Fleisch: Schmeckt es Euch noch?

Schmeckt es? Immer noch? © Kzenon / iStock / Getty Images

Mas­sen­tier­hal­tung kann man als Tier­freund eigent­lich nur schreck­lich fin­den. Dass in Deutsch­land pro Jahr 55 Mil­lio­nen Schwei­ne und noch viel mehr Hüh­ner geschlach­tet und in alle Welt expor­tiert wer­den, ist spä­tes­tens seit Coro­na nicht nur mora­lisch, son­dern auch gesund­heits­po­li­tisch rele­vant. Die der­zei­ti­ge Inten­siv­tier­hal­tung ist nicht nur ethisch frag­wür­dig. Sie ist ein Gesundheitsrisiko.

Seit dem Coro­na-Skan­dal im Schlacht­hof Tön­nies wis­sen wir alle, dass in der Fleisch­in­dus­trie auch Arbei­ter zur Gewinn­ma­xi­mie­rung aus­ge­beu­tet wer­den. Wir haben auch alle schon davon gehört, dass zwi­schen Tier­mast und Regen­wald­ab­hol­zung ein direk­ter Zusam­men­hang besteht. Und uns schmeckt das Fleisch immer noch?

55 Mil­lio­nen Schwei­ne wer­den jedes Jahr in Deutsch­land geschlach­tet © Mari­na Karka­li­che­va / iStock / GettyImages

Die Poli­tik ist für die­se gan­zen Miss­stän­de ver­ant­wort­lich, sagen wir. Es muss sich etwas ändern. Stimmt. Und zwar auch bei uns selbst.

Bil­lig hat sei­nen Preis

Gut und bil­lig soll unser Fleisch sein, unse­re Wurst, unser Käse, unse­re Milch. Doch bil­lig hat sei­nen Preis. Zum Bei­spiel den Preis, dass in der fleisch­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie Men­schen aus Ost­eu­ro­pa als Bil­lig­lohn­kräf­te ver­heizt wer­den. Und dass Tier­wohl immer noch klein geschrie­ben wird.

Wenn es um Coro­na geht, zei­gen wir ange­sichts von Coro­na mit dem Fin­ger in fer­ne Län­der. Wir reden über Wild­tier­märk­te in Wuhan, Busch­fleisch in Afri­ka und immer wie­der über Fle­der­mäu­se. Wir schüt­teln den Kopf über Ernäh­rungs- und Lebens­wei­sen in Süd­ost­asi­en und Afri­ka. HIV, Ebo­la, SARS, MERS und Co. – ihr Ursprung liegt woan­ders, der Fun­ke springt eben in glo­ba­li­sier­ten Zei­ten schlicht schnell über. Das Pro­blem aber sind „die Ande­ren“. Dar­auf erst mal einen lecke­ren Bur­ger um die Ecke.

Wir haben als Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten mehr mit dem wach­sen­den Risi­ko der nächs­te Zoo­no­se zu tun, als wir wahr­ha­ben wol­len. Der nächs­te Viren-Sprung von Tier zu Mensch liegt viel­leicht ganz nah — im Stall um die Ecke. Die Spa­ni­sche Grip­pe stamm­te wahr­schein­lich aus einem nord­ame­ri­ka­ni­schen Hüh­ner­stall. Das Schwei­negrip­pe­vi­rus von 2009 wur­de erst­mals unweit von einem Schwei­ne­mast­be­trieb in Mexi­ko nach­ge­wie­sen. Nutz­tie­re spie­len welt­weit eine Rol­le als poten­zi­el­le Über­trä­ger von Viren. Das kann jeder­zeit auch in Deutsch­land der Fall sein.

Die Sache mit den Antibiotika…

Zur Zoo­no­sen-Gefahr gesellt sich die Resis­tenz-Fal­le. Zwar ist der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka in der Schwei­ne­hal­tung in den letz­ten Jah­ren zurück gegan­gen. Den­noch kom­men ins­be­son­de­re bei Mast­käl­bern und ‑hüh­nern wei­ter Anti­bio­ti­ka inklu­si­ve wich­ti­ger Reser­ve-Anti­bio­ti­ka zur Anwen­dung. Im Stall bil­den Kei­me Resis­ten­zen; mul­ti-resis­ten­te Bak­te­ri­en kön­nen durch die Stall­ab­luft, durch Gül­le und durch das Fleisch der Tie­re auf den Men­schen wechseln.

Umwelt­ri­si­ko Fleisch

Gro­ße Geflügel‑, Schwei­ne- und Rin­der­mast­an­la­gen pro­du­zie­ren viel zu viel Stick­stoff, der als Teil reak­ti­ver che­mi­scher Ver­bin­dun­gen Pro­ble­me schafft. Zu hohe Nitrat­ein­trä­ge durch Gül­le und Mist auf viel zu wenig Flä­che berei­ten Trink­was­ser­ver­sor­gern vie­ler­orts Sor­ge. Stick­oxi­de sind Luft­schad­stof­fe, eben­so wie Fein­staub­ver­bin­dun­gen, bei denen Ammo­ni­ak im Spiel ist. Lach­gas, was aus über­düng­ten Böden ent­weicht, ist wie­der­um ein Klimakiller.

