Riesige Vogelschwärme am Himmel, lautes Geschnatter und Gepiepe aus tausenden Schnäbeln: Das Wattenmeer wimmelt eigentlich immer von Vögeln.
Zu den Höhepunkten des Vogelzugs im Frühjahr und im Herbst sind es besonders viele. Das nahrungsreiche Watt wird zum Rastplatz für rund zehn Millionen Wat- und Wasservögel zwischen ihren Winterquartieren im Süden und den Brutgebieten in der Arktis.
Knutt — Tanken für den Langstreckenflug
Einer, der sich bei uns so viel Fett anfrisst, dass er sein Körpergewicht fast verdoppelt, ist der Knutt. Dabei ist das ohnehin ein recht plumper Watvogel. Man glaubt kaum, welche Strecken er zurücklegt: Wenn er im Mai aus Westafrika bei uns ankommt, hat er knapp 5000 Kilometer Non-Stopp-Flug hinter sich. Er bleibt etwa vier Wochen. Dann geht es Richtung Sibirien zum Brüten, wieder bis zu 5000 Kilometer, ohne Pause und Nahrung. Dort ist die Arktis möglicherweise noch schneebedeckt und er muss weiter aushalten, bevor es etwas zu Fressen gibt. Gut, dass er bei uns mit vielen kleinen Muscheln vorher ordentlich auftanken kann!
Kommen und Gehen: Im Wattenmeer ist immer Vogelzug
Während die Knutts aus Westafrika noch bei uns ankommen, fliegen die Knutts, die in Europa überwintert haben, schon wieder weiter. In ihrem Fall aber Richtung Grönland! Und die Alpenstrandläufer ziehen, je nachdem in welchem Teil der Arktis sie brüten, von Anfang bis Ende Mai in Richtung Norden: Die verschiedenen Arten und Populationen der Zugvögel sind zu unterschiedlichen Zeiten bei uns.
Die meisten stoppen auch nicht nur kurz, sondern bleiben länger. Im Frühjahr beginnt die besonders vogelreiche Zeit im März, der Höhepunkt liegt im Mai. Der Herbstzug startet schon im Juni, die meisten Zugvögel beobachten wir dann im September und Oktober. Die Wat- und Wasservögel nutzen den Aufenthalt im Wattenmeer neben der intensiven Nahrungsaufnahme oft auch zum Federwechsel.
Küstenseeschwalbe — Der weiteste Zugweg der Welt
Nicht alle Wattenmeervögel fliegen weiter in die Arktis. Manche Zugvögel, die im Frühjahr aus dem Süden kommen, bleiben zum Brüten hier und fliegen dann wieder zurück. Dazu gehört die Küstenseeschwalbe. Sie ist nicht schnell, aber ausdauernd! Küstenseeschwalben sind die Tiere mit den längsten bekannten Zugwegen der Welt. Die im Wattenmeer brütenden Küstenseeschwalben legen im Jahr um die 90.000 Kilometer zurück – die afrikanische Küste entlang, teils auch nach Südamerika und bis in die Antarktis.
Wie orientieren sich Zugvögel?
Vögel navigieren mithilfe des Magnetfeldes der Erde und der Stellung der Sonne und der Sterne. Zusätzlich erinnern sich Zugvögel an die Region, in der sie aufgewachsen sind oder wo sie schon einmal gerastet haben und tragen sie wie eine innere Landkarte mit sich. Landmarken wie Flüsse, Gebirgszüge und Küstenlinien helfen dabei. Viele Arten sind so in der Lage, zum Beispiel im Wattenmeer immer wieder die gleiche Insel zum Rasten oder im Brutgebiet das gleiche Revier und manchmal sogar den gleichen Nestplatz zu finden.
Warum ist das Wattenmeer so wichtig für Zugvögel?
Das Wattenmeer entlang der Nordseeküste Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande ist eine der vogelreichsten Regionen der Welt und ein riesiges Feuchtgebiet.
Das macht es zur Drehscheibe für ziehende Wat- und Wasservögel auf ihrem sogenannten ostatlantischen Zugweg: Von Südafrika über das Wattenmeer bis nach Grönland oder zur nordsibirischen Taimyr-Halbinsel.
Das Einzugsgebiet, aus dem die Vögel zu uns kommen, umfasst die halbe Arktis – noch eine Besonderheit des Wattenmeeres!
Formationsflug der Wildgänse
Die Vogelwelt im Wattenmeer ist beeindruckend. Aber massenhaft Formationsflüge wie die von Kranichen darf man sich hier nicht vorstellen. Die meisten Vögel fliegen in eher kleinen Schwärmen, oft auch hoch jenseits der Sichtbarkeit. Am auffälligsten sind die Formationen von ziehenden Wildgänsen, etwa den Ringelgänsen. Das sieht dann wirklich aus wie eine V- oder 1‑Formation aus dem Bilderbuch.
Warum fliegen viele Zugvögel in Formation?
Dieses Zugverhalten hat einen einfachen Grund: Es spart Kraft. Die hinteren Vögel fliegen im Windschatten und können auf den Luftverwirbelungen gleiten, die das Flügelschlagen der vorderen Vögel erzeugt. Wenn die anführenden Vögel nicht mehr können, lassen sie sich zurückfallen und die nächsten rücken auf.
Wie bedroht sind Zugvögel?
Zug ist für sehr viele Vögel notwendig, aber immer auch mit Gefahren verbunden. Viele davon sind menschgemacht: Künstliche Hindernisse wie Stromleitungen oder Hochhäuser bedrohen die wandernden Vögel auf ihrem Weg – und sogar der Abschuss oder Fang mit Netzen! Außerdem lässt die konventionelle Landwirtschaft immer weniger geeignete Brutplätze und Nahrung für die Vögel übrig. Umso wichtiger und ein großer Erfolg für die Natur, dass der äußerst wertvolle Lebensraum hier im Wattenmeer fast vollständig als Nationalpark geschützt ist!
Welche Folgen hat der Klimawandel für Wattenmeervögel?
Das werde ich oft gefragt. Im Zuge des Klimawandels drohen dramatische Folgen auch für die Vogelwelt des Wattenmeeres. Durch den beschleunigten Meeresspiegelanstieg könnten Wattflächen und Salzwiesen im Wattenmeer dauerhaft überflutet werden und für die Vögel verloren gehen. Und viele arktische Tundragebiete, in denen die Vögel brüten, drohen ebenso verloren zu gehen wie Feuchtgebiete im Süden, in denen sie überwintern.
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Zugvögel beobachten
Eine Übersicht über zwei größere Veranstaltungen gibt es hier: www.wwf.de/watt/events.
Die Ringelganstage im Mai auf den schleswig-holsteinischen Halligen müssen allerdings in diesem Jahr wegen der Corona-Krise leider ausfallen. Hoffen wir das Beste für uns alle – und damit auch, dass die Zugvogeltage im Herbst im Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer wieder stattfinden können. Denn der Mensch braucht die Natur. Und sie ist nicht nur für die Vögel, sondern für unser aller Gesundheit von maßgeblicher Bedeutung.
Kommentare (1)
Wir müssen uns für die Umwelt und die Tiere einsetzen.