Mythos Savan­ne: die fünf größ­ten Irrtümer

Heimat Savanne © IMAGO / imagebroker

Savan­nen bede­cken etwa 15 Pro­zent der Erd­ober­flä­che. Sie gehö­ren damit zu den wich­tigs­ten und größ­ten Lebens­räu­men. Trotz­dem wis­sen die meis­ten Men­schen nur wenig über die­ses ein­zig­ar­ti­ge Öko­sys­tem. War­um die Savan­ne manch­mal abbren­nen muss? Wie­so zahl­rei­che Tier­ar­ten dort leben kön­nen? War­um Bäu­me der Savan­ne auch scha­den? Ein Aus­flug in die Wei­te Ost­afri­kas, der die­se Fra­gen beantwortet. 

Irr­tum 1 — Step­pe und Savan­ne sind das Gleiche

Falsch! Bei­des sind Gras­land­schaf­ten, aber eben nicht mehr. Denn Step­pen befin­den sich in den tro­cke­nen, im Win­ter eisi­gen Inlands­re­gio­nen Asi­ens und Nord­ame­ri­kas. Savan­nen sind wech­sel­feuch­te Land­schaf­ten der war­men Tro­pen und Sub­tro­pen und haben meist schlech­te Böden.

Denkt man an die „typi­sche“ Savan­ne in Ost­afri­ka, so hat man schnell die wei­te, baum­lo­se Gras­land­schaft der Seren­ge­ti vor Augen.  Das aus dem spa­ni­schen „Saba­na“ abge­lei­te­te Wort “Savan­ne” heißt auch so viel wie “wei­te Flä­che”. Tat­säch­lich jedoch gibt es vie­le ver­schie­de­ne Typen, etwa Feucht‑, Tro­cken- und Dorn­strauch­sa­van­ne. Als Unter­schei­dungs­merk­ma­le sind Kli­ma,  Nie­der­schlags­men­ge sowie Vegetation.

Irr­tum 2 — In der Savan­ne gibt es kaum Pflan­zen, Tie­re und Menschen

Falsch! Rich­tig ist, dass die Lebens- und Vege­ta­ti­ons­be­din­gun­gen grund­le­gend anders sind. Das wirkt sich auch auf das Leben aus. In Savan­nen ist es meist heiß. Der deut­lich gerin­ge­re Nie­der­schlag fällt fast aus­schließ­lich in kur­zen Regen­zei­ten. Dazwi­schen kann es extrem tro­cken wer­den. Unter die­sen Bedin­gun­gen wach­sen nur weni­ge Bäu­me, aber dafür vie­le Grä­ser und dor­ni­ge Sträu­cher. Doch die Savan­ne kann sehr pro­duk­tiv sein, zahl­rei­che Tie­re ernäh­ren. Zudem ist sie kei­nes­wegs ein­tö­nig, son­dern oft sehr vielfältig.

Savan­nen sind viel­fäl­tig © IMAGO / blickwinkel

Der größ­te Teil der Men­schen in Afri­ka lebt in und von Savan­nen. Und das schon seit Jahr­tau­sen­den. Sie sind, eben­so wie die Pflan­zen und Tie­re, auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se an die­se Extre­me ange­passt. So ist die Savan­ne beson­ders beliebt bei Pflan­zen­fres­sern, die sich von den Grä­sern ernäh­ren, die wäh­rend der Regen­zeit gedei­hen. Jede Art hat ihre Vor­lie­ben. Das bie­tet den Vor­teil, dass meh­re­re Gras­fres­ser zusam­men­le­ben kön­nen, was auch die Sicher­heit vor Fress­fein­den wei­ter erhöht. Es gibt allein in den ost­afri­ka­ni­schen Savan­nen mehr als 40 Arten von Huf­tie­ren. Zahl­rei­che Anti­lo­pen, Zebras, Büf­fel und Giraf­fen. Auch Ele­fan­ten und natür­lich auch Beu­te­grei­fer wie Löwen und Hyä­nen sind hier zuhause.

Wis­sen für Besserwisser:

  • In der Savan­ne lebt das größ­te Land­tier der Welt: der afri­ka­ni­sche Ele­fant. Neben sei­ner Grö­ße beein­druckt der beson­ders durch sein Gewicht von rund sechs Tonnen.
  • Eines der schnells­ten Tie­re lebt aus­schließ­lich in offe­nen Savan­nen: der Gepard.
Gepar­den leben aus­schließ­lich in der Savan­ne © Greg du Toit

Savan­ne in Zahlen

  • 2,3 Mil­li­ar­den Men­schen und die Hälf­te des welt­wei­ten Vieh­be­stands leben in Savannen!
  • Fast die Hälf­te aller land­wirt­schaft­li­chen Nutz­flä­chen befin­det sich in zeit­wei­se extrem tro­cke­nen Gebieten!

