Wir zah­len viel zu wenig für unser Essen

Wieviel ist uns das wert? Maja Petric CC BY bit.ly/1S21y7X

Bau­ern pro­du­zie­ren Wei­zen, die Müh­le mahlt das Mehl, Bäcker backen dar­aus Bröt­chen. Und ich gehe dort mor­gens hin, bezah­le mein Brot und habe dadurch nicht nur den Bäcker ent­lohnt, son­dern auch die Bau­ern, die das Getrei­de her­ge­stellt haben. Logisch! Also war­um soll­te ich dar­über noch wei­ter nach­den­ken? Weil in der Land­wirt­schaft die Rea­li­tät momen­tan anders aussieht.

Fünf Cent müs­sen für den Bau­ern reichen

Nach mei­nem Weih­nachts­ur­laub lag der Jah­res­be­richt des Deut­schen Bau­ern­ver­ban­des auf mei­nem Schreib­tisch. Bei der Lek­tü­re woll­te ich mei­nen Augen nicht trau­en. Sei­te 23 ließ mich erst kurz stut­zen, dann ungläu­big den Kopf schüt­teln und letzt­lich sau­er auf­schrei­en. Dort steht, dass von dem einen Euro, den ich für Brot aus­ge­be, nur 4,8 Cent beim Bau­ern lan­den. 1955 waren es noch umge­rech­net 44 Cent. Bei ande­ren Pro­duk­ten sieht es zwar bes­ser aus, aber im Durch­schnitt bekom­men die Land­wir­te weni­ger als ein Vier­tel vom Ver­kaufs­er­lös ihrer Pro­duk­te. 1955 waren es noch 62 Pro­zent. Der Rest bleibt wohl in den Hän­den der Händ­ler, Ver­ar­bei­ter und Logistiker.

Robert Habeck, Grü­ner Land­wirt­schafts­mi­nis­ter Schles­wig-Hol­steins, brach­te es bei einer Ver­an­stal­tung Mit­te Janu­ar auf den Punkt: “Die Bau­ern haben uns reich gemacht”. Was Habeck zu Recht mein­te war, dass die Bau­ern die Lebens­mit­tel immer preis­wer­ter auf dem Markt gewor­fen haben und wir im Gegen­zug genü­gend Geld haben fürs Rei­sen, Smart­phones auch für die Acht­jäh­ri­gen, Fer­tig­ge­rich­te, Autos und sonst wel­chen Konsum.

Nur noch zehn Pro­zent des Haus­halts­ein­kom­mens in Deutsch­land wird für Lebens­mit­tel ausgegeben

Das gro­ße Bauernsterben

In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten wur­de das Gros der Land­wir­te immer ärmer. Vie­le land­wirt­schaft­li­che Betrie­be spran­gen über die wirt­schaft­li­che Klin­ge und muss­ten ihren Betrieb dicht machen. 1975 waren es noch 904.700 Bau­ern in Deutsch­land, 2014 (sind es) nur noch 286.000. Ten­denz sin­kend. Übrig geblie­ben sind die “Gro­ßen”, die immer noch grö­ßer wer­den. Eine wei­te­re inter­es­san­te Zahl dazu: Die meis­ten Land­be­sit­zer bewirt­schaf­ten ihre Flä­chen nicht mehr selbst: Über 60 Pro­zent der land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­che ist Pacht­land. Die­se Ent­wick­lung hat jedoch noch viel wei­ter­ge­hen­de Kon­se­quen­zen – immer grö­ße­re land­wirt­schaft­li­che Struk­tu­ren haben unmit­tel­ba­re Aus­wir­kun­gen auf unse­re Arten­viel­falt in der Land­wirt­schaft und im Boden. Damit beschäf­tigt sich der WWF als Naturschutzorganisation.

Arme Land­wirt­schaft, arme Landschaft 

So hat die Land­wirt­schaft, die uns indi­vi­du­ell mone­tär rei­cher und sich selbst ärmer gemacht hat, uns alle gemein­sam — unse­ren gemein­sa­men Lebens­raum ärmer gemacht. Wie?

