Ver­ant­wor­tung in Zei­ten der Corona-Pandemie

Wo fängt Verantwortung an und wo endet sie? © kieferpix / iStock/GettyImages

Mich hat Coro­na eis­kalt erwischt im Job und pri­vat. Ich bin ver­schie­de­ne Pha­sen durch­lau­fen: Ich habe es igno­riert, ich habe es run­ter­ge­re­det, ich bin nach­denk­lich gewor­den, ich war ver­un­si­chert, ich habe es akzep­tiert, ich habe ana­ly­siert, ers­te Ver­än­de­run­gen vor­ge­nom­men, Ent­schei­dun­gen getrof­fen und so lang­sam habe ich das Gefühl, wie­der aus die­ser Art Par­al­lel­welt im Hier und Jetzt ange­kom­men zu sein. Wäh­rend die­ser gan­ze Wahn­sinn sein vol­les Poten­zi­al ent­fal­te­te, habe ich mir immer wie­der die Fra­ge gestellt: Wo fängt mei­ne per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung eigent­lich an und wo endet sie? 

Coro­na-Not­spen­de: Hil­fe­ru­fe aus der gan­zen Welt

Als Lei­te­rin der WWF-EDE­KA-Part­ner­schaft ent­wick­le ich zusam­men mit mei­nem Team und vie­len ande­ren Betei­lig­ten Lösungs­an­sät­ze, um Natur- und Umwelt­schutz in glo­ba­le Lie­fer­ket­ten unse­rer Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on zu inte­grie­ren. Wäh­rend der letz­ten Wochen habe ich mich gefragt, wie lan­ge ich es ver­ant­wor­ten kann, Mitarbeiter:innen ins Büro zu schi­cken. Oder unse­re Part­ner und Dienst­leis­ter welt­weit ihre Arbeit auf Plan­ta­gen auf­recht hal­ten zu las­sen. Ich habe mich dabei auch mit ande­ren dar­über gestrit­ten, was der­zeit über­haupt noch not­wen­dig wäre. Dabei ist mir auf­ge­fal­len, dass all dies grund­sätz­li­che Fra­gen sind, die mich bereits seit Jah­ren begleiten.

Unser Han­deln hat Auswirkungen

Immer wie­der ste­hen wir ja dabei vor der Fra­ge, was und wie viel wir ver­än­dern kön­nen, ohne dabei bei­spiels­wei­se die Gesund­heit zu gefähr­den oder die Leu­te zu über­for­dern. Ein kon­kre­tes Bei­spiel: Wenn wir auf bestimm­te gif­ti­ge Pes­ti­zi­de im Obst­an­bau, bei­spiels­wei­se bei Bana­nen, ver­zich­ten, hat das Fol­gen. Denn gleich­zei­tig kann so auch die Gefahr für die Arbeiter:innen stei­gen, von Schlan­gen oder ande­ren Tie­ren gebis­sen zu werden.

Wir müs­sen ver­ant­wort­lich Han­deln, ohne einen unmit­tel­ba­ren Vor­teil dar­aus zu zie­hen. © Denis Ünver / WWF

Hier stellt sich immer die Fra­ge: Wo fängt Ver­ant­wor­tung an, wo endet sie und wel­che Wech­sel­wir­kun­gen exis­tie­ren? Wir müs­sen nach Lösun­gen suchen, Vor- und Nach­tei­le sehr gut abwä­gen. Im Begriff der Ver­ant­wor­tung ver­steckt sich das Wort “ant­wort”. Wol­len wir Ver­ant­wor­tung über­neh­men, geht es immer dar­um, dass wir Ant­wor­ten fin­den auf (gesell­schaft­li­che) Her­aus­for­de­run­gen und Fragen. 

