30°C zu warm: Lebens­ge­fahr für Eis­bä­ren in Kanada

Zwei Eisbären im Grünen in der Nähe der Hudson Bay. Soll so nicht sein! © Howard Buffet / WWF

Die Hud­son Bay in Kana­da ist einer der weni­gen Orte, an dem man noch Eis­bä­ren in frei­er Wild­bahn beob­ach­ten kann. Doch die­ser Win­ter könn­te für vie­le Eis­bä­ren lebens­be­droh­lich werden.

Im Novem­ber war es 30°C wär­mer als sonst

Ich arbei­te schon seit vie­len Jah­ren in der Wes­tern Hud­son Bay. Ich lie­be die Arbeit in der Käl­te, wenn der eisi­ge Wind mir um die Ohren pfeift und das gan­ze Gesicht pri­ckelt. Doch was ich bei mei­nem letz­ten Besuch im Novem­ber erleb­te, war selbst für mich neu: Es war viel, viel wär­mer als sonst. Genau­er gesagt: Statt den im Novem­ber übli­chen ‑25°C zeig­te das Ther­mo­me­ter 5°C.

Mei­ne dicke Polar­ja­cke brauch­te ich nicht – ich konn­te den gan­zen Tag in einem ein­fa­chen Long­s­lee­ve und einer Wes­te ver­brin­gen. Klingt ange­nehm? Tja, für die Eis­bä­ren ist das aber eine lebens­be­droh­li­che Katastrophe! 

Fehlt das Eis, ist das Schick­sal besie­gelt. © Kers­tin Langenberger

Auch für Alles­kön­ner wird es gefährlich

Der Eis­bär ist hart im Neh­men und kann bei extre­men Tem­pe­ra­tur­un­ter­schie­den über­le­ben. Im Som­mer hat es in Kana­da teil­wei­se 20°C. Im Win­ter fal­len die Tem­pe­ra­tu­ren auf bis zu ‑50°C. An sich wäre ein war­mer Novem­ber also kein Pro­blem. Aber: Durch die war­men Tem­pe­ra­tu­ren gefriert das Meer nicht und in der gesam­ten Hud­son Bay gab es bis Ende Novem­ber kein biss­chen Meer­eis. Dar­auf sind die Eis­bä­ren aber nach ihrer som­mer­li­chen Fas­ten­zeit ange­wie­sen. Sie müs­sen raus auf’s Meer­eis, um dort Rob­ben zu jagen. Gefriert das Meer erst spät im Jahr, so sind die Eis­bä­ren so aus­ge­hun­gert, dass sie den Win­ter nicht überleben.

Geht es jetzt nur noch berg­ab für die Eisbären?

Ich mag es mir gar nicht vor­stel­len, doch es kann gut sein, dass es mit der Eis­bär­po­pu­la­ti­on in der Hud­son Bay jetzt rapi­de berg­ab geht. Momen­tan gibt es hier noch etwa 1030 Eis­bä­ren. Wis­sen­schaft­ler sagen, dass jeder zwei­te Eis­bär, der über 210 Tage auf dem Land ohne Eis lebt, stirbt. Unse­re Daten aus der Hud­son Bay bele­gen, dass die Eis­bä­ren immer weni­ger Jun­ge krie­gen und dass ihr Kör­per­ge­wicht der Bären von Jahr zu Jahr abnimmt. Wir müs­sen mit ver­ein­ten Kräf­ten dar­an arbei­ten, dass die Popu­la­ti­on in der Wes­tern Hud­son Bay sta­bil bleibt.

Für jun­ge Eis­bä­ren ist feh­len­des Eis beson­ders bedroh­lich, da sie nicht so vie­le Reser­ven besit­zen © Thors­ten Milse

Was kön­nen wir tun?

Durch den schwin­den­den Lebens­raum und die man­geln­den Fut­ter­quel­len nähern sich Eis­bä­ren immer wie­der Dör­fern und ver­su­chen, mensch­li­che Nah­rung zu fin­den. Dies ist für Mensch und Eis­bär hoch­ge­fähr­lich. Des­halb finan­zie­ren wir in der Hud­son Bay Eis­bär-Patrouil­len und arbei­ten am Kon­flikt-Manage­ment. Außer­dem bera­ten wir die Kom­mu­nen in Land­nut­zungs­fra­gen, denn auch durch die För­de­rung von Erd­öl und Erd­gas sind Eis­bä­ren bedroht. Um die Tie­re schüt­zen zu kön­nen, müs­sen wir viel über sie wis­sen. Des­halb unter­stüt­zen wir die jähr­li­chen Bestands­er­he­bun­gen, um die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels zu doku­men­tie­ren. Bei unse­rer Arbeit sind wir auf Spen­den ange­wie­sen. Bit­te helft uns, die Eis­bä­ren in der Hud­son Bay zu schützen! 

Fehlt die Nah­rung, nähert sich der Eis­bär den Men­schen. Das ist für bei­de Sei­ten gefähr­lich. © Sybil­le Klen­zen­dorf / WWF

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Ich bin Artenschutz-Expertin und seit 2002 beim WWF. Bären sind meine Leidenschaft. Beim WWF setze ich mich u.a. für den Schutz der Eisbären im Arktis-Programm ein. Bevor ich zum WWF kam studierte ich Schwarzbär-Ökologie an der Virginia Tech University.

Kommentare (3)

  • Hallo Frau Klenzendorf
    Würde es eventuell helfen wenn man große Holzfloße baut quasi als Eis- Ersatz?

    • Hallo Herr Temeschinko,
      Sie sind mit Ihrer Idee nicht allein. Etliche Leute haben vorgeschlagen, dass schwimmende Plattformen in der Arktis Eisbären vielleicht helfen könnten. Klingt erst einmal nach einem guten Vorschlag in einer schmelzenden Arktis, doch das Hauptproblem für Eisbären ist nicht ein Platz zum Ausruhen zu finden, sondern einen funktionierenden Lebensraum zu haben, in dem es ausreichend Nahrung gibt. Plattformen würde nicht dazu dienen, dein Eisbären die Robbenjagd zu ermöglichen. Das Packeis muss man sich nämlich wie einen tropischen Regenwald vorstellen, der auf dem Kopf steht. Die Unterseite des Eises ist der Lebensraum von vielen Organismen wie Algen und Fischen, die wiederum die Nahrungsquelle der Robben sind. Das Eis lässt Sonnenlicht durch und bieten in den vielen kleinen Blasen unter dem Eis Lebensraum für die Algen.
      Außerdem bietet das Packeis in den Rift-Zonen Höhlen für Winterlager und genug Lebensraum, einen Paarungsgefährten zu finden. Die Region, in denen Bären jetzt keinen Lebensraum mehr haben, weil das Eis im Sommer schon geschmolzen ist, ist zweimal so groß wie Alaska.
      Die Situation des abnehmenden Meereises in der Arktis ist sehr ernst, aber nicht hoffnungslos. Unsere Untersuchungen zeigen, dass wir noch Zeit haben, um Eisbären und das arktische Ökosystem zu retten. Aber wir müssen nun handeln und unsere CO2-Emissionen stark verringern. Noch haben wir eine Chance.
      Herzliche Grüße!

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