Ein Leben für die Nashörner

Trotz massiver Wilderei wächst die Zahl der Nashörner in Afrika © Naturepl-com / Will Burrard Lucas /WWF

Heu­te leben wie­der 23,290 Nas­hör­ner in Afri­ka. Die jüngs­te Zäh­lung der Welt­na­tur­schutz­uni­on (IUCN) gibt Hoff­nung: erst­mals seit 10 Jah­ren sind die Bestän­de der Breit­maul­nas­hör­ner wie­der leicht am wach­sen. Und die vom Aus­ster­ben bedroh­ten Spitz­maul­nas­hör­ner ver­zeich­nen einen seit Jah­ren anhal­ten­den, posi­ti­ven Wachstumstrend.

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Das ist auch dem WWF zu ver­dan­ken. Denn trotz fort­lau­fen­der Schutz­maß­nah­men sind Afri­kas Nas­hör­ner wei­ter mas­siv von Wil­de­rei bedroht. Die Nas­horn­be­stän­de müs­sen daher aktiv auf­ge­baut wer­den. Und das tut der WWF Süd­afri­ka sehr erfolg­reich, voll allem Dank eines Manns: Jac­ques Fla­mand setzt sich beim WWF seit zwan­zig Jah­ren für das Über­le­ben der fas­zi­nie­ren­den Dick­häu­ter ein.

Jac­ques Fla­mand bei der Aus­wil­de­rung eines Nas­horns © WWF / Green Renaissance

Seit der Grün­dung im Jahr 2003 lei­tet Tier­arzt Dr. Jac­ques Fla­mand das Pro­jekt zur Aus­wei­tung des Ver­brei­tungs­ge­biets von Spitz­maul­nas­hör­nern (BRREP). Das Pro­jekt ver­sucht neue Lebens­räu­me zu erschlie­ßen, in denen die vom Aus­ster­ben bedroh­ten Säu­ge­tie­re gedei­hen und sich ver­meh­ren kön­nen. Anläss­lich des 20-jäh­ri­gen Bestehens blickt Jac­ques Fla­mand auf sei­ne Kar­rie­re zurück.

War­um Wildtiere?

Als Kind wuchs ich in Süd­afri­ka auf und träum­te immer davon, Ent­de­cker oder Wild­hü­ter zu wer­den. Mein Vater riet mir damals: „Such dir einen Beruf, in dem du das tun kannst, was dir gefällt.“ Also beschloss ich, Tier­arzt zu wer­den und mach­te mei­nen Abschluss in Tier­me­di­zin an der Uni­ver­si­tät Cam­bridge. Die lan­gen Som­mer­fe­ri­en habe ich glück­li­cher­wei­se in Kenia und Ugan­da ver­brin­gen dür­fen, wo ich die Arbeit mit Tie­ren ken­nen­lern­te, die ich heu­te noch ausübe.

Was ich an mei­nem Beruf liebe

Das Leben als Wild­tier­arzt wird nie lang­wei­lig. Im Natur­schutz habe ich mit den ver­schie­dens­ten Arten der Welt zu tun. Unzäh­li­ge Male muss­te ich neue Wege gehen: Sei es, um neue Medi­ka­men­te an wil­den Nas­hör­nern zu tes­ten. Oder um Luft­trans­port­tech­ni­ken in den Natur­schutz zu brin­gen. Wie bringt man 17 Spitz­maul­nas­hör­ner in ein ein­zi­ges Fracht­flug­zeug? Span­nend! Sol­che Prak­ti­ken waren damals revo­lu­tio­när, heu­te wer­den sie zuneh­mend zur Routine.

Tie­ri­sche Fracht: Ein Nas­horn wird für die Umsied­lung in den Liwon­de-Natio­nal­park ent­la­den © Kyle de Nob­re­ga / Afri­can Parks

Natür­lich pas­siert nichts davon im Allein­gang. Ich arbei­te immer im Team und habe in den ver­gan­ge­nen Jah­ren enge Freund­schaf­ten geknüpft. Außer­dem den­ke ich ein­fach ger­ne, dass ich mei­nen ganz per­sön­li­chen Teil zum Arten­schutz bei­getra­gen habe – ein Ver­mächt­nis, das wei­ter­le­ben wird.