Durch die inten­si­ve Land­wirt­schaft. Das heißt: kur­ze Frucht­fol­gen, Ein­satz von Pes­ti­zi­den, die Tren­nung der Tier­hal­tung vom Land, kei­ne Wei­de­hal­tung,  Ent­wäs­se­rung von Feucht­ge­bie­ten, den sat­ten Ein­satz von syn­the­ti­schen Dün­gern, immer grö­ße­re Flä­chen mit noch weni­ger Feld­rai­nen, Hecken, Rand­strei­fen, Wie­sen. Alle die­se Pro­zes­se führ­ten dazu, dass prak­tisch alle Tier-und Pflan­zen­ar­ten ver­schwin­den, die an die land­wirt­schaft­lich gepräg­ten Kul­tur­land­schaf­ten Mit­tel­eu­ro­pas ange­passt sind. Wie etwa das Reb­huhn: Von 18 Reb­hüh­nern, die 1990 noch auf den Äckern leb­ten, hat nur ein eins über­lebt. (Also ange­nom­men, Reb­hüh­ner wür­den so lan­ge leben.)

Genau hier kann ich nur schrei­en. Die Bau­ern­schaft wickelt sich sel­ber ab, indem sie ver­sucht immer bil­li­ger zu pro­du­zie­ren. Immer weni­ger Bau­ern über­le­ben das und müs­sen schlie­ßen. Die Gesell­schaft, also wir alle, haben mehr Geld in der Tasche, um einem Kon­sum zu frö­nen, der welt­weit unse­re Res­sour­cen plün­dert. Und gleich­zei­tig bleibt unse­re Arten­viel­falt auf der Strecke.

Wie­viel darf‘s kos­ten? © Robert Gün­ther / WWF

Ich will dies nicht. Ich will, dass es wei­ter­hin Bäue­rin­nen und Bau­ern gibt, die unse­re Land­schaft erhal­ten und pfle­gen, die wirk­lich qua­li­ta­tiv hohe Lebens­mit­tel pro­du­zie­ren und auch davon leben können.

Eins von 18 Reb­hüh­ner lebt noch 

Klar brau­chen wir dazu Geset­ze, die extre­me Aus­wüch­se ver­hin­dern und wir brau­chen staat­li­che Gel­der, um beson­de­re Leis­tun­gen für die Natur beloh­nen — auch wenn sie betrieb­wirt­schaft­lich nichts brin­gen. Ehr­lich gesagt, wer­den unse­re Steu­er­gel­der nicht aus­rei­chen, um hier gegen die kurz­fris­tig hohen Erträ­ge einer inten­si­ven Land­wirt­schaft anzu­sub­ven­tio­nie­ren. Wenn ich mei­nen Kin­der noch Reb­hüh­ner auf dem Acker oder Kühe auf der Wei­de zei­gen möch­te und Apfel­bäu­me im Gar­ten, die von Bie­nen umflo­gen wer­den — dann muss ich sel­ber bereit sein, mehr als nur zehn Pro­zent mei­ner Aus­ga­ben für Lebens­mit­tel aus­zu­ge­ben. Die­se Signa­le sind wich­tig, denn ansons­ten wird der rui­nö­se Preis­kampf nach unten, der von wei­ten Tei­len des Lebens­mit­tel­ein­zel­han­dels geführt wird, nie auf­hö­ren. Das Argu­ment lau­tet: Für die Deut­schen ist der Preis, mit Abstand der ent­schei­den­de Fak­tor beim Ein­kauf. Eine vier­köp­fi­ge Fami­lie gibt in Deutsch­land monat­lich nur 370 Euro für Lebens­mit­tel aus, also drei Euro pro Tag und Per­son. Nur 70 Cent davon gehen an die Land­wir­te, für die Pro­duk­ti­on von Wei­zen, Gemü­se, Obst, Fleisch.

Ja, es gibt eine gro­ße Anzahl von Men­schen in Deutsch­land, für die es einen Unter­schied macht, ob der Ein­kauf einen oder zwei Euro mehr kos­tet. Aber Hand aufs Herz: Bei einer Mehr­zahl von uns, geht es hier nicht um die Exis­tenz — son­dern dar­um, ob ich alle zwei oder drei Jah­re ein neu­es Han­dy oder eine neue Kla­mot­te kaufe.

Ich bin überzeugter Omnivor! Einmal im Jahr kaufe ich einem befreundeten Neuland-Bauern ein Schwein ab. Der Metzger im nächsten Dorf zerlegt es für meine fünfköpfige Familie. Seitdem ich 1992 Abitur in Berlin machte, versuche ich bei Umweltorganisationen die Welt zu retten. Die persönliche Weltrettung wurde jedoch während meines Geographiestudiums etwas abgebremst. Politisch zu arbeiten ist richtig spannend. Nicht nur weil ich die Leute, die abends im Fernsehen kommen, teilweise persönlich treffe. Mich regt jedoch die Respektlosigkeit auf allen Seiten auf.

