Wie wir das Mas­sen­aus­ster­ben ver­hin­dern können

Können wir das Massenausterben aufhalten? CC0 Yucel Moran https://unsplash.com/photos/W-jVyeVGQjE

Mas­sen­aus­ster­ben, das hat­ten wir schon auf der Erde. Wir haben alle Bil­der im Kopf vom Ende der Dino­sau­ri­er. Ein Aste­ro­id rast auf die Erde zu, schlägt ein, schleu­dert Asche in die Luft, wirft das Kli­ma über den Hau­fen. Es kommt zur tota­len Umwäl­zung der Arten­viel­falt unse­rer Erde, zu einem wah­ren Mas­sen­aus­ster­ben. Mehr als drei Vier­tel der Tie­re und Pflan­zen ster­ben aus.

Das größ­te Arten­ster­ben seit den Dinosauriern

Und heu­te? Wir erle­ben gera­de das größ­te Arten­ster­ben seit dem Ende der Dino­sau­ri­er. Nur ist der Grund die­ses Mal kein Aste­ro­id, son­dern wir Men­schen. Eine Mil­li­on Tier- und Pflan­zen­ar­ten sind durch uns Men­schen bedroht. Min­des­tens 680 Wir­bel­tier-Arten haben wir in den letz­ten 500 Jah­ren ins Aus­ster­ben getrie­ben. Vie­le wei­te­re kön­nen in den nächs­ten Jahr­zehn­ten eben­falls verschwinden.

Drei Vier­tel der Lebens­räu­me an Land und zwei Drit­tel in den Mee­ren sind durch den Men­schen bereits mas­siv ver­än­dert wor­den. Städ­te haben sich seit 1992 in der Flä­che ver­dop­pelt. Die Plas­tik­ver­schmut­zung hat sich seit 1980 ver­zehn­facht. Dazu kommt der die Über­nut­zung der Natur durch uns Men­schen, sei es durch Über­fi­schung, Über­samm­lung oder Wil­de­rei. Und natür­lich die Mensch gemach­te Kli­ma­kri­se, die Tier­le­bens­räu­me welt­weit schrump­fen lässt, unter ande­rem die Ver­brei­tungs­ge­bie­te von fast der Hälf­te aller Land­säu­ge­tie­re und einem Vier­tel der bedroh­ten Vogelarten.

Die fünf gro­ßen Artensterben

Wissenschaftler*innen sind sich uneins, wenn es um die Defi­ni­ti­on von Mas­sen­aus­ster­ben geht. Arten ster­ben schließ­lich immer aus. 99 Pro­zent der geschätzt vier Mil­li­ar­den Arten, die es in den letz­ten 3,5 Mil­li­ar­den Jah­ren auf der Erde gab, sind heu­te nicht mehr hier. Es kom­men im Lau­fe der Evo­lu­ti­on aber immer wie­der neue Tier- und Pflan­zen­ar­ten hin­zu. Zum Bei­spiel wir moder­ne Men­schen vor etwa 200.000 Jahren.

Opfer eines Mas­sen­aus­ster­bens: Tyran­no­sau­rus Rex © iStock / Get­ty Images

Es gab in der Erd­ge­schich­te bereits fünf Mal Pha­sen, in denen viel mehr Arten aus­ge­stor­ben als neu ent­stan­den sind. Jeweils zwi­schen 75 und 96 Pro­zent aller leben­den Arten gin­gen ver­lo­ren. Die­se dras­ti­schen Ein­schnit­te in die Bio­di­ver­si­tät der Erde kamen aller­dings meist über lan­ge Zeit­räu­me. Sie dau­er­ten zwi­schen 160.000 und fast 30 Mil­lio­nen Jah­ren. Nur das berühm­te Ende der Dino­sau­ri­er könn­te auch kür­zer als ein Jahr gedau­ert haben.

Was Mas­sen­aus­ster­ben wis­sen­schaft­lich bedeutet

Ent­spre­chend die­ser ver­gan­ge­nen Arten­kri­sen sagen vie­le Wissenschaftler*innen also, ein Mas­sen­aus­ster­ben bedeu­tet, dass min­des­tens drei­vier­tel der Arten aus­ster­ben. Aktu­ell sind eine Mil­li­on von geschätzt acht Mil­lio­nen Arten bedroht, also ein Ach­tel. Wenn die Erd­er­hit­zung unge­bremst fort­schrei­tet, könn­te die­ser Anteil sich ver­dop­peln. Dann wäre also jede Vier­te Art bedroht. Und wenn die­se Tie­re und Pflan­zen dann wirk­lich alle aus­ster­ben, wäre “nur” jede vier­te Art ver­lo­ren. Wir bräuch­ten laut Defi­ni­ti­on noch einen drei Mal grö­ße­ren Effekt, um in einem Mas­sen­aus­ster­ben zu sein. Daher sagen vie­le auch, dass wir auf dem Weg zu einem Mas­sen­aus­ster­ben sind. Aber eben noch nicht darin.