Wie alles begann

Im Jahr 1975 nahm ich mei­ne Arbeit als ein­zi­ger Feld­tier­arzt im Kru­ger Natio­nal­park auf. In den 14 Jah­ren dort küm­mer­te ich mich um das Ein­fan­gen und Umsie­deln von Nashörnern.

Mei­ne Kar­rie­re führ­te mich dann nach Sau­di-Ara­bi­en, wo ich einen Ein­satz gegen den Tuber­ku­lo­se-Aus­bruch bei der sel­te­nen Ara­bi­schen Oryx-Anti­lo­pe lei­te­te. 1998 bat mich die Zoo­lo­gi­cal Socie­ty of Lon­don, ein Vete­ri­när­pro­gramm im Chit­wan-Natio­nal­park in Nepal zu star­ten, um sowohl den Umgang mit Wild­tie­ren als auch die Gesund­heit des Vieh­be­stands außer­halb des Parks zu verbessern.

Alles im Blick: Nas­horn­frei­las­sung in der süd­afri­ka­ni­schen Pro­vinz Ost­kap © Micky Wis­we­del / WWF Südafrika

Nach vier Jah­ren in Nepal kehr­te ich schließ­lich nach Süd­afri­ka zurück, um mich am Pro­jekt zur Aus­wei­tung des Ver­brei­tungs­ge­biets von Spitz­maul­nas­hör­nern zu betei­li­gen. Das BRREP soll­te ursprüng­lich nur drei Jah­re dau­en. Aber dank der Unter­stüt­zung unse­rer Partner:innen und Spender:innen sind wir auch nach 20 Jah­ren noch aktiv!

War­um das Pro­jekt so wich­tig ist

Der Start­schuss für das BRREP lie­fer­te die Besorg­nis erre­gen­de Wachs­tums­ra­te der vom Aus­ster­ben bedroh­ten Spitz­maul­nas­hör­ner in Süd­afri­ka. Einer der Grün­de dafür war, dass den Tie­ren ein­fach der Lebens­raum ausging.

Haben Nas­hör­ner genü­gend Platz zum Umher­strei­fen und Aus­brei­ten, ver­bes­sert sich auch ihre Repro­duk­ti­ons­ra­te und der Bestand wächst. Indem wir Nas­hör­ner umsie­deln, ent­las­ten wir das Reser­vat, aus dem sie stam­men, was wie­der­um die Fort­pflan­zung anregt.

Nas­hör­ner brau­chen genü­gend  Lebens­raum, damit sich die Popu­la­ti­on fortfplanzt © Naturepl-com / Richard Du Toit / WWF

Um eine über­le­bens­fä­hi­ge neue Popu­la­ti­on von Spitz­maul­nas­hör­nern zu eta­blie­ren brau­chen wir etwa 1.000 Hekt­ar geeig­ne­tes Habi­tat für die Tie­re. Die Suche nach geeig­ne­ten Stand­or­ten ist die Grund­la­ge unse­rer Arbeit – leich­ter gesagt als getan.

Schwie­ri­ge Standortsuche

Zu Pro­jekt­be­ginn gab es kein Geld, um gro­ße Land­stri­che zu kau­fen. Wir muss­ten also geeig­ne­te Orte fin­den und Part­ner­schaf­ten mit Landbesitzer:innen auf­bau­en, die ihr Land dem Schutz von Spitz­maul­nas­hör­nern wid­men woll­ten. Vie­le Stand­or­te waren zu klein, also ver­han­del­ten wir mit den Nach­barn dar­über, Zäu­ne abzubauen.

Der Abbau von Zäu­nen, Rin­der­far­men und ande­ren land­wirt­schaft­li­chen Nut­zun­gen war ein gro­ßer Gewinn, nicht nur für die Spitz­maul­nas­hör­ner, son­dern auch für ande­re Arten. Vor allem Wild­hun­de, Ele­fan­ten, Löwen und Gei­er haben von der Ein­rich­tung grö­ße­rer Lebens­räu­me profitiert.

