Kli­ma­schutz bedeu­tet Gesundheitsschutz

Gewinner der Klimakrise: Stechmücke. CC0 Syed Ali https://unsplash.com/photos/80a3A_BFeic

Welt­weit kämp­fen  Natio­nal­staa­ten oft im Allein­gang gegen Covid-19. Wäh­rend­des­sen ent­fal­tet sich wei­ter eine schwer­wie­gen­de­re, fun­da­men­ta­le Kri­se, die nur durch gemein­sa­mes Han­deln der Staa­ten­ge­mein­schaft bekämpft wer­den kann. Die Kli­ma­kri­se ist ohne Zwei­fel eine der größ­ten Ein­zel­be­dro­hun­gen für uns Men­schen und die bio­lo­gi­sche Viel­falt. Die glo­ba­le Erd­er­hit­zung wird unse­re Umwelt und unse­re Lebens­be­din­gun­gen in sehr kur­zer Zeit, näm­lich in der Lebens­span­ne der heu­te Jugend­li­chen, dras­tisch verändern.

Vie­le bewohn­ba­re Regio­nen sind zuneh­mend von Dür­ren und Was­ser­knapp­heit bedroht. Wir wer­den häu­fi­ger mit extre­men Wet­ter­ereig­nis­sen wie Hit­ze­wel­len und Über­schwem­mun­gen kon­fron­tiert. Die pro­gnos­ti­zier­te Erd­er­hit­zung und das ver­än­der­te Wet­ter wer­den die Gesund­heit der Men­schen stark beein­träch­ti­gen. Heu­te bereits bestehen­de Krank­heits­mus­ter wer­den sich verschärfen.

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Im 21. Jahr­hun­dert rech­nen wir in vie­len Regio­nen der Welt, vor allem aber in den armen Nied­rig­lohn­län­dern des glo­ba­len Südens, mit einer Zunah­me der Krank­hei­ten. Die Kli­ma­kri­se droht die enor­men Errun­gen­schaf­ten in der öffent­li­chen Gesund­heit zu unter­gra­ben.

Wie die Kli­ma­kri­se auf den Men­schen wirkt

Mehr Hit­ze­to­te

Ers­tens durch direk­te Aus­wir­kun­gen, die vor allem mit Hit­ze­wel­len, Dür­ren und Über­schwem­mun­gen zusam­men­hän­gen. Hit­ze wird bei­spiels­wei­se die Ther­mo­re­gu­la­ti­on ins­be­son­de­re von Alten und Kran­ken hart tref­fen, was durch Dehy­drie­rung zu Hit­ze­schlag oder Schlag­an­fall füh­ren kann. Auch indi­rekt ist die Gesund­heit betrof­fen. Lebens­grund­la­gen sind durch wet­ter­be­ding­te Ern­te­aus­fäl­le bedroht. Nah­rungs­mit­tel­knapp­heit und Migra­ti­on sind die Fol­gen, Flucht und Ver­trei­bung. Ver­stärk­te Migra­ti­on an die Küs­ten und die dort dann zuneh­men­de urba­ne Ver­dich­tung erhö­hen zudem das Risi­ko durch Überschwemmungen.

Mehr vek­tor­übetra­ge­ne Krankheiten

Zwei­tens wer­den durch die Kli­ma­kri­se ver­mehrt Infek­ti­ons­krank­hei­ten auf den Men­schen über­tra­gen. Öko­sys­te­me ver­än­dern sich. Vek­tor­über­tra­ge­ne brei­ten sich schnel­ler aus. Deren Erre­ger wer­den durch Vek­to­ren, zumeist blut­saugen­de Insek­ten wie Stech­mü­cken oder Zecken, zwi­schen Men­schen oder von infi­zier­ten Tie­ren auf Men­schen über­tra­gen. Mala­ria, Den­gue-Fie­ber, West-Nil-Fie­ber oder Zika sind  vek­tor­über­tra­ge­ne Krank­hei­ten, die auf Fak­to­ren wie Tem­pe­ra­tu­ren und Feuch­tig­keit reagie­ren. Selbst beschei­de­ne Tem­pe­ra­tur- oder Nie­der­schlags­er­hö­hun­gen kön­nen zu einer star­ken Zunah­me der Über­tra­gung die­ser Krank­hei­ten füh­ren, da sich bei Was­ser­man­gel wäh­rend Dür­re­pe­ri­oden und Über­schwem­mun­gen nach star­kem Regen Vek­to­ren ver­stärkt ver­meh­ren. Mit der Ver­schie­bung der Kli­ma­zo­nen in Rich­tung der Pole wer­den in den gemä­ßig­ten Zonen ver­mehrt inva­si­ve Vek­to­ren und neu­ar­ti­ge Infek­ti­ons­krank­hei­ten auftreten.

