Damit potenziell infizierte Wildschweine nicht wandern, sperrt Brandenburg mehrere Wildtierbrücken über Autobahnen. Das ist effektiv. Schadet aber vielen anderen Arten. Wir brauchen Alternativen, schreibt der Agrarwissenschaftler und Wildtierforscher Hannes J. König.
Nicht nur COVID-19 bereitet uns zurzeit Sorge: Die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, breitet sich immer weiter aus. In den letzten Jahren war die Krankheit besonders aktiv in unserem Nachbarland Polen, nun dringt sie immer weiter nach Deutschland vor. Für uns Menschen ist sie ungefährlich, aber die ASP bedeutet eine große Gefahr für unsere heimischen Wildtiere. Der WWF-Wildtierexperte Moritz Klose hat darüber hier bereits geschrieben. Doch nicht allein die Ansteckung, sondern ausgerechnet die umfangreichen Schutzmaßnahmen gefährden nun viele andere Wildtiere.
Was bisher getan wurde
Am 10. September 2020 wurde der erste ASP Schweinepest-Fall in Deutschland bekannt. Die Bekämpfung konzentriert sich auf eine drastische Reduzierung der sehr hohen Wildschweinbestände. In Brandenburg rechnen wir mit mindestens 300.000 Wildschweinen. Wichtigstes Ziel ist es, dass ein Jahr lang keine ASP Funde in Deutschland mehr auftauchen. Dieser Status nennt sich „ASP frei“ und wird von der EU vergeben, damit der Export von Schweinefleisch (z.B. nach China) möglich ist. Da sich die bisherigen Eindämmungsmaßnahmen als nicht ausreichend erwiesen haben, kommt nun eine weitere hinzu.
Sperrung der Grünbrücken: Lockdown in Brandenburg
Nun sollen auch die Wild- oder Grünbrücken über stark befahrene Straßen und Autobahnen gesperrt werden. Teilweise ist das bereits vollzogen. In Brandenburg werden wandernde Tiere quasi in den Lockdown geschickt. Auf unbestimmte Zeit. Es ist nicht absehbar, ob und wann die ASP erfolgreich bekämpft werden kann.
Ganz konkret geht es um unscheinbare Grünbrückensperrungen, die jedoch die „natürlichen“ Wanderrouten von verschiedenen Wildtierarten bis auf weiteres blockieren. So können Tiere, die nachweislich Wildtierbrücken regelmäßig zur Straßenüberquerung nutzen, nicht mehr weiterziehen. Mit weitreichenden Folgen.
Grünbrücke– was ist das?
Grünbrücken oder auch Wildbrücken sind große, bewachsene Strukturen, die das Risiko von Wildunfällen verringern. Gleichzeitig verbinden sie Lebensräume, indem sie eine sichere Überquerung von Wildtieren von einer Straßenseite zur anderen erleichtern. Sind diese Wildbrücken mindestens 50 Meter breit, spricht man von sogenannten Grünbrücken. Sie können die Wanderrouten und den genetischen Austausch unterstützen. Die Idee, dass sich die Schweinepest durch eine Schließung von Wildbrücken langsamer ausbreitet, ist nicht falsch. Doch es gibt auch genügend Beispiele dafür, dass sich gerade die sehr intelligenten Wildschweine neue Wege erschließen, um ihre gewohnten Wanderrouten fortzuführen.
Betroffen sind allerdings nicht nur Wildschweine, sondern alle Wildtierarten, die normalerweise Grünbrücken für ihre Wanderungen genutzt haben. Dazu zählen Hasen, Füchse, Rehe, Hirsche, Wölfe und Elche. Auch diese Tierarten werden versuchen, sich alternative Wanderrouten zu erschließen, denn hundertprozentig wilddichte Zäune gibt es nicht.
Geschützte Arten nutzen regelmäßig Grünbrücken
Wölfe, die europaweit unter Artenschutz stehen, nutzen gerne Grünbrücken. Unfälle mit diesen Tieren auf bestimmten Straßenabschnitten können damit reduziert werden. Auch Elche, wie beispielsweise der Brandenburger Elch Bert, wurden schon auf Grünbrücken gesichtet. Etwas ganz Besonderes, da Elche in Deutschland kaum vorkommen. Jede Sichtung ist ein Erfolg für den Naturschutz. Elche dürfen in Deutschland nicht gejagt werden. Der WWF unterstützt mit dem EU-Interreg geförderten Projekt ŁośBonasus – Crossing! die natürliche Rückkehr der Elche von Polen nach Deutschland.
Gibt es eine Alternative zur Sperrung?
Kurzfristig gibt es keine Alternative zur Sperrung. Denn die Sperrung von Grün- und Wildbrücken ist eine schnelle und effektive Lösung, um Wildschweine an Wanderbewegungen zu hindern. Vorausgesetzt sie finden keinen alternativen Weg über die Straße. Doch leider ist sie nicht selektiv. Und sie hat noch unbekannte Folgen für andere wandernde Wildtiere. Mittelfristig könnten allerdings Barrieren aufgestellt werden, die im Wesentlichen nur Wildschweine abhalten und anderen Wildtieren den Wechsel weiterhin ermöglichen. Zum Beispiel durch den Einbau von Schlupflöchern für Hasen und Füchse. Oder eine maximalen Höhe, die Wildschweine abhält, Wölfen, Hirschen oder Elchen das Überwinden ermöglicht.
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Langfristig kann eine systematische Wildtierüberwachung (Monitoring) dabei helfen, die tatsächlichen Wanderbewegungen von Wildtieren zu erfassen. Die wissenschaftliche Auswertung dieser Daten kann zudem dazu genutzt werden vertiefende Erkenntnisse über das mögliche Risiko einer Seuchenübertragung zu ermitteln um daraus Handlungsempfehlungen für ein wissenschaftsgestütztes Wildtiermanagement abzuleiten.
Kommentare (4)
Wir müssen die Tiere schützen
(Wild-)Tier- und Naturschutz kosten dauerhaft Geld, um Personal und Sachleistung zu finanzieren.
Aber wer hätte schon mal davon gehört, dass beides für die beiden großen Parteien 'systemrelevant' wäre. Und ich habe die Hoffnung nicht verloren, dass die Wahlen, das heißt WIR im nächsten Jahr dafür sorgen könnten, daran etwas zu ändern!
Sehr interessanter Beitrag! Wie ist das eigentlich mit den anderen vielen Zäunen und Barrieren, die in den letzten Jahren unter anderem deswegen errichtet wurden, um Flüchtlinge am Überschreiten der Grenzen zu hindern? Hat nicht auch das (neben den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen) zur Isolation vieler Wildtierpopulationen und damit zur Gefährdung einiger Tierarten geführt?
Da diese Grünbrücken oft als Ausgleichmassnahmen für andernorts Baumassnahmen angewendet wurden, ist deren Sperrung illegal. Ausserdem ist es illegal, geschützten Tierarten wie Wölfen ihren Lebensraum zu zerstören. Das wird aber gemacht, indem die Brücken abgesperrt werden, was zu Inzucht und Tod führen wird. Kranke Wildschweine wandern nicht mehr, sondern sterben ziemlich schnell an der AfSP. Das Problem ist der Mensch, der das Virus verschleppt, zum Beispiel 2019 nach Belgien.