Mee­res­schutz: Fri­sche Bri­se aus Dänemark

Das habe ich mir nie träu­men las­sen, dass ich mit dem WWF und ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen ein­mal die Bun­des­re­gie­rung ver­kla­gen wür­de. Im März 2015 ist es gesche­hen. War­um? Weil die schon 2007 aus­ge­wie­se­nen gro­ßen Mee­res­schutz­ge­bie­te in Nord- und Ost­see bis heu­te nur auf dem Papier bestehen. Vor allem die Fische­rei mit Schlepp- und Stell­net­zen geht in den Schutz­ge­bie­ten bis heu­te unge­hin­dert wei­ter. Die einen Net­ze zer­stö­ren Rif­fe und unter Was­ser lie­gen­de Sand­bän­ke. Die ande­ren sind Todes­fal­len für den Schweins­wal und tau­chen­de Seevögel.

Deutsch­land vom Mus­ter­kna­ben zum Nachhilfeschüler

Dabei war Deutsch­land, was die Aus­wei­sung von so genann­ten Natu­ra 2000-Gebie­ten im Meer betrifft, sei­ner­zeit ein­mal Mus­ter­kna­be. Kein ande­rer EU-Mit­glieds­staat hat­te so groß­flä­chig und sys­te­ma­tisch Schutz­ge­bie­te auf See aus­ge­wie­sen, jen­seits des Küs­ten­mee­res. Das Vor­ge­hen fin­det heu­te vie­le Nach­ah­mer, zum Bei­spiel Schott­land, Däne­mark, die Nie­der­lan­de, Spa­ni­en und Por­tu­gal. Ich habe selbst bei vie­len inter­na­tio­na­len Tref­fen als WWF-Ver­tre­ter die Wer­be­trom­mel für die Asu­wei­sung von Mee­res­schutz­ge­bie­ten gerührt. Doch es hapert in der deut­schen Nord- und Ost­see ein­fach bei der Umset­zung — Stell­net­ze und Boden­fi­sche­rei wer­den nicht ver­bo­ten! Nun wur­de Deutsch­land in die­ser Hin­sicht auch noch vom nörd­li­chen Nach­bar­land Däne­mark überholt.

Däne­mark macht vor, wie es geht

Im Syl­ter Außen­riff: See­nel­ke und die soge­nann­te See­manns­hand © Wolf Wichmann

Vor kur­zem erreich­te uns die Mel­dung, dass mit dem Segen der EU und der Nach­bar­staa­ten sie­ben Natu­ra 2000-Gebie­te mit wert­vol­len Rif­fen in däni­schen Gewäs­sern für Boden­schlepp­net­ze, Kur­ren und Dred­gen gesperrt wur­den. Wei­te­re sol­len fol­gen. So sieht dann eine ent­spre­chen­de Ver­ord­nung aus Brüs­sel aus. Was haben die Dänen gemacht? Anders als hier bei uns konn­ten sich Fische­rei- und Umwelt­mi­nis­ter rasch auf Maß­nah­men eini­gen, sie mit Deutsch­land und Schwe­den ver­han­deln und bei der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on bean­tra­gen. Denn dort liegt im Rah­men der Gemein­sa­men Fische­rei­po­li­tik der EU (GFP) die allei­ni­ge Zustän­dig­keit. Seit der Reform der GFP im Jahr 2014 gibt es für Fische­rei­auf­la­gen in Schutz­ge­bie­ten ein sol­ches ver­kürz­tes Ver­fah­ren. In Brüs­sel wird man jedoch nur auf Antrag aktiv. Und war­um bekommt Deutsch­land das nicht geba­cken? Immer­hin lie­gen schon seit 2011 Fach­vor­schlä­ge der für Natur­schutz und Fische­rei zustän­di­gen Behör­den in den Amts­stu­ben. Es ist längst genau aus­ge­ar­bei­tet, wo oder in wel­chen Mona­ten in unse­ren zehn Schutz­ge­bie­ten in Nord- und Ost­see Stell­net­ze und Boden­fi­sche­rei ver­bo­ten wer­den sollen.

Hoff­nungs­schim­mer aus Berlin

Was haben wir beim WWF nicht alles gemacht: Pres­se­ar­beit, öffent­li­che Stel­lung­nah­men, Minis­ter­brie­fe. Es gab einen Brand­brief der Umwelt­ver­bän­de an die Bun­des­kanz­le­rin, auf dass sie eine Eini­gung zwi­schen den für Umwelt und Fische­rei zustän­di­gen Minis­tern her­bei­füh­ren möge. Als das alles nichts brach­te, sahen wir nur noch den Kla­ge­weg. Zum Glück scheint der Druck end­lich Wir­kung zu zei­gen. Seit einem hal­ben Jahr gibt es eine Eini­gung zwi­schen den zustän­di­gen Staats­se­kre­tä­ren für die Schutz­ge­bie­te, wenigs­tens in der Nord­see. Bald wer­den wir öffent­lich erfah­ren, wel­che Fische­rei­auf­la­gen für das Syl­ter Außen­riff, die öst­li­che deut­sche Bucht, die Dog­ger­bank und das Bor­kum­riff geplant sind und in Brüs­sel bean­tragt wer­den sol­len. Für die­ses Ver­fah­ren geht sicher noch ein­mal min­des­tens ein Jahr ins Land.

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Ein Wort noch zu Däne­mark: Ich will euch Däne­mark nicht in jeder Hin­sicht beim Mee­res­schutz als Vor­bild ver­kau­fen. Lei­der sol­len die Öl- und Gas­vor­kom­men im däni­schen Teil der Nord­see ver­stärkt erkun­det und aus­ge­beu­tet wer­den. Sie lie­gen direkt neben dem Schutz­ge­biet Dog­ger­bank, wo sich Schweins­wa­le, Weiß­sei­ten­del­fi­ne, Weiß­schnau­zen­del­fi­ne und neu­er­dings auch wie­der Zwerg­wa­le tum­meln. Für die­se Arten sind die von MAERSK geplan­ten seis­mi­schen Erkun­dun­gen eine ech­te Bedrohung.

Der WWF wird zusam­men mit den ande­ren Umwelt­ver­bän­den dage­gen grenz­über­grei­fend Ein­spruch erheben.

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Als Meeresökologe, Zoologe und Biochemiker war Stephan Lutter seit 1988 beim WWF und einer der ersten international arbeitenden Meeresschützer. Einige große Schutzgebiete und -Zonen auf der Hoch- und in der Tiefsee hätte es ohne sein Engagement nicht gegeben. Seine Expertise war international geschätzt, sein Einsatz für unsere Meere einzigartig. - Zu unserer großen Trauer ist Stephan verstorben. Einen Nachruf auf den engagierten Meeresschützer findet ihr hier: https://blog.wwf.de/stephan-lutter-nachruf/ -

Kommentare (2)

  • Dann öffnen Sie mal schön die Augen, Herr Lutter!
    Dänemark schützt die Walschlächter auf den Färöer.
    Da können die in unseren Meeren so tun, als wären sie Tierschützer, das sind diese Leute einfach nicht.
    Wer Verbrechen deckt oder gar schützt, ist selbst ein Verbrecher.

  • Der Artikel und die Aussage beziehen sich ganz konkret auf eine Vorbildfunktion bei der Integration von EU-Fischereipolitik und Anforderungen von Meeresschutzgebieten. Sowie die erstmalige Umsetzung der neuen gesetzlichen Instrumente dazu. Um tierschutzethische Fragen geht es dabei nicht, sondern Meeresnaturschutz.

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