anderem diese Themen diskutiert.
Der globale Durst nach Wasser
Globalisierung sei so abstrakt, heißt es immer. Doch das stimmt nicht. Hier auf meinem Frühstückstisch sehe ich ganz konkret, was so viele Probleme verursacht: Die globale Landwirtschaft und ihr scheinbar unstillbarer Durst nach Wasser.
In einer einzigen Tasse Kaffee stecken in Wirklichkeit 130 Liter Wasser im Anbau. In einer Orange sind es etwa 80 Liter und in einer kleinen Portion Nüsse sogar bis zu 450 Liter. Dagegen wirkt das tägliche Duschen mit gerade einmal 40 Litern wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wasser für unsere Lebensmittel
Im direkten Verbrauch sind es 120 Liter Wasser am Tag, die ein Mensch in Deutschland benötigt. Demgegenüber stehen jedoch gigantische 5.000 Liter, die für unseren Konsum verbraucht werden, täglich. Der absolute Großteil davon entfällt auf Lebensmittel. Diese stammen oftmals aus Gegenden, die lange nicht so viel Wasser zur Verfügung haben, wie wir hier in Deutschland. So betrachtet, verschärft sich die Ungerechtigkeit noch mehr. Ein Liter bleibt ein Liter, so viel ist klar. Ein Liter Wasser hat aber eine andere Bedeutung in Deutschland als in anderen Regionen, die unter Dürren und Trockenheit leiden, deren Ökosysteme verkümmern, weil unser Essen produziert werden muss.
Als Konsument scheine ich der Problematik gegenüber ohnmächtig zu sein. Zu undurchsichtig ist das Ganze, ich müsste schließlich wissen, wo genau jedes einzelne Produkt herkommt, wie dort die Wassersituation im Flussgebiet ist, wie die Landwirte mit ihrem Wasser umgehen und ob sie sich für eine Verbesserung der Situation einsetzen. Doch wer kann und sollte hier etwas tun?
Wasserrisiken in den Supermarktregalen
Die Unternehmen, könnte eine Antwort auf diese Frage lauten, sind sie doch mittelbar stark von den Wasserrisiken betroffen. Der Lebensmitteleinzelhandel gilt als der Sektor in Deutschland, der die meisten Wasserressourcen beansprucht, denn er vertreibt hauptsächlich Produkte aus landwirtschaftlicher Produktion. Für jeden Euro Umsatz an den Supermarktkassen, werden durchschnittlich 47 Liter Wasser irgendwo auf der Welt verbraucht, zumeist in Regionen, die unter Wasserknappheit leiden. Die Landwirtschaft ist weltweit der größte Wassernutzer. Ganze 70 Prozent des “Blauen Wassers”, wie Grund‑, Quell- und Oberflächenwasser auch bezeichnet wird, nutzt die Agrarwirtschaft.
Auf den Webseiten der großen Supermarktketten findet man dazu nur sehr selten etwas. Selbst auf den Seiten, die sich unmittelbar mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen geht es meistens um Klima und Fischerei, Palmöl und Soja, Plastiktüten und Verpackungen. Das sind durchaus alles wichtige Themen, doch ein so essentielles Thema wie Wasser bleibt eine Randerscheinung in den Bestrebungen der Lebensmittelhändler.
Die Partnerschaft mit EDEKA – ein guter Anfang
Ein paar Beispiele dafür, wie man es besser machen könnte, zeigt die Partnerschaft für Nachhaltigkeit zwischen uns, dem WWF Deutschland, und EDEKA, Deutschlands größtem Lebensmitteleinzelhändler. Das Thema Wasser spielt darin schon seit 2012 eine zentrale Rolle. Dass wir bei diesem Thema nachhaltigere Lösungen finden und umsetzen, ist auch meine Aufgabe.
