In Brüssel gibt es keine Wölfe – abgesehen von Politikern im Schafspelz, die nicht nur dem Wolf ans Fell wollen. Auf EU-Ebene wird derzeit ernsthaft diskutiert, ob der Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt werden soll. Vertreter der EU-Mitgliedstaaten haben die Weichen dafür gestellt, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken. Der vermeintliche Grund: zunehmende Nutztierrisse. Als Naturschützerin lässt mich diese populistische Debatte erschaudern. Weniger Wölfe bedeuten nicht automatisch weniger tote Schafe. Die Initiative ist ein durchschaubarer Versuch, den Artenschutz zu schwächen.
Ein Blick auf die Fakten
Rund 1,6 Millionen Schafe leben in Deutschland. Sie enden in der Regel im Schlachthof. Eine Million Tiere, vor allem Lämmer, landen jährlich beim Metzger. Wölfe erbeuten im gleichen Zeitraum zwischen 3000 und 4000 Tiere.
Das ist bitter für deren Besitzer, die um ihre Tiere fürchten! Es sei allerdings auch erwähnt, dass Schäfer ungefähr die zehnfache Zahl durch andere Ereignisse wie Krankheiten oder Abstürze jedes Jahr verlieren. Die wenigsten Schafe sterben wegen Wölfen.
Die Zahlen sind eindeutig. Trotzdem bringt es wenig, den Konflikt kleinzureden. Natürlich stellt uns das das Zusammenleben von Nutztieren und Beutegreifern vor Herausforderungen. Es bringt aber nichts, die Zahl der Wölfe zu reduzieren. Die Lösung muss heißen, den Schutz von Schafen, Ziegen und anderen Nutztieren zu verbessern.
Die Rolle der Politik und Lobbyisten
Politische Entscheidungen werden oft unter dem Druck von Lobbyisten getroffen – in diesem Fall der Agrarlobby. Derzeit versuchen einige EU-Länder, den Schutzstatus des Wolfes zu lockern, was eine Änderung der Berner Konvention von 1979 erfordern würde, in der sich die Lander verpflichtet hatten, für die „Wiederherstellung und Wahrung des günstigen Erhaltungszustandes“ bedrohter Arten zu sorgen. Die Details regeln dann die europäische Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) beziehungsweise auf nationaler Ebene das Bundesnaturschutzgesetz.
Vom Verfahren ist das Ganze also nicht unkompliziert. Im November können die EU-Umweltminister:Innen nun bei der nächsten Sitzung des EU-Ministerrates einen entsprechenden Änderungsantrag zur Berner Konvention einbringen. Erklärtes Ziel: den Schutz für den Wolf lockern und ihre Zahl insgesamt reduzieren.
Keine Lösung durch weniger Wölfe
Ich bezweifle, dass sich dadurch die Zahl der Nutztierrisse reduzieren ließe. Untersuchungen zeigen, dass über 90 Prozent der Nutztierrisse reduziert werden können, wenn Weidetiere geschützt würden. Problematisch sind nur eine geringe Zahl an Wölfen, die schon einmal ein ungeschütztes Nutztier erfolgreich gerissen haben (das nennt man in der Fachsprache dann ‚food-conditioned‘ ). Diese Wölfe lassen sich von Zäunen, Hütehunden und andern Herdenschutzmaßnahmen dann nicht mehr so einfach abhalten. Hier gilt es anzusetzen. Die Maßnahmen reichen von Vergrämung bis hin zum Abschuss. Aber dafür braucht es keine Gesetzesänderungen. All das ist auf Basis der gegenwärtigen Gesetzeslage bereits möglich. Hierfür hat das Bundesumweltministerium innerhalb des bestehenden europäischen Rechtsrahmens eine Schnell-Abschussregelung eingeführt, die ein vereinfachtes Verfahren für solche Fälle ermöglicht. Allerdings gilt es hier einen Leitfaden mit den Bundesländern auszuarbeiten, damit zeitnaher und unbürokratischer in einem Konfliktfall gehandelt werden kann.
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Herdenschutz statt Abschuss
Ich halte es für naiv, dass durch eine Reduzierung der Wölfe auch der zeitaufwendige, mit Kosten verbundene Herdenschutz vernachlässigt werden könnte. So naiv sind aber auch die Agrarlobbyisten in Brüssel nicht. Ich befürchte vielmehr, dass die Causa Wolf nur ein erster Versuch ist, die Flora Fauna-Habitat-Richtlinie insgesamt zu schleifen. Nach den Attacken auf den Wolf werden Versuche auf Otter, Luchse, Greifvögel und anderen „unbequemen“ Wildtieren folgen. Deshalb gilt es den Anfängen zu wehren.
Mensch und Wolf: Koexistenz statt Populismus
Die Diskussion um den Wolf darf nicht dazu dienen, den Artenschutz zu untergraben. Bessere Entschädigungsregelungen und eine stärkere Nutzung von EU-Fördermitteln für den Herdenschutz sind der richtige Weg. Eine Legalisierung der Jagd auf Wölfe, wie der Europäische Gerichtshof kürzlich bestätigte, ist nicht vereinbar mit EU-Recht.
Koexistenz ist harte Arbeit – populistische Schnellschüsse bringen uns nicht weiter.
Kommentare (6)
hallo Frau Klenzendorf, populistische Debatten lassen auch mich erschaudern. Bitte deshalb mehr Sachlichkeit in der Einleitung.
Der Schutzstatus kann, wie Sie mutmaßlich wissen, nur bei einem "guten Erhaltungszustand" abgesekt werden. Nachdem wir in Deutschland mehr als ca. tausend erwachsene Wölfe haben (ca. derzeit 1800) ist dieser Zustand erreicht. Deshalb ist es geboten, den Schutzstatus abzusenken und ein sinnvolles Wolfsmanagement zu beginnen.
