Ich bin schockiert. Warum?
Im Jahr 2009 hat die EU-Kommission offiziell zugegeben, dass die “Gemeinsame Fischereipolitik” (GFP) der EU versagt hat. Sie legte das sogenannte Grünbuch vor – Subtext in der Zusammenfassung: „Die Politik macht nicht, was sie soll und muss dringend reformiert werden. Wir bitten um Vorschläge!“
Die Vorschläge kamen, es vergingen weitere Jahre, es wurde hart verhandelt und am Ende stand im Mai 2013 eine Reform, die diesen Namen auch verdiente. Nein, perfekt war sie nicht, aber ein gelungener Kompromiss. Auch wenn die Industrie es geschafft hatte, den ganz großen Wurf in Richtung Nachhaltigkeit zu verhindern, so hatten doch auch die Umweltverbände viel erreicht. Es war auch unser Erfolg. Unsere Hoffnung hieß “MSY” — der “Maximum Sustainable Yield”. Das ist ein wissenschaftliches Prinzip, mit dem berechnet wird, wieviel Fisch maximal gefangen werden kann, ohne den Bestand der Art zu gefährden. Nur so erholen sich nämlich die Fischbestände und das sollten sie laut GFP bis 2020.
Alle haben die Reform gefeiert — zu früh gefreut?
Endlich keine legalisierte Überfischung mehr, stattdessen nachhaltige Mehrjahrespläne und knackige Zielsetzungen — das dachten wir. Die NGOs haben gefeiert, die deutsche Politik hat gefeiert – soweit so gut. Der erste Realitäts-Check folgte prompt. Im Januar 2014 trat das neue Gesetz in Kraft und die ersten Verhandlungen über Fangquoten stimmten uns bereits darauf ein, dass auch diesmal das Paradies ausbleiben würde. Geschenkt. Paradies und Diesseits haben jenseits von vier Buchstaben nicht viel gemein. Das war mir eigentlich klar.
“Überfischung forever?” (Pressemeldung vom 08.12.2014)
Die Quotenvergabe waren nur fischige Lippenbekenntnisse (PM vom 17. 12.2014)
Aber was jetzt passiert, macht mich rasend!
In diesen Tagen sitzen Vertreter aus EU-Kommission, Europäischem Parlament und der Fischereiminister zusammen und verhandeln den ersten Mehrjahresplan der neuen GFP. Er wird für die Ostsee (#BalticMAP) gelten und als Vorlage für alle weiteren Mehrjahrespläne dienen – er ist ein Präzedenzfall! Dieser Plan legt fest, wie viele Fische durch die Fischerei sterben dürfen. Der GFP-Härtetest zeigt, wie ein Gesetz plötzlich aufgeweicht wird, wenn starke und kreative Gegner daran arbeiten. Trotz Reform weiterhin die Meere plündern? Das geht erschreckend einfach, wie ich gerade lernen muss.
Das Ziel scheint klar: den “MSY” aufzupumpen, bis er nur noch heiße Luft enthält. Angeblich weil die Wissenschaftler das „erlauben“. Aber das ist das Problem. Hier wird beim wichtigsten Stück Fischereipolitik getrickst! Fischbestände erholen sich nicht durch Zauberei. Die Limits zum nachhaltigen Fischfang werden über Bord geworfen.
Was das bedeuten würde, habe ich mal ausgerechnet: Statt rund 50.000 Tonnen dürften plötzlich gut 61.000 Tonnen Hering völlig legal aus der westlichen Ostsee gefischt werden. Also 11.000 Tonnen mehr sind auf einmal genauso nachhaltig? Wie kann das sein?
Eine “nachhaltige Fischerei”, die keine ist
Es kann NICHT sein! Eine nachhaltige Fischerei hat echte Obergrenzen! Und das ist keine Frage der Meinung! Nicht umsonst sagen die Wissenschaftler, die mit der Berechnung von der EU-Kommission beauftragt und bezahlt worden sind: Politiker, haltet euch an das Limit! Zu viel Fischerei bedroht die Bestände!
Aber die Fischereiminister und die Kommission werfen diesen entscheidenden Zusatz gerade über Bord. Und damit auch diese wichtige OBERGRENZE, die die Reform enthält, um die Überfischung zu beenden.
Helft uns!
Ihr, die das lest: Bitte, bestärkt das EU Parlament (@Europarl_DE) und vor allem auch EU-Parlamentarierin Ulrike Rodust (@UlrikeRodust) darin, sich diesen faulen Fisch nicht auftischen zu lassen! Sie müssen stark bleiben, denn sonst wird diese Reform so erfolgreich wie die letzten – erfolgreich dabei unsere Meere zu plündern und Missmanagement zu betreiben. Das darf einfach nicht passieren!
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