Vier Wahr­hei­ten hin­ter Tiger King

Er ist wieder da. Die Probleme sind es immer noch © Netflix

Tiger King hat ja auf Net­flix Rekor­de gebro­chen. Jetzt kommt die zwei­te Staf­fel, unter dem Titel “Wir haben noch längst nicht alles gese­hen”. Wie wahr.

Zuge­ge­ben, rein emo­tio­nal kann ich die Serie mit ihrer Mischung aus Geld­ma­che­rei und Tier­quä­le­rei kaum aus­hal­ten. Aber ich kann jetzt noch­mal auf die schreck­li­chen Wahr­hei­ten hin­wei­sen, die längst nicht alle gehört haben. Tiger hin­ter Git­tern sind eben nicht nur ein The­ma für den Tier­schutz. Die in den USA frag­wür­dig gehal­te­nen Tiger haben näm­lich Aus­wir­kun­gen auf Tiger in frei­er Wildbahn.

© Net­flix

1) Mehr Tiger in den USA als in der Natur

Geschätzt gibt es in den USA etwa 5000 Tiger in Gefan­gen­schaft. Das sind mehr als die etwa 3900 in frei­er Wild­bahn leben­den Tiger. Die über­wie­gen­de Mehr­heit der Tiger gibt es in Hin­ter­hö­fen, dubio­sen Attrak­tio­nen am Stra­ßen­rand und in pri­va­ten Zucht­an­la­gen. Nur sechs Pro­zent leben in Zoos und akkre­di­tier­ten Ein­rich­tun­gen. Die US-Behör­den haben bis Mit­te 2021 68 Löwen, Tiger und Löwen-Tiger-Misch­lin­ge sowie ein Jagu­ar wur­den aus dem “Tiger King Park” in Tha­cker­ville im Bun­des­staat Okla­ho­ma geholt — am grund­sätz­li­chen Pro­blem ändert das aber wenig.

2) Es fehlt in den USA an kla­ren Geset­zen zu Tigern

Tiger in den USA wer­den der­zeit durch einen Fli­cken­tep­pich von Bundes‑, Bun­des­staats- und loka­len Geset­zen regu­liert. Kei­ne Regie­rungs­be­hör­de über­wacht und ver­folgt, wo sich die Tiger befin­den. Wie­vie­le es über­haupt sind. Wem sie gehö­ren, wann sie ver­kauft wer­den. Oder was mit ihren Über­res­ten geschieht, wenn sie ster­ben. Tiger­tei­le und ‑pro­duk­te sind wert­voll und brin­gen auf dem Schwarz­markt hohe Erträ­ge. Wir brau­chen in den USA eine zen­tra­le Auf­sicht, die sicher­stellt, dass Tiger nicht in den ille­ga­len Han­del ein­ge­speist wer­den. Und natür­lich auch um streng zu ver­fol­gen, ob die Tie­re ange­mes­sen gehal­ten wer­den. Immer und überall.

Tiger strei­cheln ist ein lukra­ti­ves Geschäfts­mo­dell — und för­dert den Tiger­han­del © Valentsova-shutterstock

3) Die Zucht von Tigern hat nichts mit Arten­schutz zu tun

Vor allem Tiger­ba­bys sind beliebt. Und unglaub­lich lukra­tiv. Das war schon bei dem berüch­tig­ten Tiger­tem­pel in Thai­land so. Für ein Sel­fie mit Tiger sind Men­schen bereit zu zah­len. Aus­ge­wach­se­ne Tie­re sind wesent­lich schwie­ri­ger als Schmu­se­kat­zen anzu­prei­sen. Außer­dem fres­sen sie mehr und sind im Unter­halt dadurch natür­lich teu­rer. Das macht die Tiger ab einem bestimm­ten Alter für die­ses Geschäft weit­ge­hend wert­los. Um stän­dig Jung­tie­re vor­füh­ren zu kön­nen, müs­sen also immer mehr Tiger gezüch­tet werden.

