Ein weiß umrandeter Fisch auf blauem Untergrund, daneben ist „Zertifizierte Nachhaltige Fischerei“ zu lesen. Darunter steht „MSC“ und eine Web-Adresse. Sicherlich habt ihr dieses Logo schon einmal beim Einkaufen gesehen. Hoffentlich auch schon einmal bewusst eingekauft. Inzwischen gibt es zahlreiche Fischprodukte in deutschen Supermärkten mit dem blau-weißen MSC-Logo. MSC steht für „Marine Stewardship Council“ — das Logo selbst für die wohl robusteste ökologische Zertifizierung für eine Meeresfischerei.
Die globale Fischereikrise und die Rolle der Konsumenten
Kürzlich haben wir vom WWF jedoch Einspruch gegen die geplante „MSC-Zertifizierung“ der Krabbenfischerei an der Nordseeküste eingelegt. Auf den ersten Blick scheint das zu erstaunen. Schließlich gehörten wir vor 20 Jahren sogar zu den Gründern der MSC-Organisation. Denn bereits vor zwei Dekaden bestand extremer Handlungsbedarf, um die globale Fischereikrise zu lösen. Dazu sollten auch Konsumenten Druck erzeugen, indem sie bevorzugt Produkte aus umweltverträglicher Fischerei einkaufen.
Aber genau deswegen mussten wir jetzt Einspruch erheben. Denn der Erfolg des MSC hängt von seiner Glaubwürdigkeit ab, und mit einer Zertifizierung der Krabbenfischerei in ihrer heutigen Form würde diese gefährdet. Übrigens nicht allein durch die Krabbenfischerei, schon mehrfach hat der WWF in verschiedenen Ländern gegen Zertifizierungen auch von anderen Fischereien Einspruch erheben müssen.
Warum würde die Krabbenfischerei die Glaubwürdigkeit des MSC gefährden?
Überall an der deutschen Nordseeküste liegen die schön anzusehenden Krabbenkutter in den kleinen Häfen. Sie vermitteln ein Bild von fischereilicher Romantik. Recht klein und regional tätig, hebt sich die Krabbenfischerei durchaus positiv von der industrialisierten Fischerei ab, die mit riesigen Netzen ganze Meere leer fischt. Doch harmlos für die Natur ist die Krabbenfischerei dennoch nicht: Denn leider fischt sie ihren Fang vom Meeresboden, zieht dazu die Netze über den Grund. Hinzu kommt: Weil die Nordseegarnele, also die „Krabbe“, sehr klein ist, sind auch die Maschen der Netze sehr klein. Beides führt dazu, dass empfindliches Leben am Meeresboden beeinträchtigt wird und dass auch jede Menge anderer Tiere als die eigentlich gewünschte Nordseegarnele einer bestimmten Länge im Netz landet.
Dieser sogenannte „Beifang“ besteht beispielsweise aus Jungfischen, kleinen Fischen, Krebsen oder Seesternen sowie auch aus vielen noch sehr jungen Nordseegarnelen, die noch viel zu klein sind für den Verkauf sind.
Und dann das besondere Einsatzgebiet: Etwa ein Viertel der deutschen Krabbenfischerei findet im Wattenmeer hinter den Inseln statt, also im Kern jener drei Nationalparks, die das Wattenmeer eigentlich schützen sollen. Genau dort, wo die meisten Jungfische leben, und dort, wo die Natur eigentlich freie Bahn haben soll. Schließlich ist es weltweiter Standard für Nationalparks, dass in ihnen wilde Natur erhalten wird oder wieder entstehen kann. Doch die Nationalparks im Wattenmeer verfehlen in der Unterwasserwelt ganz klar dieses Ziel, weil sie fast auf ihrer gesamten Fläche befischt werden.
Ist eine MSC-Zertifizierung für die Krabbenfischerei grundsätzlich „unvorstellbar“?
Und dennoch soll diese Art der Fischerei ein Öko-Label bekommen? Obwohl sie hinsichtlich ihrer ökologischen Wirkungen nicht nachhaltig ist? Kaum vorstellbar. Daher haben wir vom WWF gemeinsam mit anderen Naturschutzverbänden, dem NABU und der Schutzstation Wattenmeer, Widerspruch eingelegt.
