Laza­rus-Effekt: Aus­ge­stor­be­ne Tie­re, die wie­der auftauchten

Wieder da: das Voeltzkow-Chamäleon © Frank Glaw

Fast 30 Pro­zent der bekann­ten Tier- und Pflan­zen­ar­ten welt­weit sind laut der Inter­na­tio­na­len Roten Lis­te in ihrem Bestand bedroht! Jedes Jahr ver­lie­ren wir unwi­der­ruf­lich hun­der­te Arten, wie etwa im letz­ten Jahr den Schwert­stör. Weil wir Men­schen ihre Lebens­grund­la­gen ver­nich­ten, ihre Lebens­räu­men zer­stö­ren und das Kli­ma durch unse­re Emis­sio­nen auf­hei­zen. Hin­zu kommt: Wir sam­meln, jagen und fischen vie­le zu vie­le Tie­re und Pflanzen.

Neus­te Erhe­bun­gen gehen davon aus, dass sich das Aus­ster­ben durch mensch­li­che Ein­flüs­se um etwa den Fak­tor 1000 gegen­über der natür­li­chen Rate erhöht hat.

Laza­rus-Effekt: Die Wie­der­kehr aus­ge­stor­be­ner Arten

Immer wie­der gibt es aber auch Fäl­le, bei denen Tier- und Pflan­zen­ar­ten wie­der auf­tau­chen, die schon als aus­ge­stor­ben gal­ten. Die Wis­sen­schaft­ler nennt es das Laza­rus-Phä­no­men – nach dem Mythos von Laza­rus, der von den Toten auf­er­stan­den sein soll.

Da ist sie wie­der Schild­krö­te Che­lo­no­idis nigra phan­ta­sti­cus © pic­tu­re alli­ance / dpa / Par­que Nacio­nal Galá­pa­gos / Die­go Bermeo

Dazu gehört zum Bei­spiel die Gala­pa­gos Rie­sen­schild­krö­te Che­lo­no­idis nigra phan­ta­sti­cus. Sie galt mehr als hun­dert Jah­ren als aus­ge­stor­ben, bis vor zwei Jah­ren ein ver­däch­ti­ges Weib­chen auf der Galá­pa­gos-Insel Fer­nan­di­na gesich­tet wur­de. Gen­ana­ly­sen der Yale-Uni­ver­si­tät in den USA haben jetzt erge­ben, dass es sich tat­säch­lich um ein Tier der aus­ge­stor­be­nen Spe­zi­es handelte.

Oder das Voeltz­kow-Cha­mä­le­on, das seit mehr als 100 Jah­ren als aus­ge­stor­ben galt. Forscher:innen der Zoo­lo­gi­schen Staats­samm­lung Mün­chen (ZSM) fan­den jetzt die ver­schol­le­ne Art bei einer Expe­di­ti­on auf Madagaskar.

Hier sind fünf der pro­mi­nen­tes­ten Fälle:

1) La-Gome­ra-Rie­sen­ei­dech­se

Wie­der­ent­deckt auf La Gome­ra © Car­los-Fer­nan­dez / EPA

For­scher beschrie­ben die Art erst im Jahr 1985 anhand von his­to­ri­schen Kno­chen­fun­den. Umso grö­ßer war die Über­ra­schung, als spa­ni­sche Bio­lo­gen auf der berühm­ten ehe­ma­li­gen Hip­pie-Insel sechs leben­de Indi­vi­du­en fan­den. Der Fund­ort war ein Steil­hang direkt über einem Strand.

Mit dem WWF-News­let­ter nichts mehr verpassen!

Von den bis zu einem hal­ben Meter lan­gen Tie­ren exis­tie­ren heu­te rund 100 Tie­re in Frei­heit. Etwa 50 wei­te­re leben in einer Zucht­an­la­ge. Die Inter­na­tio­na­le Rote Lis­te führt die Art als vom Aus­ster­ben bedroht.

2) Cha­co-Peka­ri

Erst 1974 wur­den in Argen­ti­ni­en leben­de Cha­co-Peka­ri ent­deckt.
CC BY-SA 4.0 Dave-Pape, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1791476

Auch gro­ße Säu­ge­tie­re kön­nen in schwer zugäng­li­chen Lebens­räu­men lan­ge unent­deckt blei­ben. Taxo­no­men beschrie­ben die Cha­co-Peka­ris erst­mals 1930 anhand von Kno­chen­fun­den. Man ging davon aus, dass sie aus­ge­stor­ben wären. Erst 1974 bestä­tig­ten Wis­sen­schaft­ler in Argen­ti­ni­en leben­de Exem­pla­re. Ihr Lebens­raum ist das tro­cke­ne, hei­ße und des­halb zumin­dest damals noch dünn besie­del­te Cha­co. Heu­te gel­ten sie in ihrem Ver­brei­tungs­ge­biet in Argen­ti­ni­en, Para­gu­ay und Boli­vi­en als stark gefähr­det. Denn das Cha­co ver­liert gro­ße Flä­chen durch Rodung, aus denen Vieh­wei­den und Soja-Plan­ta­gen entstehen.