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Irr­tum 3 — Bäu­me pflan­zen ist gut

Falsch! Oder bes­ser: nicht immer. Im Kampf gegen die Kli­ma­kri­se gel­ten Bäu­me zwar als wich­ti­ge Koh­len­stoff­di­oxid- und Was­ser­spei­cher. Anders jedoch in der Savan­ne. Dort exis­tiert ein emp­find­li­ches Gleich­ge­wicht zwi­schen Bäu­men und Grä­sern. Die­ses Gleich­ge­wicht wird aktu­ell durch vom Men­schen ein­ge­führ­te Baum­ar­ten mas­siv gestört. Eine die­ser Arten ist das Mimo­sen­ge­wächs Pro­so­pis juli­flo­ra. Auch bekannt unter den Namen Mat­hen­ge, Alga­ro­ba oder Mes­quite hat Pro­so­pis juli­flo­ra vie­le Savan­nen erobert. Das Pro­blem: Das Gewächs über­wu­chert Gras- und Acker­land. Und somit wert­vol­le Wei­de­flä­chen. Das sorgt für Ernteausfälle.

Mimo­sen: gar nicht gut für die Savan­ne © iStock / Get­ty Images / Feo­dor Korolevsky

Die ein­hei­mi­sche Bio­di­ver­si­tät ist durch die kaum kon­trol­lier­ba­re Aus­brei­tung extrem gefähr­det. Das undurch­dring­li­che Dickicht ver­drängt die ein­hei­mi­schen Arten. Und ver­braucht Was­ser. Denn der Baum hat Wur­zeln, die bis zu 53 Meter tief in die Erde rei­chen und damit fast über­all ans Grund­was­ser gelangt. Und noch schlim­mer: Die dor­ni­gen Zwei­ge der Bäu­me durch­boh­ren die Hufe der Tie­re. Die süßen, har­ten Scho­ten der Pro­so­pis juli­flo­ra scha­den den Zäh­nen, ver­ur­sa­chen Kari­es und füh­ren zu Zahn­aus­fall bei den Lebe­we­sen, die davon fraßen.

Neu­es­te For­schungs­re­sul­ta­te zei­gen, dass bei­spiels­wei­se die Afar-Sen­ke in Äthio­pi­en, eine der hei­ßes­ten Kli­ma­zo­nen der Welt, des­halb um die 30 Pro­zent an Wei­de­land ver­lo­ren hat. Wis­sen­schaft­ler sind welt­weit gera­de dabei, Ansät­ze zu erfor­schen, wie die wei­te­re Aus­brei­tung ver­hin­dert wer­den kann.

Irr­tum 4 — Tro­pen­wäl­der sind die gefähr­dets­ten Ökosysteme

Rich­tig ist, dass Tro­pen­wäl­der stark gefähr­det sind. Doch min­des­tens eben­so mas­si­ven Ver­än­de­run­gen aus­ge­setzt sind Savan­nen. “16 Pro­zent sind durch Umwand­lung in Acker­land oder Deser­ti­fi­ka­ti­on bereits ver­schwun­den”, berich­tet Johan­nes Kirch­gat­ter, Afri­ka-Refe­rent beim WWF. “Von der nord­ame­ri­ka­ni­schen Prä­rie ist sogar nur noch wenig mehr als ein Pro­zent übrig.” Und dies dürf­te erst der Anfang eines tief­grei­fen­den Wan­dels sein. Schon heu­te haben die Ein­hei­mi­schen gro­ße Pro­ble­me, für aus­rei­chend Was­ser und Nah­rungs­mit­tel zu sor­gen. Der Grund: Über­nut­zung, Nut­zungs­wan­del sowie zuneh­men­de Wet­ter­ex­tre­me. Kurz: Die Extre­me wer­den extre­mer. Grä­ser und Gehöl­ze rin­gen per­ma­nent um Dominanz.