Aber die­se wis­sen­schaft­li­che Defi­ni­ti­on spielt eher kei­ne Rol­len. Arten ster­ben aktu­ell 100- bis 1000-mal schnel­ler aus als ohne den Ein­fluss von uns Men­schen. So hät­ten die in den letz­ten 100 Jah­ren aus­ge­stor­be­nen Wir­bel­tier­ar­ten unter “nor­ma­len Umstän­den” 800 bis 10.000 Jah­re gebraucht, um zu ver­schwin­den. Und selbst wenn eine Art noch nicht aus­ge­stor­ben ist, so besteht sie doch oft aus immer weni­ge Indi­vi­du­en. 30 Pro­zent der unter­such­ten Wir­bel­tier­ar­ten gehen in Anzahl und Ver­brei­tungs­ge­biet zurück. Und die Bestän­de unter­such­ter Wir­bel­tier­ar­ten haben sich seit 1970 mehr als halbiert.

Wir brau­chen den trans­for­ma­ti­ven Wan­del, um das Mas­sen­aus­ster­ben zu verhindern

Man kann und darf es nicht ver­harm­lo­sen. Selbst wenn wir Men­schen nur ein Drit­tel so schlimm sind wie ein ein­schla­gen­der Aste­ro­id, ist das am Ende nur unwe­sent­lich weni­ger dra­ma­tisch für unse­re Umwelt und für uns selbst. Für mich hat es aber auch etwas Posi­ti­ves, dass wir noch nicht mit­ten im Mas­sen­aus­ster­ben sind. Noch müs­sen wir nicht wie Bruce Wil­lis in Arma­ged­don selbst­mör­de­risch auf den Aste­ro­iden flie­gen und ihn in die Luft jagen. Noch ist es nicht zu spät für uns, die Natur zu erhal­ten, wie­der­her­zu­stel­len und nach­hal­tig zu nut­zen. Laut dem Welt­bio­di­ver­si­täts­rat IPBES brau­chen wir dafür “trans­for­ma­ti­ven Wan­del” — die fun­da­men­ta­le, sys­tem-wei­te Neu­or­ga­ni­sa­ti­on unse­rer tech­no­lo­gi­schen, wirt­schaft­li­chen und sozia­len Welt. Was sind unse­re Zie­le? Was unse­re Wer­te? Und was kön­nen Lösun­gen sein? Dafür gehen aktu­ell Men­schen welt­weit auf die Stra­ße. Bei Fri­days for Future oder Extinc­tion Rebel­li­on. Sie machen deut­lich wie wich­tig die­se Fra­gen sind.

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Die Zie­le sind zumin­dest mir bei mei­ner Arbeit klar. Ich will Arten­viel­falt, will einen leben­di­gen Pla­ne­ten für mich und mei­ne Kin­der. Ich will nicht mit ihnen und ihren selbst gemal­ten Schil­dern auf der Demo zu ste­hen und mir Sor­gen um die Zukunft zu machen. Aber dafür brau­chen wir kon­kre­te Lösun­gen. Gegen das Aus­ster­ben von Tigern und Ele­fan­ten haben wir Plä­ne und Stra­te­gien beim WWF. Aber wir alle kön­nen etwas tun gegen das gro­ße Arten­ster­ben. Sich infor­mie­ren und dar­über spre­chen, in Freun­des­kreis und Fami­lie, ist ein guter Anfang. Sich orga­ni­sie­ren, demons­trie­ren ist ein guter nächs­ter Schritt um deut­lich zu machen, wie wich­tig uns Kli­ma­kri­se und Arten­ster­ben sind. Dass hier Regie­run­gen in Deutsch­land und welt­weit end­lich ent­schlos­sen vor­ge­hen müs­sen statt ver­ta­gen, ver­za­gen und ver­sa­gen.

Denn auf die gro­ßen Lini­en kommt es an, um wirk­lich wei­ter zu kom­men beim Kampf gegen Kli­ma­kri­se und Arten­ster­ben, für eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung für Mensch und Umwelt. Sich selbst zu hin­ter­fra­gen in den eige­nen Ent­schei­dun­gen und Hand­lun­gen ist da nur ein klei­ner Schritt. Hilft aber natür­lich auch wei­ter. Ob auf Rei­sen, beim Ein­kau­fen oder Zuhau­se. Damit wir es schaf­fen, gemein­sam das Mas­sen­aus­ster­ben noch abzuwenden…

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Ich bin Ökologe und leite den Fachbereich Artenschutz beim WWF Deutschland. Seitdem ich vor einiger Zeit mal für knapp ein Jahr in Kambodscha gelebt und gearbeitet habe, bin ich von der Region Südost-Asien, seinen Menschen und seiner Natur fasziniert. Inzwischen arbeite ich allgemeiner an den Herausforderungen, bedrohte Arten zu schützen und dabei Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung besser miteinander vereinbar zu machen. Meine Hauptarbeitsthemen sind Wilderei und der Handel mit illegalen Wildartenprodukten, vor allem Elfenbein und Nashornhorn. Gleichzeitig arbeite ich zum Schutz solcher bedrohter und ikonischer Arten wie den großen Menschenaffen, dem Eisbär, dem Großen Panda oder dem Sumatra-Nashorn.
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