3) Baye­ri­sche Kurzohrmaus

Im Jahr 2000 wur­de in Tirol eine neue Popu­la­ti­on der Baye­ri­schen Kurz­ohr­maus bestä­tigt
CC BY-SA 4.0, Fac­ta­dog, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58250938

Den Laza­rus Effekt gibt es auch bei uns vor der Haus­tür. Die Baye­ri­sche Kurz­ohr­maus wur­de erst 1962 bei Gar­misch-Par­ten­kir­chen ent­deckt. 23 Tie­re wur­den gefan­gen und als neue Art bestimmt. Und schon direkt danach galt sie wie­der als ver­schol­len. Erst im Jahr 2000 fan­den For­scher im benach­bar­ten Tirol eine neue Population.

Fol­ge uns in Social Media

Geret­tet ist sie damit noch nicht. Lan­ge  konn­ten weder in Deutsch­land noch in Öster­reich wei­te­re Vor­kom­men fest­ge­stellt wer­den. Immer­hin gelang es den Öster­rei­chern vier  Exem­pla­re für den Inns­bru­cker Alpen­zoo zu fan­gen. Dort ver­meh­ren, sich die Tie­re erfolg­reich. Eini­ge der Mäu­se wur­den bereits zur Nach­zucht an ande­re Zoos abge­ge­ben. In Frei­heit bleibt die Lage für die Nager wei­ter kri­tisch.  Die IUCN stuft sie wegen ihres sehr klei­nen Lebens­raums und der dor­ti­gen Habi­tat­zer­stö­rung als „vom Aus­ster­ben bedroht“ (Cri­ti­cal­ly End­an­ge­red) ein. In Deutsch­land galt die Art  als aus­ge­stor­ben bis 2023 ein wei­ter Nach­weis in Bay­ern gelang.

4) Sehuen­cas-Was­ser­frosch

Der ver­meint­lich letz­te Sehuen­cas-Was­ser­frosch leb­te in Boli­vi­en. Inzwi­schen wur­den fünf wei­te­re ent­deckt. © Robin Moo­re / Glo­bal Wild­life Conservation

Der Sehuen­cas-Was­ser­frosch war eigent­lich noch nicht aus­ge­stor­ben. Nur sehr ein­sam. Der ver­meint­lich letz­te sei­ner Art leb­te allei­ne in einem Aqua­ri­um in einem Natur­kun­de­mu­se­um in Boli­vi­en. Wis­sen­schaft­ler ent­deck­ten in einem Bach am Fuße eines Was­ser­falls fünf Sehuen­cas-Was­ser­frö­sche. Dar­un­ter auch Weib­chen. Die For­scher hof­fen, dass sich die Frö­sche fort­pflan­zen und so die sel­te­ne Art vor dem Aus­ster­ben bewahren.

5) Quas­ten­flos­ser

Der urtüm­li­che Quas­ten­flos­ser wur­de 1938 bei den Komo­ren wie­der­ent­deckt. © Aty­peek / iStock / Get­ty Images

Die Wis­sen­schaft war sich sicher: Den Quas­ten­flos­ser gibt es nicht mehr. Und zwar seit fast 70 Mil­lio­nen Jah­ren. Bis der urtüm­li­che Fisch 1938 bei den Komo­ren wie­der­ent­deckt wur­de. 1997 fan­den Zoo­lo­gen vor der indo­ne­si­schen Insel Sula­we­si dann sogar noch eine sehr ähn­li­che zwei­te Art, den Mana­do-Quas­ten­flos­ser (Lati­me­ria men­a­doensis).

Fol­ge uns in Social Media:
Ich bin Ökologe und leite den Fachbereich Artenschutz beim WWF Deutschland. Seitdem ich vor einiger Zeit mal für knapp ein Jahr in Kambodscha gelebt und gearbeitet habe, bin ich von der Region Südost-Asien, seinen Menschen und seiner Natur fasziniert. Inzwischen arbeite ich allgemeiner an den Herausforderungen, bedrohte Arten zu schützen und dabei Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung besser miteinander vereinbar zu machen. Meine Hauptarbeitsthemen sind Wilderei und der Handel mit illegalen Wildartenprodukten, vor allem Elfenbein und Nashornhorn. Gleichzeitig arbeite ich zum Schutz solcher bedrohter und ikonischer Arten wie den großen Menschenaffen, dem Eisbär, dem Großen Panda oder dem Sumatra-Nashorn.

Kommentare (3)

Auch interessant
[Sassy_Social_Share]