Über­prü­fung der Vital­funk­tio­nen: Ein Nas­horn vor dem Auf­wa­chen im neu­en Zuhau­se © Micky Wis­we­del / WWF Südafrika

Die Her­aus­for­de­run­gen blei­ben aber bestehen. Mitt­ler­wei­le ist es sehr schwie­rig, aus­rei­chend gro­ße und geeig­ne­te Stand­or­te zu fin­den. Für Landbesitzer:innen wird es immer teu­rer, Nas­hör­ner zu schüt­zen, da hier­bei erheb­li­che Sicher­heits­kos­ten anfal­len – etwa für Zaun­war­tung, Sicher­heits­per­so­nal, Fahr­zeu­ge, Wildhüter:innen. Den­noch haben wir für die Zukunft eini­ge ehr­gei­zi­ge Plä­ne, dar­un­ter wei­te­re grenz­über­schrei­ten­de Umsied­lun­gen. Denn die Nas­hör­ner sind auf uns angewiesen.

Das wer­de ich nie vergessen

Noch lan­ge bevor Heli­ko­pter zum Ein­satz kamen, muss­ten Spitz­maul­nas­hör­ner für die Umsied­lung zunächst aus nächs­ter Nähe betäubt wer­den. Das konn­te ziem­lich gefähr­lich wer­den. Ich erin­ne­re mich, wie ich mich mei­nem ers­ten Nas­horn zu Fuß näher­te und hoff­te, dass das Tier mei­nen Herz­schlag nicht hören konn­te. Ich klet­ter­te auf einen Baum, um eine Wun­de im Gesicht des Tiers bes­ser sehen zu kön­nen. Aber der Baum, den ich gewählt hat­te, war so dünn – kaum dicker als mein Arm – und ich befand mich nur etwa ein­ein­halb Meter über dem Boden. Das Nas­horn beschloss, direkt auf mich zuzu­ge­hen und fing an, an mei­nem Fuß zu schnüf­feln. Ich konn­te nicht mehr tun, als mich krampf­haft an den Baum zu klam­mern. Unnö­tig zu erwäh­nen, dass ich direkt auf das Nas­horn gefal­len wäre, wenn es mit dem Kopf gegen den Baum geschla­gen hätte.

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Erfol­ge aus 20 Jahren

Seit der Umsied­lung der ers­ten Spitz­maul­nas­hör­ner im Jahr 2004 haben wir in Süd­afri­ka und Mala­wi 15 neue Popu­la­tio­nen auf­ge­baut. Der Umzug nach Mala­wi im Jahr 2019, an dem 17 Spitz­maul­nas­hör­ner betei­ligt waren, war für uns ein enor­mer Erfolg.

Im Lau­fe der Jah­re haben wir ins­ge­samt 230 Nas­hör­ner umge­sie­delt und mehr als 200 Käl­ber kamen auf BRREP-Stand­or­ten zur Welt. Einen wei­te­ren Erfolg fei­er­ten wir 2017, als wir zum ers­ten Mal aus­ge­wach­se­ne Tie­re umsie­del­ten, die im Pro­jekt­ge­biet gebo­ren wur­den. Damit hat sich der Kreis geschlossen.

Unse­re Stand­or­te machen inzwi­schen über 15 Pro­zent der Spitz­maul­nas­horn-Popu­la­ti­on Süd­afri­kas aus. Mit dem Pro­jekt konn­ten wir neue Lebens­räu­me, auch für ande­re Arten schaf­fen. Zudem sind eini­ge Gebie­te mitt­ler­wei­le als for­mel­le Schutz­ge­bie­te aner­kannt und blei­ben offi­zi­ell geschützt, egal wem das Land in Zukunft gehört.

Unbeugsamer Idealist und mit der Kamera auf unserem schönen Planeten unterwegs. Beim WWF schreibe ich fürs Blog und tobe mich in den Sozialen Netzwerken aus.
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