Die Gefahr für Über­schwem­mun­gen mit kata­stro­pha­len Fol­gen nimmt zu CC BY-NC-ND 2.0 — Kom­pas / Hen­dra A Setyawan

Mehr Infek­tio­nen durch Was­ser und Lebensmittel

Auch lebens­mit­tel- und was­ser­be­ding­te Infek­tio­nen wer­den sehr wahr­schein­lich häu­fi­ger auf­tre­ten, da kli­ma­emp­find­li­che Krank­heits­er­re­ger (Vibrio­nen, Para­si­ten, Bak­te­ri­en und Viren) durch die Erd­er­hit­zung direkt in Wachs­tum, Über­le­ben, Per­sis­tenz und Über­tra­gung beein­flusst wer­den. Wenn Öko­sys­te­me durch die vor­an­schrei­ten­den mas­si­ven Ein­grif­fe des Men­schen aus dem Gleich­ge­wicht gera­ten, steigt also das all­ge­mei­ne Risi­ko der Über­tra­gung von Krank­hei­ten auf den Menschen.

Mehr Hun­ger

Drit­tens wird es zu Effek­ten kom­men, die stark durch den mensch­li­chen Orga­nis­mus selbst ver­mit­telt wer­den, wie Unter­ernäh­rung. Unse­re Ernäh­rung ist beson­ders emp­find­lich gegen­über den Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se. Vor allem in Gebie­ten, die bereits heu­te nah­rungs­un­si­cher sind.

Wir müs­sen jetzt ent­schlos­sen handeln!

Je frü­her und ent­schlos­se­ner wir han­deln, des­to grö­ßer die Chan­cen unse­re Zukunft zum Bes­se­ren zu gestal­ten. Das bedeu­tet vor­ran­gig den Aus­stieg aus den fos­si­len Brenn­stof­fen hin zu erneu­er­ba­ren Ener­gien in einer kli­ma­neu­tra­len und zir­ku­lä­ren Wirt­schaft. Gewis­ser­ma­ßen en pas­sant könn­te sich ein ent­schlos­se­nes Vor­ge­hen gegen die Kli­ma­kri­se als die größ­te Chan­ce der Mensch­heit im 21. Jahr­hun­dert her­aus­stel­len, um die all­ge­mei­ne Gesund­heits­si­tua­ti­on welt­weit nach­hal­tig zu verbessern.

Wie sich der Kampf gegen Kli­ma­kri­se posi­tiv auswirkt

Die unmit­tel­bar wirk­sa­men gesund­heit­li­chen Vor­tei­le sind gar nicht mal auf die Redu­zie­rung der Treib­haus­gas­emis­sio­nen selbst zurück­zu­füh­ren — son­dern auf den Rück­gang der kurz­le­bi­gen Kli­ma­schad­stof­fe (short lived cli­ma­te pol­lut­ants — SLCP). Das sind bei­spiels­wei­se Methan, Aero­so­le, tro­po­sphä­ri­sches Ozon, Fluor­koh­len­was­ser­stof­fe und Schwe­be- und Fein­stau­be wie Rauch, Ruß oder Benzo(a)pyren. Die Redu­zie­rung die­ser kurz­le­bi­gen Kli­ma­schad­stof­fe mil­dert also die Erd­er­hit­zung und ver­bes­sert kurz­fris­tig die Gesund­heits­si­tua­ti­on. Sau­be­re Ener­gie (z.B. PV-Solar- und netz­un­ab­hän­gi­ge Bat­te­rie­spei­cher­sys­te­me) ermög­licht es in armen Regio­nen, Brenn­stof­fe wie Holz, Holz­koh­le und Dung zu ver­rin­gern. Luft­ver­schmut­zung und Atem­wegs­er­kran­kun­gen neh­men ab. Ent­wal­dung und Ero­si­on gehen zurück.

Koh­le — die größ­te Ein­zel­quel­le der Klimaverschmutzung

Koh­le­kraft­wer­ke machen nur 40 Pro­zent der welt­wei­ten Strom­erzeu­gung aus, sind aber für mehr als 70 Pro­zent der kli­ma­schäd­li­chen CO2-Emis­sio­nen ver­ant­wort­lich. Koh­le­kraft­wer­ke sind die welt­weit größ­te Ein­zel­quel­le der Kli­ma­ver­schmut­zung. Koh­le stellt die größ­te Bedro­hung für unser glo­ba­les Kli­ma­sys­tem dar. Emis­sio­nen aus Koh­le­kraft­wer­ken sind auch die größ­te Ein­zel­quel­le für Atem­wegs- und Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen. Sie set­zen beträcht­li­che Men­gen an hoch­gif­ti­gen Par­ti­keln (Schwer­me­tal­le wie Queck­sil­ber, Blei, Cad­mi­um oder Arsen), Schwe­fel­di­oxid und Stick­oxi­den frei. Letz­te­re tra­gen indi­rekt zur Bil­dung von Ozon bei.