Kommentare (9)

  • Das Problem liegt bei der Politik. Diese fördert mit dem Steuersystem industrielle großräumige Strukturen und vernachlässigt eine ökologische Lebensmittelerzeugung.
    Industrielle Landwirtschaft und Massentierhaltung nehmen einer traditionellen Erzeugung die Basis. Ausbeutung von Resourcen wird politisch belohnt, eine Agrarlobby macht die Gesetze.

  • Hallo Matthias,
    toller Beitrag!!

    Doch was soll ich nun tun?
    zum Bauern direkt fahren und dort einkaufen?
    Gibt es Produkte, Zwischenhändler, Firmen die den Bauern gerechten Lohn bezahlen?

  • ich bin zwar auch der Meinung das unsere Lebensmittel zu billig sind, aber das heer das von hartz 4 und grundsicherung leben muss kann nicht mehr zahlen. wie also das Problem lösen ?

  • Ich stimme Herrn Hohberg zu.
    Ungefähr 5 Millionen Deutsche sind arbeitslos, das ist die Realität, wenn man die ganzen Erwerbslosen, die gerade in einer Umschulung oder krank oder "zu alt" sind, wieder in die Statistik einrechnet.
    Und diese Millionen Leute können sich wirklich keine teuren Lebensmittel leisten.
    Das Problem ist nicht allein der Verbraucher, da machen es sich alle etwas zu einfach. Wenn ich beispielsweise nur ein Produkt angeboten bekomme, kann ich nur dieses eine Produkt kaufen.
    Außerdem muss diese verfehlte Subventionspolitik endlich aufhören und die Landwirte, die ökologisch wirtschaften, sollten belohnt werden und nicht die, die immer mehr produzieren und dabei alles Andere dem Profit unterordnen.

  • Ich lebe von Hartz 4 weil ich durch einen nicht verschuldeten Reitunfall nicht mehr richtig arbeiten kann und erhalte pro Monat ca 100€ Einkünfte aus Yogakursen. Mir stehen 420€ pro Monat zur Verfügung für Nebenkosten (Stron, Telefon, Inernet, Essen, Haushaltsbedarf, öffentliche Verkehrsmittel,...). Ich verzichte auf Handy, Fernseher, Kino, ausgehen, Geldausgaben jeder Art, weil mir ökologische Nahrungsmittel wichtig sind und ich einen Beitrag für die Erde leisten möchte. Ich gebe etwa 250€ pro Monat für Nahrungsmittel und Quellwasser aus. Ich habe manchmal nicht mehr zu essen, aber ich möchte lieber das unterstützen, was gut für die Erde und uns alle, die Gesundheit, ist. Für mich ist das Essen definitiv nicht "zu billig" aber ich denke, vielen Menschen ist die Erde egal und auch die Konsequenzen ihres Handelns für sich, die Erde und die anderen - sie schauen nur, wie sie sparen können. Ich finde nicht, dass biologisch angebaute Nahrungsmittel von ökologisschen (demeter) Bauern noch teurer werden sollten, sondern das die Biologische gift- und gewaltfreie Landwirtschaft unterstützt werden sollte, anstatt immer billig zu produzieren und so zu tun, als gäbe es kein Morgen und keine Verantwortung. Das bezieht sich auch auf die qualvolle Tierhaltung und der brutale Umgang mit dem Leben dieser Lebewesen. Es sind doch diejenigen, die einkaufen, die sich verantwortungslos entscheiden plus die falschen Subventionen, die das Problem verursachen. Wie kann man das Problem denn an der Wurzel lösen ? Ich finde, Gift gehört nicht auf die Erde und auch nicht ins Wasser, ebenso wenig wie Gentechnik usw.. Diejenigen, die das nicht möchten werden von den Verantwortungslosen immer mit ins Unglück gerissen.......Ich hoffe sehr, dass alle etwas bewusster werden und verstehen, dass sie sich für eine bessere Erde engagieren können durch ein verändertes Konsum- bzw Einkaufsverhalten. Wenn jemand dazu gute Ideen hat, würde mich das sehr interessieren.