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Oft ent­steht Inzucht, was Geburts­feh­ler und Gesund­heits­pro­ble­me ver­ur­sa­chen kann. Und manch­mal wur­de auch das uner­find­li­che Ver­schwin­den von älte­ren Tie­ren beob­ach­tet. Was Fra­gen auf­wirft, die auch in der Serie Tiger King zur Spra­che kom­men. Schließ­lich wer­den für Tiger­tei­le sehr viel Geld bezahlt.

Es geht hier also  in kei­ner Wei­se um gesun­den Art­erhalt, son­dern um die rück­sichts­lo­se Aus­beu­tung einer vom Aus­ster­ben bedroh­ten Art. Zudem wird das Ver­ständ­nis über die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge von nach­hal­ti­gem und ernst gemein­ten Tiger­schutz voll­kom­men ver­fälscht. Die größ­te Raub­kat­ze der Welt wird als dres­sier­tes Kätz­chen vor­ge­führt und als ver­schmus­tes Haus­tier beworben.

Tiger­hal­tung muss regu­liert wer­den © Thia­go Mancin-shutterstock

4) Tig­erzucht heizt die Wil­de­rei an

Ein noch viel grö­ße­res Pro­blem haben wir in Asi­en. Die Zahl der Tiger in Tigerfar­men in Ost- und Süd­ost­asi­en ist in den letz­ten Jah­ren rapi­de ange­stie­gen. Min­des­tens 8000 Tiger wer­den schät­zungs­wei­se in mehr als 200 Tigerfar­men und dubio­sen „Tiger Zoos“ gehal­ten. Das sind mehr als dop­pelt so vie­le Tiger wie in frei­er Wildbahn.

Die Zucht in Tigerfar­men ist ein enor­mes Pro­blem für den Schutz der wild­le­ben­den Tiger. Ich gehe davon aus, dass mit den Tie­ren dop­pelt ver­dient wird. Vor den Kulis­sen als Tou­ris­ten­at­trak­ti­on und hin­ter den Kulis­sen, wenn ihre Tei­le und Pro­duk­te teu­er auf dem Schwarz­markt ver­kauft wer­den. Lega­le Tigerfar­men, wie zum Bei­spiel in Chi­na, unter­gra­ben die Durch­set­zungs­be­mü­hun­gen gegen den ille­ga­len Han­del mit Tigern. Die Nach­fra­ge nach Tiger­tei­len und ‑pro­duk­ten als Sta­tus­sym­bol, Glücks­brin­ger, vor allem aber für die Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medi­zin ist unge­bro­chen. Wer­den Tigerfar­men und omi­nö­se Tig­erzoos wei­ter­hin zuge­las­sen, dann befeu­ert dies die Nach­fra­ge nur noch wei­ter und üben einen töd­li­chen Sog auf die Tiger in frei­er Wild­bahn aus.

Eine der größ­ten Tigerfar­men: der Har­bin Tiger Park im Nord­ot­sen Chi­nas. © Leigh Hen­ry /WWF-US
Der WWF for­dert die Regie­run­gen in Chi­na, Laos, Kam­bo­dscha, Viet­nam und Thai­land auf, Tigerfar­men zu schlie­ßen und den Han­del mit Tigern klar zu ver­bie­ten. Klick um zu Tweeten

Was der WWF gegen die Tiger in Gefan­gen­schaft macht

Wir set­zen uns seit Jah­ren dafür ein, dass die Tigerfar­men geschlos­sen wer­den — und die Tiger­hal­tung regu­liert wird. Die USA haben in den letz­ten zehn Jah­ren stren­ge­re Vor­schrif­ten für in Gefan­gen­schaft leben­de Tiger erlas­sen. Im April 2016 ver­schärf­te die US-Regie­rung im Rah­men des Geset­zes über gefähr­de­te Arten (End­an­ge­red Spe­ci­es Act) die Vor­schrif­ten für Tiger­hal­tung. Dadurch wur­de es schwie­ri­ger, die Tie­re in den ille­ga­len Wild­tier­han­del einzuschleusen.

