Alle zwei bis drei Monate darf ich den WWF in Brüssel in Veranstaltungen der EU-Kommission vertreten, in denen die Brüsseler Beamten das Wissen der europäischen Zivilgesellschaft systematisch abfragen. Das Ganze soll in einer Art Dialog münden, weshalb sich diese Treffen auch Civil Dialogue Group schimpfen. Wie dort 40–60 Experten und Interessensvertreter einen Tag lang dialogisieren ist einen eigenen Beitrag wert. Der kommt noch. Versprochen! Heute geht es mir aber um ein inhaltliches Highlight.
Käsemassen und Obstberge
Den ganzen Tag schwebte schon die Ankündigung im Raum, über das seit August 2014 geltende russischen Embargo gegen EU-Agrarprodukte zu informieren. Millionen-Verluste! Bauern sitzen auf Schweinehälften und Milch und Käsemassen und Obstbergen. Ich dachte mir, dass die Beamten der Generaldirektion Landwirtschaft (quasi das Ministerium hinter dem Agrarkommissar) nun vorstellen würden, wie die Exportorientierung des Agrarsektors reduziert werden könnte. Denn schließlich macht das Russlandbeispiel deutlich, wie abhängig die europäische Agrarwirtschaft von Exporten ist. Immerhin produzierte Deutschland 2013 13 Prozent mehr Schweinefleisch, als die Deutschen an Schnitzeln und Wurst essen können. (Aus Ressourcenschutz und Gesundheit eh viel zu viel, auch dazu später mehr)
Soja für Schweine, Schweine für Soja
Aber was erzählten uns die Agrarökonomen der EU? Welche Alternativmärkte nun zukünftig beliefert werden, wenn Russland partout nicht mehr will. Auf ihrer Liste standen Länder wie Äthiopien, Algerien, Mexiko, Marokko, Südafrika oder Brasilien. Brasilien! Dort ständen die Chancen besonders gut, Schweine- und Hühnerfleisch abzusetzen, heißt es. Kann man machen, sollte man aber vielleicht überdenken. Brasilien ist der größte Exporteur von Soja-Futter. Wir importieren dieses Soja und tragen damit vor Ort massiv zur Entwaldung bei. Wir produzieren damit dann massenhaft Fleisch. Anschließend investiert die EU, um das Fleisch, das wir in Europa auf dem Teller liegen lassen, im Ausland zu bewerben. Ab Ende 2015 bekommen Handelsunternehmen 80 Prozent der Werbekosten im Ausland erstattet.
Dieses Geld sollte meiner Meinung nach eher in Seminar für „Kohärentes Denken“ ausgegeben werden. Oder vielleicht hilft doch beten: „Herr, bitte lass‘ Geist und Verstand auf Europa regnen“.