Wald­ster­ben 2.0? Geschockt im Gespensterwald

So darf der Wald im Spätsommer nicht aussehen! © Von Laer / WWF

Mein Leben dreht sich qua­si 7 Tage die Woche um den Wald. Unter der Woche arbei­te ich für den WWF zu inter­na­tio­na­len Wald­the­men. Am Wochen­en­de bin ich prak­ti­sche Förs­te­rin im hei­mi­schen Meck­len­bur­ger Wald. Und ganz ehr­lich: Das zurück­lie­gen­de Wochen­en­de hat mich zutiefst erschüt­tert! Ich habe den Wald ster­ben sehen.

Ster­ben im Wald jetzt auch die Buchen?

Ich bin durch einen abster­ben­den 170 jäh­ri­gen Buchen­wald gewan­dert. Unmen­gen teil­wei­se noch grü­ner Blät­ter am Boden. Es sah nicht nach Spät­som­mer, son­dern nach tiefs­tem Herbst aus. Nicht nur die alten Buchen, auch jun­ge und mit­tel­al­te Bäu­me las­sen durch den anhal­ten­den Tro­cken­stress ihre Blät­ter fal­len. Ist die Buche nun nach Ulme, Esche, Fich­te, Kas­ta­nie die nächs­te Baum­art, die flä­chen­mä­ßig aus­fal­len wird?

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Auch in einem angren­zen­den Natur­schutz­ge­biet, wo seit über 30 Jah­ren nichts forst­lich gemacht wur­de, schaut es nicht anders aus. Selbst im Natur­schutz­ge­biet am See sind die Buchen braun.

Selbst am See sind die Buchen braun © Von Laer / WWF

Inter­na­tio­nal glaub­wür­dig — aber Wald­ster­ben vor der eige­nen Haustür?

Mir stellt sich nun die drin­gen­de Fra­ge: Wie kön­nen wir inter­na­tio­nal glaub­wür­dig auf­tre­ten, für einen Stopp von Ent­wal­dung und uns für eine nach­hal­ti­ge Wald­be­wirt­schaf­tung ein­set­zen, wenn uns der eige­ne Wald unter den Hän­den weg­stirbt? Wir wer­ben dafür, dass man dem Tro­pen-Wald sei­nen rich­ti­gen mone­tä­ren Wert bei­misst, die soge­nann­te Inwert­set­zung von Öko­sys­tem­dienst­leis­tun­gen (Kli­ma, Bio­di­ver­si­tät, Was­ser­spei­cher, Erho­lung etc). Nur so kann man mit ande­ren Land­nut­zungs­for­men wie der Wald­um­wand­lung zu Soja in Bra­si­li­en und zu Palm­öl in Indo­ne­si­en kon­kur­rie­ren. Wir müs­sen aber mit gutem Bei­spiel vorangehen!

Wald heißt mehr als Holz!

Noch habe ich mehr Fra­gen als Ant­wor­ten. Aber sicher ist: Unser Wald ist bei wei­tem mehr als ein Holz­la­ger. Ich möch­te hier nicht den Wert von Holz schmä­lern. Natür­lich wün­sche ich mir auch, dass wir unse­ren Holz­be­darf aus den Wäl­dern vor der Tür decken kön­nen, statt auf teil­wei­se dubio­sen Import aus dem Aus­land ange­wie­sen zu sein, der zudem mit einem hohen CO2-Fuss­ab­druck einhergeht.

Aber auch unser Wald

  • schützt das Kli­ma, durch den in der Wald­bio­mas­se gespei­cher­ten Kohlenstoff;
  • ist Lebens­raum von zwei Drit­teln aller Pflan­zen- und Tierarten;
  • ist Was­ser­spei­cher und Pro­du­zent von Sauerstoff.

Um den Wald in Deutsch­land unter unge­wis­sen Fol­gen des Kli­ma­wan­dels schüt­zen zu kön­nen, darf sich die Bewirt­schaf­tung nicht aus­schließ­lich auf die rei­ne Holz­wirt­schaft beschrän­ken. Wir müs­sen hin zu einem natur­na­hen Wald­ma­nage­ment, indem nicht nur finan­zi­el­le Anrei­ze über den Ver­kauf von Holz gesetzt wer­den!

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Als Forstwissenschaftlerin arbeite ich beim WWF an internationalen Wald-und Klimaschutzprojekten. Der Erhalt der Wälder liegt mir besonders am Herzen. Als artenreichster Lebensraum beherbergt er nicht nur zwei Drittel aller Tier-und Pflanzenarten und ist von entscheidender Bedeutung für das Klima – auch bildet er die Lebensgrundlage für weltweit ca. 1,6 Milliarden Menschen. Solange jedoch dem Wald nicht sein „wirklicher“ Wert beigemessen wird, ist er auch weiterhin Opfer von Raubbau und Entwaldung.

Kommentare (6)

  • Wir brauchen den Wald in Deutschland weiterhin auch als Rohstofflieferant. Holz ist der nachhaltigste Baustoff, in Möbeln und Balken wird CO2 gebunden. Dazu kommt, dass ein (naturnah) bewirtschafteter Wald nachweislich auch eine höhere Biodiversität aufweist als ein aus der Nutzung genommener.

    Trotzdem ist jetzt af jeden Fall auch die Zeit gekommen Ökosystemleistungen in Wert zu setzen. Nur so werden die richtigen Anreize für einen zügigen Waldumbau gesetzt. Nur wenn mit einem naturnahen Wald auch zukünftig ein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden kann, wird der Kleinprivatwald in die Richtung gehen.