Klli­ma­freund­lich heißt gesund­heits­freund­lich CC BY-NC-ND 2.0 — DENNIS SCHROEDERNREL

Neben der Ver­bren­nung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger in Ener­gie­wirt­schaft und Indus­trie gilt der Ver­kehrs­sek­tor als der größ­te Fein­staub-Emit­tent. Gegen­wär­tig wird unter­sucht, ob und in wel­chem Maße die Ver­brei­tung von Viren wie Covid-19 durch erhöh­te Fein­staub­kon­zen­tra­tio­nen begüns­tigt wer­den könn­te. Laut Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on gel­ten Fein­stäu­be als eine gro­ße Gefahr für die öffent­li­che Gesund­heit. Sie sind eine der Haupt­ur­sa­chen für chro­ni­sche Atem­wegs­er­kran­kun­gen und sie tra­gen zu jähr­lich welt­weit 4,2 Mil­lio­nen früh­zei­ti­ger Todes­fäl­le bei, vor allem in den armen Ländern.

Gesund­heit gewinnt zuneh­mend an Bedeu­tung im Kampf gegen die Klimakrise

Um unse­re Ver­wund­bar­keit gegen­über der Erd­er­hit­zung kurz­fris­tig zu redu­zie­ren, müs­sen sau­be­res Was­ser, Elek­tri­zi­tät und sani­tä­re Ein­rich­tun­gen für alle gewähr­leis­tet sein. Und wir müs­sen natür­lich die  gesund­heit­li­che Min­dest­ver­sor­gung ein­schließ­lich Imp­fun­gen und Kin­der­ge­sund­heits­diens­ten sichern.

Coro­na-Not­spen­de: Hil­fe­ru­fe aus der gan­zen Welt

Mit der Anpas­sung an die Kli­ma­kri­se (und der früh­zei­ti­gen Mini­mie­rung ihrer Schä­den) kön­nen Län­der ver­mehrt in eine ver­bes­ser­te Gesund­heits­ver­sor­gung und das Wohl­erge­hen ihrer Bevöl­ke­rung inves­tie­ren. Die Kli­ma­an­pas­sung hat daher posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit, da sie zur Ent­las­tung der öffent­li­chen Bud­gets bei­trägt, die Gesund­heits­kos­ten senkt und Inves­ti­tio­nen in ein sta­bi­les und mög­lichst kri­sen­fes­tes Gesund­heits­sys­tem ermöglicht.

Gesnd­heits­ge­fahr: Emis­sio­nen im Stras­sen­ver­kehr CC BY 2.0 — MAVERICK PHOTO AGENCY

Umge­kehrt: Kli­ma­freund­lich heißt gesünder

Das funk­tio­niert auch umge­kehrt. Eine kli­ma­freund­li­che Infra­struk­tur zuguns­ten des Rad­ver­kehrs hat offen­sicht­lich posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit. Weni­ger Kon­sum von Fleisch und tie­ri­schen Lebens­mit­teln min­dert das Risi­ko von Krebs und  Herz­er­kran­kun­gen. Es ist aber auch enorm posi­tiv für Land­nut­zung, Boden­qua­li­tät, Was­ser und bio­lo­gi­sche Vielfalt.

Der Kampf gegen die Erd­er­hit­zung und die welt­wei­te Armut als die Haupt­ur­sa­chen welt­wei­ter Gesund­heits­pro­ble­me muss in den Fokus poli­ti­schen Han­delns rücken. Dras­tisch gesun­ke­ne Kos­ten und mas­si­ve Tech­no­lo­gie­sprün­ge bei erneu­er­ba­ren Ener­gien und der Digi­ta­li­sie­rung zei­gen: Kli­ma­neu­tra­les und gerech­tes Wirt­schaf­ten ist öko­no­misch und tech­no­lo­gisch nicht nur mach­bar, son­dern deut­lich güns­ti­ger als der Sta­tus quo.

Es fehlt der Wil­le — bisher

Was fehlt ist der poli­ti­sche Wil­le. Und ein stär­ke­rer öffent­li­cher Druck. Es ist mehr denn je an der Zeit, die glo­ba­le Trans­for­ma­ti­on hin zu einem guten, gesun­den und lebens­wer­ten Leben für alle Men­schen auf unse­rem Pla­ne­ten zu beschleu­ni­gen und die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung auf Dekar­bo­ni­sie­rung und eine erhöh­te Resi­li­enz gegen­über der Kli­ma­kri­se umzu­len­ken. Dabei kön­nen die viel­fäl­ti­gen Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se auf die Gesund­heit gar nicht oft genug betont werden.

Wenigs­tens unse­re eige­ne Gesund­heit soll­te es uns doch wert sein. Oder?

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Als Referent für Klimaschutz und Energiepolitik arbeite ich beim WWF für ein klimafreundliches Energiesystem in Deutschland und Europa. Neben dem schnellstmöglichen Aus für fossile und klimaschädliche Energieträger bedeutet das vor allem die Grundlagen für einen naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Stromnetze zu schaffen und diese so schnell wie möglich auszubauen. Denn ein vollständig auf erneuerbaren Energien basierendes Strom- und Gasversorgungssystem bildet die Grundlage für CO2-Neutralität in allen Wirtschaftssektoren. Zuvor habe ich in unterschiedlichen Funktionen in der Energiewirtschaft in Hamburg, Brüssel und Berlin gearbeitet.- Henrik hat den WWF inzwischen verlassen -
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