Kli­ma­kri­se und Nut­zung gefähr­den die Savan­nen © Micha­el Poliza

Des­halb hat die­ser Land­schafts­typ regio­nal ein unter­schied­li­ches Gesicht. Tro­pi­sche Gras­land­schaf­ten gehö­ren eben­so dazu wie offe­ne Gras­ebe­nen mit ver­ein­zel­tem Gehölz oder unter­schied­lich dich­ten Wäl­der. Grä­ser und Bäu­me reagie­ren auf Schwan­kun­gen von Tem­pe­ra­tur wie Nie­der­schlä­gen oder das Auf­tre­ten von Feu­er ver­schie­den — aber gleich sen­si­bel. Ins­ge­samt zei­gen aktu­el­le Unter­su­chun­gen, dass das Öko­sys­tem durch den Kli­ma­wan­del und eine immer inten­si­ve­re Land­nut­zung zuneh­mend bedroht ist. Der „Glo­bal Bio­di­ver­si­ty Out­look“ sieht die Savan­ne vor einem Bio­di­ver­si­täts-Kipp­punkt. Das bedeu­tet, Ver­än­de­run­gen sind nach Über­schrei­tung eines Schwel­len­wer­tes kaum mehr rück­gän­gig zu machen.

Blick in die Glas­ku­gel der Wis­sen­schaft: Was wird aus den Savannen?

Tei­le der ost­afri­ka­ni­schen Savan­ne könn­ten bis 2100 zu Wäl­dern wer­den. Ande­re zu Halb­wüs­ten oder Wüs­ten. Der Grund hier­für sind die Kli­ma­kri­se und  Wech­sel­wir­kun­gen mit Nut­zung und Über­nut­zung. Orga­nis­men reagie­ren sehr unter­schied­lich auf sol­che Ver­än­de­run­gen. Noch sind alle Modell­be­rech­nun­gen unsi­cher. Eine pau­scha­le Ant­wort auf die Art der Ver­än­de­rung gibt es damit (noch) nicht. Klar ist nur, dass durch die bio­kli­ma­ti­schen wie atmo­sphä­ri­schen Ver­än­de­run­gen von einem groß­räu­mi­gen Wan­del der Savan­nen Ost­afri­kas aus­ge­gan­gen wird, der weit­rei­chen­de Fol­gen für die Arten­viel­falt hat.

Irr­tum 5 — Feu­er bedroht die Savanne

Falsch! Feu­er ist ein Lebens­eli­xier der afri­ka­ni­schen Savan­nen. Neben natür­li­chen Brän­den am Ende einer Tro­cken­zeit, hat der Mensch teil­wei­se schon seit Jahr­tau­sen­den gezielt Feu­er gelegt. Die Savan­ne ist an ein gewis­ses Maß an Feu­ern daher bes­tens ange­passt. Viel­mehr benö­tigt es die­ses, um sich nicht in eine geschlos­se­ne Busch­land­schaft zu ver­wan­deln. Denn Feu­er set­zen die Nähr­stof­fe frei. Doch mit der zuneh­men­den Über­nut­zung und den Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se droht die­se uralte, dyna­mi­sche Balan­ce zu kip­pen. Beson­ders fatal ist der Wech­sel von lan­gen Dür­ren mit star­kem Regen. In Zei­ten mit viel mehr Nie­der­schlag wach­sen gro­ße Men­gen Bio­mas­se her­an, die in den anschlie­ßen­den Dür­ren für viel aus­ge­dehn­te, inten­si­ve­re und hei­ße­re Feu­er sorgt.

Dem kann mit einem ange­pass­ten Feu­er­ma­nage­ment begeg­net wer­den: mög­lichst frü­he, kon­trol­liert geleg­te Brän­de sor­gen für weni­ger inten­si­ve Brän­de. Zudem redu­ziert dies das Risi­ko spä­te­rer schwe­rer Brän­de. Feu­er wird also am bes­ten mit Feu­er begegnet!

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Als freie Texterin und Journalistin bin ich immer auf der Suche nach spannenden Geschichten, neuen Themen und inspirierenden Menschen. So auch als Autorin für das WWF Magazin. Die besten Ideen für meine Texte kommen mir bei Spaziergängen durch die Natur.

Kommentare (1)

  • Hi, ist euch bewusst, dass auch Europa früher eine savannenähnliche Landschaft besaß, als noch große Tierherden durch den Kontinent streiften und diesen beweideten? Heute wird ja allgemein angenommen, dass dichter Wald die "natürliche" Vegetation Europas darstelle. Das ist aber zu kurz gedacht, da dabei, wie gesagt, die großen Herden an Auerochsen, Wasserbüffeln, Wildpferden, Waldelefanten, ja sogar Flusspferden und Nashörnern vergessen werden, die unsere Landschaft einst formten. Sprich: Europa braucht wieder mehr Weidetiere, denn die Artenvielfalt ist in von diesen geformten halboffenen Landschaften nachweislich am größten.

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