Aber es muss noch mehr pas­sie­ren. Mehr als 450.000 WWF-Unterstützer:innen for­der­ten die US-Regie­rung in einer Peti­ti­on auf, die­se neu­en bun­des­staat­li­chen Vor­schrif­ten umzu­set­zen, die sicher­stel­len, dass Tiger nicht über Staats­gren­zen hin­weg ver­kauft wer­den. Es sei denn, der Ver­käu­fer kann nach­wei­sen, dass die Trans­ak­ti­on zum Tiger­schutz bei­trägt. Eine wei­te­re Rege­lung beschränkt den Kon­takt mit Tiger­jun­gen im Alter von 8–12 Wochen. Die­ses klei­ne Zeit­fens­ter ver­rin­gert die Ren­ta­bi­li­tät die­ser Jung­tie­re für Fotos, Strei­cheln und so wei­ter. Das wird hof­fent­lich den Anreiz zur Zucht verringern.

Jedes Land muss handeln!

Ja, wir hat­ten auch in Euro­pa schon Fäl­le von Tigern, die in den Arten­han­del mit Asi­en ein­ge­schleust wur­den. Auch wenn die Situa­ti­on der in der EU und in den USA gefan­ge­nen Tiger anders gela­gert ist als in Asi­en. Jedes Land soll­te rigo­ros vor sei­ner eige­nen Haus­tür keh­ren und sicher­stel­len, dass sei­ne Tiger-Akti­vi­tä­ten nicht zum ille­ga­len Han­del bei­tra­gen. Und gleich­zei­tig muss jedes Land, in dem Tiger in Gefan­gen­schaft hal­ten wer­den, alles tun, damit die­se Tie­re so gut es geht art­ge­recht und respekt­voll leben können.

Das Über­le­ben der Tiger in frei­er Wild­bahn hängt von uns allen ab. Was man am Ende der Net­flix-Serie mit­nimmt spielt eine gro­ße Rol­le. Für mich geht es um viel mehr als blo­ße Unter­hal­tung, blo­ße Schau­lust. Es geht um das Über­le­ben der Tiger in frei­er Wildbahn.

Wenn ihr die Hal­tung der Tiger in Tiger King gräss­lich fin­det, wenn ihr Tigern hel­fen wollt, dann unter­stützt kei­ne Unter­hal­tungs­an­ge­bo­te, die Tiger aus­beu­ten. Helft uns bei unse­rer Arbeit, den Tiger­be­sitz zu regu­lie­ren — und die Tigerfar­men zu schließen.

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Als Forstwissenschaftlerin arbeite ich an Wald- und Artenschutzprojekten in Südasien. An dieser Aufgabe darf ich mit bereichernden Menschen aus aller Welt wachsen - und manchmal auch scheitern. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es eben nicht egal ist, wie wir Menschen uns auf der Welt benehmen. Gleichzeitig glaube ich fest daran, dass wir es besser können. Uns muss klar sein, dass jeder Schritt, den wir gehen, jede Entscheidung, die wir treffen, Konsequenzen hat. Für uns und unseren Planeten. Wenn ich jeden Tag Fleisch essen muss, dann wird irgendwo am anderen Ende der Welt Regenwald abgeholzt. Der Verlust der Wälder verändert wiederum unser Klima und das betrifft uns alle. Alles hängt zusammen und wir sind ein Teil dieser Welt – genauso wie jeder Wald, jeder Vogel, jeder Fisch oder Elefant. Dieses Bewusstsein muss Grundlage unseres täglichen Handelns werden – das ist die Basis meiner Arbeit.