Allerdings, undenkbar wäre eine Zertifizierung für uns nicht. Denn der MSC-Standard sieht vor, dass die Zertifizierer Bedingungen aufstellen können. Die Fischerei muss diese über einen Übergangszeitraum erfüllen. So sollen Fischereien, die sich auf den Weg gemacht haben, aber noch nicht wirklich umweltverträglich sind, es schrittweise werden. So ein Vertrauensvorschuss ist einerseits problematisch, weil sich Fischereien mit dem Label schmücken können, bevor sie es völlig verdient haben. Andererseits kann es die entscheidenden Schritte zur Umweltverträglichkeit in Gang bringen. Dies könnte dann auch der Weg zu einer Zertifizierung für die Krabbenfischerei sein.
Bedingungen für eine Zertifizierung
Im Falle der Krabbenfischerei haben die Zertifizierer bereits Bedingungen aufgestellt. Die sind auch in einem Punkt akzeptabel, nämlich was eine Entwicklung hin zur besserem Schutz des Krabbenbestandes betrifft. Völlig unzureichend sind sie aber dort, wo es um den besseren Schutz des Ökosystems vor der Fischerei geht. Für uns ist deshalb klar: Es ist gut, dass die Krabbenfischerei eine ökologische Anerkennung sucht. Und es ist auch gut, dass die Fischer sich bereits zu einigen Verbesserungen bekannt haben. Aber sie würden selbst nach ihrer Erfüllung nicht erreichen, dass die Fischerei wirklich umweltverträglich wird.
Dazu müssten die Zertifizierungs-Bedingungen vor allem in drei Punkten verschärft werden: Der erforderliche Schutz der Wattenmeer-Nationalparks und der anderen Meeresschutzgebiete kann nur erreicht werden, wenn ein großer Teil nicht mehr durch Bodenschleppnetze befischt wird und die Natur sich dort wieder frei entwickeln kann. Die heute verschwundenen Riffe zum Beispiel der Sandkorallen müssen sich auf diese Weise im Wattenmeer ebenso wieder ansiedeln können wie Unterwasserwiesen des Seegrases oder Arten wie Seepferdchen, Katzenhai, oder Nagelrochen. Als zweites ist notwendig, dass die Menge des Beifangs erheblich und nachweisbar verringert wird. Und als drittes: Da die Fischerei zu einem großen Teil in Schutzgebieten tätig ist, muss sie endlich akzeptieren, dass auch für sie Umweltprüfungen entsprechend des europäischen und nationalen Naturschutzrechts erforderlich sind.
Kritik an den MSC-Kriterien
Übrigens kritisiert der WWF nicht nur die Krabbenfischerei selbst: Auch die Anrainerstaaten des Wattenmeeres, in diesem Fall vor allem Deutschland und die Niederlande, hätten längst mehr tun müssen, um den Schutz des Wattenmeeres auch durchzusetzen. Auch an die MSC-Organisation adressierten wir unsere Kritik. Denn immer wieder mussten wir in der Vergangenheit auch die MSC-Kriterien kritisieren, weil sie in wichtigen Punkten zu schwach sind. Ein Beispiel dafür ist, dass ein ausgewiesenes Meeresschutzgebiet (wie etwa die Nationalparks im Wattenmeer) keineswegs dazu führt, dass eine Fischerei dort für den MSC strengere ökologische Kriterien als außerhalb des Schutzgebietes erfüllen muss. Dabei ist doch offensichtlich: Wenn „Schutz“ im Schutzgebiet nicht erreicht wird, hat ein Öko-Label seinen Anspruch verfehlt.
Wie geht es nun weiter?
Für mich ist ganz klar, unser Einspruch richtet sich nicht gegen die regionale Fischerei an sich, denn diese gehört zur Nordseeküste. Doch zum Weg der Fischerei in die Zukunft muss es gehören, dass sie sich an die Anforderungen der Schutzgebiete über einen Übergangszeitraum anpasst!
Kompromisse wie bei der Muschelfischerei
Es gibt übrigens auch Fischereien im Wattenmeer, bei denen gemeinsame Kompromisse, die für die Fischerei UND für die Natur gut sind, schon gefunden wurden: Nach langjährigen Konflikten hatte sich 2015 im schleswig-holsteinischen Wattenmeer die Muschelfischerei, die Landesregierung, und die Naturschutzverbände – darunter der WWF – auf einen entsprechenden Kompromiss geeinigt. Der führt dazu, dass sich die Miesmuschelbänke in großen Teilen des Nationalparks im schleswig-holsteinischen Wattenmeer nun wieder frei entwickeln können. Und er ermöglichte Ende 2016 auch eine MSC-Zertifizierung dieser Fischerei!
Kommentare (1)
Das is ja Bullshit....im Naturschutz Schlepp Netz Fischen.....da wäre ja wohl Dynamitfischen auch erlaubt oder?ö