  • Der Strukturwandel ist wahrscheinlich von der Politik gewollt. Durch den Slogan ,,Wachsen oder weichen'' werden viele Landwirte zum Größenwahn verführt. Die Folgen sind:
    Preisverfall durch Überproduktion, Massentierhaltung und seine Folgen, siehe Bayernei, der normale Bauer wird durch den Preisdruck wegrationalisiert, die Dorfgemeischaft geht kaputt und die, die übrigbleiben, haben politisch kein Gewicht mehr. Nutznieser sind die Industrie, die Bank und die Discounter.

  • Danke für diese Kommentare!

    Eins wollte ich mit meinem Beitrag garantiert nicht: Menschen schlecht machen, weil sie wirtschaftlich schlecht gestellt sind. Mir ist völlig klar, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die in der Tat keine finanziellen Möglichkeiten haben, um mehr für ihr Essen auszugeben. Völlig klar, dass der Hartz V – Satz für die Ernährung extrem knapp ist. Gleichzeitig beträgt das mittlere Netto-Einkommen laut Statistischen Bundesamt pro Haushalt im Jahr 2014 knapp 4100 €. Und ja, ich glaube, dass bei denjenigen, die ein gutes Einkommen haben, über ihre Ausgaben nachdenken sollten. Mit ist auch klar, dass wir in unserer Gesellschaft ein Wertesystem haben, das es schwierig macht, gegenüber anderen zu vertreten, warum das Handy oder die Klamotte nicht mehr top aktuell sind. Und hier spreche ich, als Vater von drei Kindern, aus Erfahrung.

    In erster Linie ging es mir in meinem Beitrag darum aufzuzeigen, dass der Stellenwert für Nahrung in unserer Gesellschaft, wie man an den Durchschnittsausgaben für Nahrung sehen kann, sehr niedrig ist.

    Gleichzeitig ist der durchschnittliche Verdienst der Landwirte so gering, dass sie einerseits wirtschaftlich nur schwer über die Runden kommen und andererseits auf alle Forderungen der Umweltschutzes , negativ reagieren.
    Und ja, dann habe ich sogar teilweise Verständnis. Denn wenn Signale von der Gesellschaft kommen, dass die Landwirte mehr Natur- und Umweltschutz leisten sollen - gleichzeitig ist bei einer Mehrheit der Deutschen, der Preis der ausschlaggebende Faktor beim Kauf ist, auch wenn sie gut verdienen. Klar, dass die Händler den Preisdruck sofort an die Erzeuger weitergeben bzw. in Preisverhandlungen nutzen.

    Um dieses Problem zu lösen, muss an vielen Stellen etwas verändert werden.
    Dazu gehört auch ein politisches System, indem die Leitplanken sich an Nachhaltigkeit orientieren. Das heißt, dass Gesetze die Produzenten schützen, die unsere natürlichen Ressourcen schützen. Nicht alles, was technisch möglich ist, darf erlaubt sein. Außerdem bedarf es neuer Vermarktungsideen, die gerne auch vom Deutschen Bauernverband (DBV), entwickelt werden dürfen.

    Der WWF setzt sich für eine Agrarpolitik ein, die, die Lebensräume bewahrt. Die Landwirtschaft unterstützt, die den Einsatz von Inputs, wie synthetische Dünger reduziert und die tierischen Dünger (Mist und Gülle) wieder ökologisch verteilt.
    Zu den Zielen des WWF gehört es auch, dass die europäische Agrarpolitik (kurz GAP) Landwirte wirtschaftlich unterstützt, die Öffentliche Güter, wie Boden, Wasser oder biologische Vielfalt schützen.

    Aber eins ist auch klar: Die Politik wird es nicht schaffen die Differenz zwischen derzeit erlaubten Praktiken und nachhaltiger Landwirtschaft auszugleichen. Landwirte brauchen ein vernünftiges Einkommen, auch wenn sie wegen ökologisch notwendigen Extensivierungsmaßnahmen, weniger produzieren können.

    Und wenn unser Essen in Deutschland teurer wird, weil die Preise dann auch eine verbesserte ökologische Leistung widerspiegeln, müssen logischerweise unsere Sozialsysteme darauf reagieren.

  • Das erstaunliche daran ist ja, dass gerade der Bauernverband, mit seiner Hörigkeit zur Agrarindustrie, die Bauern in diesen Wahnsinn schlamasselt hat. Anstatt auf Bauernhöfe für lokalen Sinn zu setzen, plädierten diese Irren und ihre Lobbyisten auf WACHSTUM WACHSTUM WACHSTUM und AGRAFABRIKEN. Das Rennen machen jetzt die Biobauern und das zu Recht !!

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