Um bis zu 95 Prozent im Vergleich zu 1990 soll Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2050 reduzieren, so will es das Klimaschutzziel der Bundesregierung. Laut Umweltbundesamt ist davon bis einschließlich 2019 erst ein Minus von 35,1 Prozent erreicht worden. Großes Einsparpotenzial liegt nach wie vor im Bausektor, wo im selben Jahr 30 Prozent der hiesigen Treibhausgasemissionen verursacht wurden. „Würde statt Stahl oder Beton mehr nachhaltiges Holz als Baustoff verwendet, ließen sich die CO2-Emissionen in diesem Sektor deutlich verringern“, sagt der Daniel Müsgens, Experte für Holz und Papier beim WWF.
Im vergangenen Jahr hat die Holzbauquote mit 20,4 Prozent bei den genehmigten Wohngebäuden den Anteil von einem Fünftel erstmals überschritten. 2016 lag die Quote noch bei 16,2 Prozent. Bei Nichtwohngebäuden liegt sie mit 20,9 Prozent ähnlich hoch. „Künftig wird der mehrgeschossige Wohnungsbau in Holzbauweise zulegen“, prognostiziert der Holzbau Deutschland – Bund Deutscher Zimmermeister im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, da die Bauordnungen für die entsprechenden Gebäudeklassen vier und fünf in allen Bundesländern aktualisiert würden.
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„Holz als Baustoff wird in Deutschland generell immer noch gesetzlich nicht angemessen berücksichtigt“, sagt Müsgens. „Bürokratische Genehmigungsverfahren sind nach wie vor das Hindernis Nummer Eins.“ Zudem käme auch in der Ausbildung von Architekten die Darstellung der Möglichkeiten zu kurz. Dass die „Speicherung von Kohlenstoff und die Substitutionseffizienz“ von Holz sehr stark von der Langlebigkeit der Holzprodukte abhängt, hat auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erkannt: „Letztere wird besonders durch den Einsatz im Baubereich befördert. Hier gibt es jedoch zahlreiche Hemmnisse für eine verstärkte Verwendung von Holz. Daher sollten Bund und Länder „die Anpassung der Bauordnungen an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Standards zügig vorantreiben, um die Verwendung von Holz im Bau zu erweitern.“ Hierzu zählt das Ministerium unter anderem Brandschutz, Schallschutz, und Gesundheitswirkungen.
Langlebig statt kurzsichtig
Holz als Rohstoff zu nutzen, ist nicht per se nachhaltig. Jedes Jahr werden weltweit zwischen acht bis 13 Millionen Hektar Wald zerstört, eine Fläche in etwa so groß wie Süddeutschland. „Die Ressource Wald ist begrenzt, umso wichtiger ist es, das geschlagene Holz langlebig zu nutzen“, so Müsgens. „Bislang werden daraus in zu hohem Maße kurzfristige Produkte.“ Immerhin: Etwas mehr als ein Drittel der deutschen Jahresholzernte würde ausreichen, um das gesamte jährliche Neubauvolumen der Bundesrepublik komplett aus Holz zu errichten. Dabei geht es nicht um mehr Holznutzung, sondern das derzeit geschlagenen Holz muss effizienter verwendet werden. Im internationalen Vergleich agiert die hiesige Forstwirtschaft weitgehend legal und im ökologisch vertretbaren Rahmen. Ehrgeizigere Ziele definiert hier das FSC-Siegel, mit dem auch deutsche Bestände zertifiziert werden. In Deutschland beträgt diese Fläche jedoch gerade mal 13 Prozent der Waldfläche.
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Ein Vorteil, den heimisches Holz mit Blick auf Nachhaltigkeit ohnehin mitbringt, sind die kurzen Transportwege. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Wälder angemessen bewirtschaftet werden. Natürliche Laubwälder erfüllen wichtige Funktionen. Sie sichern die biologische Vielfalt des Waldes, sind Basis der Grundwasserbildung und stellen durch ihre Laubzersetzung Nährstoffe bereit. Im Bausektor findet Laubholz bislang wenig Beachtung, hat dort jedoch hohes Potenzial. Das gilt vor allem für die Buche, die den hiesigen Bestand schon seit vielen Jahrtausenden dominiert und weit über den Klimaschutz hinaus wichtige ökologische Funktionen erfüllt wie die Grundwasserspeicherung.
Nachhaltig entlang der Verwertungskette
„Nachhaltiger Umgang mit dem Baustoff Holz muss sich aber über die gesamte Verwertungskette erstrecken“, betont Müsgens. Derzeit wird mehr als die Hälfte des gesamten jährlich eingeschlagenen Buchenholzes in Deutschland sofort verbrannt, weil es zu wenige wettbewerbsfähige Verwendungsmöglichkeiten gibt. „Wir müssen Holz mehrfach nutzen, in sogenannten Kaskaden.“
Solch eine Nutzungskette könnte etwa so aussehen:
Im Wald geschlagenes Holz wird im ersten Schritt für den Hausbau verwendet. „Dies gelingt jedoch nur, wenn bereits vor jedem Schritt die Weiterverwendung mitgedacht wird, etwa für den Rückbau eines Hauses“, erläutert Müsgens. „Entsprechend aufgearbeitet lässt Holz sich sogar mehrmals im gleichen Sektor verwenden.“ So können aus großen Dachbalken immer noch Balken mit schmaleren Durchmessern werden, wenn diese nicht durch Pilze oder Insekten zersetzt sind. Hat es dort ausgedient kann Plattenwerkstoff, Pappe oder Papier daraus gemacht werden. Statt stofflich würde es erst ganz am Schluss energetisch verwertet, also verbrannt.