Fleisch frisst Land

Soja: Sol­len wir wei­ter impor­tie­ren, was dem Regen­wald scha­det? © David Beb­ber / WWF-UK

Andern­orts frisst unser Fleisch Wald und Wild­nis auf, weil das bil­li­ge Fut­ter­mit­tel Soja dort rie­si­ge Flä­chen braucht. Die EU ist hin­ter Chi­na der zweit­größ­te glo­ba­le Impor­teur von Soja. In unse­ren Fut­ter­trö­gen lan­det Lebens­raum von Men­schen und Tie­ren, dar­auf wei­sen wir schon seit vie­len Jah­ren hin. Aktu­el­le Unter­su­chun­gen zei­gen, dass das in die EU impor­tier­te Soja­schrot aus Gebie­ten mit einem hohem Ent­wal­dungs­druck stammt wie zum Bei­spiel Bra­si­li­en. Neben dem Ver­lust ein­zig­ar­ti­ger Savan­nen und tro­pi­scher Wäl­der geht dies auch auf Kos­ten des Kli­mas. Ver­schwin­det Wald für Acker, wer­den Treib­haus­ga­sen frei.

Poli­tik gefragt – und wir alle

Kei­ne Fra­ge: Wir brau­chen einen brei­ten gesell­schaft­li­chen Dia­log über den Wert von Lebens­mit­teln und Natur. Über die Wert­schät­zung für nach­hal­ti­ge Tier­hal­tung und Land­wirt­schaft. Wir müs­sen uns bewe­gen und ver­än­dern. Ja, da ist die Poli­tik gefragt. Die Aus­beu­tung von Men­schen im Schlacht­hof muss per Gesetz enden. Sicher, die Bun­des­re­gie­rung hat den Ein­stieg in mehr Tier­wohl und Umwelt­schutz im Stall und auf dem Acker jah­re­lang verschleppt.

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Die Ver­ant­wor­tung liegt aber nicht allein in den Hän­den der Poli­tik, des Lebens­mit­tel­ein­zel­han­dels oder der Landwirt:innen. Sie schließt uns alle genau­so ein.

Zur­zeit stammt aber bei­spiels­wei­se nur knapp ein Pro­zent des in Deutsch­land ver­kauf­ten Flei­sches aus dem Bio-Land­bau. Ver­än­de­rung beginnt bei uns auf dem Tel­ler. Es macht mir in die­sem Zusam­men­hang Hoff­nung, dass in Deutsch­land offen­bar deut­lich sel­te­ner Fleisch auf den Tisch kommt als noch vor eini­gen Jah­ren. In der Umfra­ge “Ernäh­rungs­re­port 2020” gaben 26 Pro­zent an, täg­lich Wurst oder Fleisch zu kon­su­mie­ren. Im ers­ten “Ernäh­rungs­re­port” vor fünf Jah­ren waren es noch 34 Prozent.

Wir sagen es schon lan­ge, wir sagen es wei­ter: Wer sich sein Fleisch wei­ter schme­cken las­sen möch­te, soll­te weni­ger davon essen. Und die Fin­ger von Bil­lig­fleisch las­sen. Für das Tier­wohl, das Kli­ma, die Welt­ge­sund­heit, für dich selbst.

Ernährung. Landwirtschaft. Artenvielfalt. Alles Themen, die mich umtreiben. Mich beruflich und privat beschäftigen. Die Spaß machen. Seit 2005 für den WWF. Seit 2007 als lang angelegter Versuch in unserer vierköpfigen Familie – als Fischkopf aus dem Norden kommend, die zweite Hälfte vom Äquator. Woher kommt unser Essen? Auch bei uns ein ganz private Frage. Und ein Dazulernen ohne Ende. - Tanja hat den WWF inzwischen verlassen -

Kommentare (3)

  • Sehr geehrte WWF-Freunde,
    ich würde alles tun, um diesem Planeten zu helfen. Ich habe mich schon zeit
    meines Lebens auf Bäumepflanzen verlegt. Ich suche schon lange nach
    engagierten Mitstreitern für mein kleines Höfchen in Ungarn (1 ha Grund). Es wird Kräuter- und Heilpilzeanbau angestrebt. Aber auch ein Gnadenhof wäre möglich. Ich suche Mitbewohner für das Gästehaus, welche sich dieses herrichten und dort leben möchte. Bilder zu meinen Höfchen sind in Facebook unter meinem Namen zu finden. Ich bin V-Partei-Mitglied.
    Ich könnte mir auch vorstellen, mich für den WWF praktisch zu engagieren,
    bei Baumpflanzungen usw.
    Danke, dass es Sie gibt. Gruß Katharina Zwing

  • Hallo zusammen,
    wann wollen wir endlich aufhören anzuprangern und zum gesamtgesellschaftlichen
    Konsens aufzurufen? Das höre ich von Frau Klöckner seit Ewigkeiten!

    Warum rufen wir nicht mal für 8 Tage zum Fleischboykott auf, eingepackt in eine öffentlichkeitswirksame Kampagne.
    Am Ende des Lebens werden wir nach unseren Taten beurteilt und nicht nach unseren Appellen und Kritiken.
    Radio

  • Liebe Tanja Dräger,

    vielen Dank für den Beitrag! Ich sehe mir gerade das Video "WWF: Mit weniger Fleisch das Klima retten" auf ZDF an. Ich plane derzeit eine Studie zum Fleischkonsum durch und freue mich, wenn Sie mich kontaktieren. Leider konnte ich keine persönlichen Kontaktdaten von Ihnen finden - daher habe ich hier einen Kommentar hinterlassen.
    Beste Grüße
    Magdalena Lutzeyer

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