Kommentare (12)

  • Die Erde braucht die Menschen nicht, wohl aber die Menschen die Erde. Das geht offenbar weder in die Schädel von Banausen noch intelligenter Menschen rein. Sonst sähe die Welt anders aus. Man sollte allerdings nicht unterstellen, dass Regierungen nur von intelligenten Menschen geführt werden. Jeder weiß, wieviel Uhr es ist, aber offensichtlich Keiner, wie spät. Die unterdrückte Kreatur Mensch wehrt sich immer mehr mit Terrorismus, die misshandelte Natur mit Katastrophen. Noch Fragen??? Werner F. Becker

  • Menschen, die in solchen Handel einsteigen oder ihn z.B. als Touristen finanzieren haben die Existenz JHWH`s längst geleugnet. Sie nehmen die Widerlichkeit ihres Handels wohlüberlegt in Kauf, auch, weil sie zu rechtmäßiger Arbeit nicht fähig sind bzw. diese auch nicht wollen.
    Eines unbekannten Tages aber gelangen Diese Menschen vor JHWH (göttliche Allmacht) und sind somit vor dem göttlichen Gericht.

    Manfred Franz

  • Kein Wildtier sollte in Gefangenschaft leben und es sollte streng bestraft werden, wenn Handel mit ihnen getrieben wird....Privatpersonen dürfen keine Wildtiere halten, das ist unerträglich....

  • Vor allem der Handel mit Tigern und Tigerteilen gehört rigoros bekämpft. Auch die illegalen Tigerzuchten. Das ist Tierquälerei. Tiger gehören in die Natur oder allenfalls in Expertenhände, z. B. in Zoos, die mit legalen Zuchten dafür sorgen, dass der Tiger nicht ausstirbt. Das wäre ewig schade um ein so schönes, majestätisches Tier. Ich bin ein absoluter Tigerfan. Wenn ich das Geld hätte, ich würde noch viel mehr spenden.

  • Meine volle Zustimmung zu dem Beitrag. Tiger gehören nicht als Haustiere zu halten. auch der Handel mit Tigerteilen it abscheulich und gehört möglichst zu beenden.

  • "Handel mit Tigerteilen" - Hört sich so an, als ob die nächste Corona Pandemie schon in den Startlöchern sitzt und nur auf einen passenden Wirt wartet. Die "Traditionelle Chinesische Medizin" ist eine der gefährlichsten für Mensch (überspringende Viren) und besonders für Tiere, die bis zur Ausrottung gejagt werden!
    Damit die Verantwortlichen es endlich verstehen, dass sie mit ihren Heil- und Essgewohnheiten die ganze Welt mit in den Abgrund ziehen, sollte man rigoros alles aus diesem Land boykottieren und selber wieder anfangen zu produzieren. Was auch der Umwelt, (lange Lieferwege), zugute käme.

  • Geld regiert die Welt. Das ist leider so. Und so lange mit Produkten des Tigers und anderer Geschöpfe Geld verdient wird, wird sich nichts ändern. Hier sind wir als Umweltschützer und insbesondere die Politik gefragt. Aber bei Politikern habe ich wenig Hoffnung auf eine Änderung. Deshalb dürfen wir nie aufgeben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  • Corona ist eine Warnung an die Menschheit, endlich den Wildtierhandel und das Wildern auf exotische Tiere zu unterbinden. Es ist nicht nachvollziehbar, was der Handel mit wilden Tieren oder Teilen von wilden Tieren zur sogenannten traditionellen chinesischen Medizin oder zum Verzehr bringen soll? Das muss rigoros verboten werden. Es ist einfach unerträglich, wie der Mensch mit dem Mitgeschöpf Tier und Pflanze umgehen.

  • Tierquälerei ist eine Straftat, täglich begangen von Milliarden gleichgültigen Menschen. Tierquälerei in Massentierhaltung zerstört zuerst das Leben der Tiere, dann weltweit die Erdoberflächen durch Verseuchung mit Gülle, dann das Leben der Menschen durch Seuchen, so wie gerade jetzt. Obwohl zigtausende Menschen an Seuchen sterben, zerstören sie weiterhin die Natur. Wir brauchen die Natur und die Erde, doch sie braucht uns nicht. Vermutlich wird es den Tieren und der Erde erst besser gehen, wenn die Menschen sich selbst ausgerottet haben.

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