Coro­na: neue gesell­schaft­li­che Herausforderungen

Coro­na ist genau das: Eine abrup­te, neue glo­ba­le gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­rung und wir sind auf der Suche nach den rich­ti­gen Ant­wor­ten. Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men bedeu­tet, dass wir über etwas ent­schei­den, das zukunfts­ge­rich­tet ist und somit unge­wiss und abs­trakt. Durch die aktu­el­len Aus­wir­kun­gen der Coro­na-Pan­de­mie sind wir zudem gezwun­gen, unse­re gewohn­te Lebens­wei­se zu ver­än­dern. Wir müs­sen uns ein­schrän­ken, um ande­re zu schüt­zen. Das gilt für unse­re unmit­tel­ba­ren Mit­men­schen, aber auch für alle die­je­ni­gen, die wir nicht kennen.

Ver­ant­wor­tung über­neh­men: Durch die Coro­na-Kri­se müs­sen wir mit­un­ter auch neue Wege gehen. © Ahmed Bsr / iStock/Getty Images

Ver­ant­wor­tung stützt sich immer auf das Vor­sor­ge­prin­zip – han­deln, bevor das Kind in den Brun­nen gefal­len ist. Es bedeu­tet auch, für­sorg­lich zu agie­ren, vor­aus­schau­end mit der Sor­ge um etwas, was nicht mit einem direk­ten Vor­teil für sich selbst einhergeht.

Coro­na-Not­spen­de: Hil­fe­ru­fe aus der gan­zen Welt

 

Ver­ant­wor­tung erfor­dert selbst­lo­ses Handeln

Wenn ich nun also daheim blei­be und mei­ne sozia­len Kon­tak­te redu­zie­re, kann ich nicht erwar­ten, dass sich in einem hal­ben Jahr 20 Per­so­nen bei mir mel­den und sagen: Dan­ke, dass du mich nicht infi­ziert hast. Das Wesen der Ver­ant­wor­tung erfor­dert, dass man zum einen manch­mal ganz schön um die Ecke den­ken muss und zum ande­ren im ers­ten Schritt ver­meint­lich selbst­los han­delt, ohne einen unmit­tel­ba­ren Vor­teil dar­aus zu ziehen.

Coro­na: Wel­che Lek­ti­on ler­nen wir?

Die Aus­wir­kun­gen rund um das Coro­na-Virus stim­men mich trau­rig. Gleich­zei­tig erwacht inzwi­schen ein wenig Hoff­nung, dass wir etwas ler­nen: näm­lich was es bedeu­tet, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und für die poten­zi­el­len Fol­gen unse­res eige­nen Han­delns einzustehen.

Kli­ma­kri­se und sozia­le Ungerechtigkeit

Soll­te das so sein, könn­ten wir gro­ße Fort­schrit­te machen. Es gibt schon die nächs­ten drän­gen­den gro­ßen Auf­ga­ben unse­rer Zeit: die glo­ba­le sozia­le Unge­rech­tig­keit, die zuneh­men­den Erd­er­hit­zung, unser ste­tig stei­gen­der öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck.

Jeder von uns trägt Verantwortung

Wenn wir doch nur ler­nen wür­den, dass wir alle mit­ein­an­der ver­netzt sind und unser Han­deln dem­nach immer Kon­se­quen­zen hat. Und dass jeder ein­zel­ne von uns zählt, jeder von uns einen Unter­schied macht – dann habe ich Hoff­nung, dass wir das doch noch hin­be­kom­men, zusam­men inner­halb der pla­ne­ta­ren Gren­zen zu leben, mit­ein­an­der in einer leben­di­gen Natur. 

Was mich motiviert und interessiert? – Verstehen und Verändern. Als Leiterin der EDEKA und WWF Partnerschaft kann ich mich diesbzgl. jeden Tag austoben. Und immer wieder nach neuen Lösungen suchen, die es ermöglichen den oft existierenden Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie zu meistern. Als promovierte Umweltökonomin schaue ich mir gerne Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven an und suche möglichst nach einem systemisch tragbaren Ansatz. - Marina hat den WWF inzwischen verlassen -
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