Inzwischen ist schon einiges passiert. Angefangen haben wir damit, fast 2.300 EDEKA-Eigenmarkenprodukte auf ihre Wasserrisiken zu untersuchen. Anschließend wurden in Anbauprojekten Maßnahmen direkt auf den Feldern umgesetzt (und die Zusammenarbeit mit anderen Wassernutzern, Behörden und Gemeinden angestoßen (z.B. Bananenprojekt Kolumbien). Zudem haben wir Studien veröffentlicht, um stärker auf das Thema aufmerksam zu machen (“Das importierte Risiko” & “Verantwortung im Zeichen des Wassers”).
Werkzeuge für die Verringerung von Wasserrisiken
Nun gehen wir noch einen wichtigen Schritt weiter: Derzeit arbeiten wir an einem Wasserrisiko-Tool, das ab 2018 zum Einsatz kommen soll und dabei hilft, Wasserrisiken strukturiert zu analysieren und zu erfassen. Neben der Transparenz wollen wir auch die Risiken für die Produzenten verringern, indem wir mit ausgesuchte Standards zusammenarbeiten — allen voran der noch junge Standard der Alliance for Water Stewardship (AWS). Schließlich wollen wir gemeinsam mit EDEKA neue Richtlinien für Lieferanten entwickeln und die Ergebnisse monitoren.
Uns ist vor allem wichtig, nicht nur den Umgang mit Wasser im einzelnen Betrieb zu verändern, sondern eine nachhaltigere Situation in den Flussgebieten zu schaffen. Hier kommt unser Water- Stewardship-Konzept zum Tragen. Diese Arbeit kann kein Landwirt alleine stemmen. Daher beinhaltet Water Stewardship — was so viel bedeutet wie, Verantwortung für etwas zu übernehmen, was einem nicht selbst gehört, in diesem Fall die Wasserressourcen — immer auch die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Flussgebiet. Zur Umsetzung des Watership-Stewardship-Konzeptes erproben wir zurzeit den AWS-Standard mit ausgewählten Landwirten.
Vom Feld ins Flussgebiet – Das Zitrusprojekt
Einer dieser Landwirte ist Luis Bolaños, der in Andalusien Zitrusfrüchte und Steinobst anbaut und seit Mitte 2015 Maßnahmen für einen nachhaltigeren Anbau umsetzt. Seine Finca liegt im Guadalquivir Flussgebiet, welches durch die Landwirtschaft chronisch überstrapaziert wird. Er ist der erste europäische Landwirt, der sich zur Umsetzung des Standards der Alliance for Water Stewardship verpflichtet hat.
Das Engagement von Luis und EDEKA macht einem Mut. Langsam tut sich etwas. Doch es ist noch ein langer Weg. Der Lebensmitteleinzelhandel muss hier noch viel mehr tun. Mit diesem Gefühl mache ich mich endlich auf den Weg zur Arbeit. Heute werde ich ein Event im Zuge der Weltwasserwoche in Stockholm planen, in dem es um Wasser und Lebensmitteleinzelhandel geht. Die Weltwasserwoche ist in jedem Jahr die wichtigste Konferenz rund um das Thema Wasser. Wir hoffen auch dieses Mal viele Menschen mit diesem so wichtigen Thema zu erreichen.
Kommentare (1)
Sehr interessanter Artikel, wir sind heutzutage zu sehr verwöhnt und schätzen das Wasser überhaupt nicht mehr. Denn es kommt einfach aus dem Wasserhahn, steht im Supermarkt oder steckt in vielen Produkten, wo wir es nichtmal erwarten würden.
Ich hoffe wirklich sehr, dass die Menschheit endlich die Augen öffnet und ihren Konsum verändert. Noch vor gut einem Jahr habe ich das Wasser beim Duschen, beim Abwaschen oder Zähneputzen einfach laufen lassen ohne darüber nachzudenken, wieviel Wasser ich da sinnlos verschwende. Es sind zwar nur kleine Dinge, aber ich hoffe somit kann ich wenigstens einen Teil dazu beitragen.