    • Hallo!
      Unbedingt brauchen wir den Wald als Holzlieferant, insbesondere für eine Kaskadennutzung. So kann man dafür sorgen, dass Kohlenstoff möglichst lange gespeichert bleibt, statt das Holz direkt aus dem Wald im Kamin zu verbrennen. Beispiel Kaskadennutzung: vom Möbelstück zur Spanplatte hin zum Verbrennung für Energieerzeugung.
      Darüber hinaus muss die Politik die ökosystemaren Dienstleistungen finanziell in Wert setzen, ich stimme mit Ihnen völlig überein. Wir brauchen eine korrekte Zuordnung mit entsprechender Entlohnung von Bereitstellung öffentlicher Güter (Klima, Biodiversität, Sauerstoff, Wasserspeicher). Genauso brauchen wir auch eine korrekte Kostenzuordnung; so erschließt sich mir nicht, dass man für einen nachhaltig bewirtschafteten Wald Abgaben für Wasser zahlen soll, obwohl der Wald zum Gleichgewicht des Wasserhaushaltes beiträgt. Hier subventioniert der Wald schon seit langem die Landwirtschaft als eigentlichen Nutzer quer.

    • Noch so "naturnah" bewirtschaftete Forste weisen in der Regel deutlich weniger Arten auf, als vom Menschen unbeeinflusste Wälder.
      Warum das so ist, ist in den meisten Fällen auch recht einfach nachzuvollziehen: Natürliche Wälder weisen (je nach Störungsregime) in bestimmten Phasen ihrer Existenz ein um ein vielfaches höheres Alter auf, als gemanagte Bestände. Dort kommt es natürlich nie zu einer für die Artenvielfalt sehr wichtigen Zerfallsphasen bzw. zum Zusammenbruch.

      Außerdem erreichen bewirtschaftete Wälder nicht einmal ansatzweise dieselben Totholzmengen und dabei fehlen ganz besonders die starken Laubholzklassen und stehendes Totholz. Den Wert dieser Strukturen lässt sich aber schon allein daran erkennen: Gut 1/5 der Käfer in Deutschland sind an das Vorkommen von Totholz gebunden, von diesen sind aber deutlich über 50% stark bedroht und stehen auf der Roten Liste.
      http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Magazin-1-2014-Buchenwaelder.pdf

      Bei den Ökosystemleistungen sollte auch miteinbezogen werden, dass alte Wälder mehr Kohlenstoff speichern (Höhere Vorräte, höhere Zuwächse und höher Humusanreicherung).
      https://idw-online.de/de/news569383

      • Unbeeinflusste Wälder weisen tatsächlich die höchste Menge an gespeichertem Kohlenstoff in der Waldbiomasse auf, die höchste Artenvielfalt. Deswegen setzt der WWF sich auch dafür ein, dass Entwaldung und Degradierung weltweit gestoppt wird. Ein schwieriges Unterfangen bei dem weltweiten Hunger nach Fleisch (Hauptentwaldungstreiber) und Palmöl (in jedem zweiten Produkt, welches man im Supermarkt kaufen kann).
        Wirklich unberührte Wälder – wie wir sie beispielsweise in den Tropen vorfinden - gibt es in der deutschen Kulturlandschaft nicht wirklich mehr. Unsere Wälder werden schon seit langer Zeit von Menschenhand gestaltet. Auf jeden Fall beziehe ich bei der Forderung nach der Inwertsetzung der ökosystemaren Dienstleistungen auch eine mögliche Erhöhung von Totholz und Umtriebeszeiten mit ein.

  • Das Thema ist wichtig, der Beitrag erscheint mir aber leider z.t. recht oberflächlich.
    Die beschriebenen Beobachtungen sind nur dann richtig zu beurteilen, wenn man Informationen über andere Faktoren hätte (Z.B. Standort, vorherige Nutzungen).

    Manche Naturschutzgebiete wurde vor ihrer Unterschutzstellung recht massiv durchforstet bzw. sind teilweise aus bestimmten forstwirtschaftlichen Nutzungsformen hervorgegangen. In diesen Fällen muss man solche Faktoren wie gestörtes Waldinnenklima, Bodenverdichtung u.ä. miteinbeziehen.

    Den scheinbar unabwendbaren Import von Holz aus fragwürdigen Quellen als Grund für die Ablehnung von Prozesschutzflächen herzunehmen halte ich auch für unseriös.
    Ein viel naheliegenderer Ansatz wäre doch insgesamt den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Zumal ein Großteil des Holzes aus heimischen Quellen zur Erzeugung von Energie genutzt oder zur Papierherstellung benötigt wird (bei Laubholz nach Schätzungen zwischen 60 und 70%).
    Langfristig verbaut (>40 J) wird anscheinend nur zwischen 20 und 30% des heimischen Holzes.
    Zumal die Ernte, Verarbeitung, etc. natürlich auch nicht klimaneutral stattfindet.

  • Ich bin Laie, was dieses Thema betrifft, aber ich halte es für sinnvoll, wenn es auch in Deutschland mehr geschützte Waldgebiete gäbe, die von der Bewirtschaftung komplett ausgenommen werden. In großen Wäldern könnten beispielsweise die Ränder bewirtschaftet werden, während der Kern zum Schutzgebiet erklärt wird. Aus den Schutzgebieten heraus könnte sich der Wald regenerieren und bedrohten Arten Schutz gewähren.

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