Indem kostbares Laubholz so langlebig wie möglich genutzt wird, kann sein Potenzial wirtschaftlich, aber auch für den Wald- und Klimaschutz voll ausgeschöpft werden. Das Material ließe sich über all diese Verwertungsschritte 80 oder gar weit über 100 Jahre nutzen. Bis für all diese Zwecke wieder neues Holz benötigt würde, bliebe den heimischen Bäumen länger Zeit, nachzuwachsen.
Alte Gewohnheiten durchbrechen
Heutzutage werden Bäume teilweise schon nach 60 bis 70 Jahren gefällt. Je schneller dies geschieht, desto knapper wird die langsam nachwachsende Ressource Holz. „Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen allerdings die komplette Produktionskette und die Logistik der holzverarbeitenden Branche umstrukturiert werden.“ So seien etwa Sägewerke immer noch auf jüngere Nadelholz Baumstämme optimiert, die dem Durchmesser von Nadelbäumen im Alter von 80 bis 100 Jahren entspricht.
Auch am Bau gilt es, alte Gewohnheiten aufzubrechen. Bislang hat man sich hierzulande in der Nische Holzbau vor allem an den nordischen Ländern orientiert, wo Nadelhölzer dominieren. Diese haben andere Eigenschaften als etwa der Laubbaum Buche. Ist deren Holz dauerhaft Witterung und Feuchtigkeit ausgesetzt, arbeitet es stärker, wird schneller zersetzt. „Wissenschaftler erforschen derzeit welche Holzart für welche Einsätze am besten geeignet ist“, so Müsgens. „Für Buchenholz etwa gibt es viele Möglichkeiten im Innenausbau.“
Einerseits wird künftig also am Bau diversifiziert, um aus dem nachwachsenden Rohstoff das Optimum herauszuholen und die Verwertung auch ökonomisch effizienter zu machen. Ganz am Anfang der Kette steht wiederum die ökologische Multifunktionalität im Fokus: Im naturnahen Wald werden Bäume nicht frühzeitig abgeholzt, die Arten sind gemischt. Auch darüber hinaus spielt die Artenvielfalt darin eine wichtige Rolle: Säugetiere, Insekten, Pilze. Zugleich stellt der Klimawandel die Forst- und Holzwirtschaft vor dynamische Herausforderungen.
Chance Waldumbau
Der Waldumbau hin zu klimatoleranteren Wäldern wird zu einer veränderten Baumarten-Zusammensetzung und einem vermehrten Angebot von Laubholz-Sortimenten führen. „Daraus resultiert sowohl die Herausforderung als auch die Chance, neue innovative Verwertungslinien zu entwickeln“, so die Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern, die hierzu das von der Bundesregierung geförderte Pilotprojekt „Laubholznutzung im Rahmen einer effizienten Bioökonomie“ initiiert.
„Vom Waldumbau bis zum Einsatz des Baustoffs Holz können ökologische und wirtschaftliche Belange miteinander in Einklang gebracht werden“, betont Müsgens. „Weitere Forschung und Aufklärung in diesen Bereichen kann dabei künftig neue Möglichkeiten eröffnen.“
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Kommentare (7)
Um ökologisch zu leben, denke ich auch, dass es wichtig ist, "das geschlagene Holz langlebig zu nutzen." Der Bau eines Holzhauses ist dementsprechend die perfekte Möglichkeit. Das haben wir jetzt auch gemacht und ich bin echt zufrieden mit dem Resultat.
Vielen Dank für diesen Beitrag über heimisches Bauholz. Interessant, dass letztes Jahr schon mehr als 1/5 der neuen Wohnhäuser aus Holz gebaut wurden. Ich erwäge ein Modulhaus aus Holz zu bauen und wollte mich daher auch zur Auswahl des Holzes im Sinne der Nachhaltigkeit informieren.
Wir wollen ein Haus bauen. Aus diesem Grund haben wir unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht gezogen. Wir wollen zu der Verringerung der CO₂-Emissionen im Bausektor beitragen.
Wir möchten neue Holzmöbel anfertigen lassen. Echt wichtig zu lesen war, dass vor allem heimisches Holz durch die kurzen Transportwege viel umweltfreundlicher sind. Weiteres werde ich mit einem Tischler besprechen.
Bald werde ich eine Holzhütte errichten lassen. Mir war nicht klar, dass man Holz auf jeden Fall aus ökologischem Abbau beziehen sollte. Für weitere Bautipps wende ich mich an eine Zimmerei.
Unglaublich, dass sich Laubholz 80 bis 100 Jahre nutzen lässt. Ich habe mich dazu entschieden, mein Gartenhaus aus Holz und nicht aus Beton zu bauen. Dafür werde ich mir die nächste Woche noch einen Fachmann suchen, bei dem ich Lohnzuschnitt kaufen kann.
Ich finde auch man sollte viel mehr Fokus auf heimisches Holz legen. Ich kontaktiere bald eine Holzwerkstatt für den Ladenbau, die mir bei meiner Öffnung meiner Bäckerei hilft. Auch diese verwenden heimisches Holz.