Hierbei ist insbesondere die Beweidungspflege von Kleinbiotopen/Trittsteinbiotopen zu berücksichtigen, welche nur mit kleinen Herden (meist Schafen) möglich ist. Hier könnte das aktive "Anlernen" von Wölfen an nicht beweideten Flächen mit Elektrozäunen zielführend sein. Wölfe, welche weiterhin die Zäune überwinden, müssen, juristisch einfach, entnommen werden können. Auch wäre eine zeitlich (z.B. 1-2 Wochen), räumlich (z.B. 500 m um Gehöfte und Weiden) und mengenmäßig (z.B. max. 1/3 des Bestandes) genau limitierte Jagd sinnvoll. Dadurch könnten wir den Wolf in Deutschland in einem guten Erhaltungszustand erhalten, ohne andere Arten (durch Nicht mehr Beweidung) zu schädigen, und eine hohe Akzeptanz sowohl in der Bevölkerung, als auch bei den Tierhaltenden erlangen.
Sehr geehrter Herr Pax,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Der letzte offizielle FFH-Bericht zum Erhaltungszustand stammt aus dem Jahr 2019. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Wolf nicht als in einem guten Erhaltungszustand bewertet. Der nächste Bericht wird 2025 veröffentlicht. Der WWF hatte gefordert, die Debatte um eine mögliche Änderung des FFH-Status bis dahin aufzuschieben, damit sie auf wissenschaftlichen Fakten und nicht auf Vermutungen basiert. Leider ist dies nicht geschehen.
Eine ausführliche Analyse der EU-Kommission vom 4. September 2024 ergab keine wissenschaftlichen Belege, die eine Änderung des Schutzstatus rechtfertigen würden. Im Gegenteil: Sie zeigt auf, dass der günstige Erhaltungszustand des Wolfes in sechs von sieben EU-biogeographischen Regionen noch nicht erreicht ist. Zudem liefert die Analyse keine Hinweise darauf, dass eine Herabsetzung des Schutzstatus zu einer Verbesserung der Lage im Nutztiersektor führen würde.
Unabhängig von einer Änderung der Berner Konvention oder der FFH-Richtlinie laufen bereits Maßnahmen, um auffällige Wölfe zu „entnehmen“. Die Umweltministerkonferenz vom Dezember 2023 beschloss ein beschleunigtes Verfahren zur Entnahme durch eine Änderung des sogenannten Praxisleitfadens Wolf, erarbeitet durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Dieser Leitfaden sieht sogar noch weitergehende Maßnahmen vor als Ihr Vorschlag: Ein Abschuss innerhalb von 14 Tagen im Umkreis von 1000 Metern um einen Riss, der durch das Überwinden sachgemäßen und zumutbaren Weidetierschutzes verursacht wurde.
Ihr Vorschlag zur Bestandsreduzierung ist jedoch nicht zielführend. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Bejagung des Wolfes nicht zu einer Verringerung der Risszahlen führt. Vielmehr können sich Konflikte verschärfen, wenn Landwirte auf Herdenschutzmaßnahmen verzichten.
Wir teilen die Einschätzung der Umweltministerkonferenz, dass die weitere Verbesserung der Herdenschutzberatung und -finanzierung der zentrale Hebel zur Konfliktlösung ist. Hierzu gehören unter anderem die Bereitstellung von EU-Mitteln (GAP) für den Herdenschutz, höhere Entschädigungen, die Förderung aller Herdenschutzmaßnahmen (einschließlich der Unterhaltung von Herdenschutzhunden) sowie eine Entbürokratisierung der Verfahren.
Beste Grüße!
Deutschland, Europa und die ganze Welt werden immer mehr zu einer Agrar- und Lobbydiktatur. Es werden ganz schlimme Zeiten auf unsere Natur und Mitgeschöpfe zukommen.
Der Wolf ist in seiner Art doch gar nicht gefährdet, aber die Nutztiere der Bauern. Das nimmt man in Kauf, gehören ja zur Agrarlobby. Der Wolf wird sich ohne Bejagung immer weiter ausbreiten. Das Bauernsterben geht weiter, aber keinen interessiert es.
Wölfe gehören zum Kreislauf der Natur. Da der Mensch sie in Dtl. fast ausgerottet hat, gehört es zu seiner Pflicht ihn streng zu schützen, damit sich in den Wäldern ein neues ökologisches Gleichgewicht (ohne unnötige Schießerei der Jäger) aufbauen kann.
Wölfe sind die natürlichen Jäger. Aus meiner Sicht läuft die Jobverteilung momentan verkehrt.
Ich unterschreibe den Ansatz in Wolf-sichere Umzäunungen zu investieren. Und bin zudem perplex, dass in der Zeit der ständig verbesserten technologischen Möglichkeiten bisher noch keine optimale Absicherung für die Schäfer und ihre Schafherden gewährleistet werden konnte.
Nachweislich ist die Natur dort, wo der Wolf leben darf, in einem ökologisch besseren Zustand, als dort, wo er ausgerottet worden ist. Warum können wir nicht wieder lernen, mit diesem wunderbaren Tier zu leben, z. B. indem wirksame Schutzzäune für Weidetiere verwendet werden, die der Wolf nicht so einfach überwinden kann? Wölfe können bis zu 2 Meter hohe Hindernisse überwinden. In der Zeitung lese ich oft, dass ein Wolfschutzzaun von 90 cm bei einem Übergriff übersprungen worden ist. Da hat sich der Wolf wohl kringelig gelacht.