Weltweit kämpfen Nationalstaaten oft im Alleingang gegen Covid-19. Währenddessen entfaltet sich weiter eine schwerwiegendere, fundamentale Krise, die nur durch gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft bekämpft werden kann. Die Klimakrise ist ohne Zweifel eine der größten Einzelbedrohungen für uns Menschen und die biologische Vielfalt. Die globale Erderhitzung wird unsere Umwelt und unsere Lebensbedingungen in sehr kurzer Zeit, nämlich in der Lebensspanne der heute Jugendlichen, drastisch verändern.
Viele bewohnbare Regionen sind zunehmend von Dürren und Wasserknappheit bedroht. Wir werden häufiger mit extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und Überschwemmungen konfrontiert. Die prognostizierte Erderhitzung und das veränderte Wetter werden die Gesundheit der Menschen stark beeinträchtigen. Heute bereits bestehende Krankheitsmuster werden sich verschärfen.
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Im 21. Jahrhundert rechnen wir in vielen Regionen der Welt, vor allem aber in den armen Niedriglohnländern des globalen Südens, mit einer Zunahme der Krankheiten. Die Klimakrise droht die enormen Errungenschaften in der öffentlichen Gesundheit zu untergraben.
Wie die Klimakrise auf den Menschen wirkt
Mehr Hitzetote
Erstens durch direkte Auswirkungen, die vor allem mit Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen zusammenhängen. Hitze wird beispielsweise die Thermoregulation insbesondere von Alten und Kranken hart treffen, was durch Dehydrierung zu Hitzeschlag oder Schlaganfall führen kann. Auch indirekt ist die Gesundheit betroffen. Lebensgrundlagen sind durch wetterbedingte Ernteausfälle bedroht. Nahrungsmittelknappheit und Migration sind die Folgen, Flucht und Vertreibung. Verstärkte Migration an die Küsten und die dort dann zunehmende urbane Verdichtung erhöhen zudem das Risiko durch Überschwemmungen.
Mehr vektorübetragene Krankheiten
Zweitens werden durch die Klimakrise vermehrt Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen. Ökosysteme verändern sich. Vektorübertragene breiten sich schneller aus. Deren Erreger werden durch Vektoren, zumeist blutsaugende Insekten wie Stechmücken oder Zecken, zwischen Menschen oder von infizierten Tieren auf Menschen übertragen. Malaria, Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber oder Zika sind vektorübertragene Krankheiten, die auf Faktoren wie Temperaturen und Feuchtigkeit reagieren. Selbst bescheidene Temperatur- oder Niederschlagserhöhungen können zu einer starken Zunahme der Übertragung dieser Krankheiten führen, da sich bei Wassermangel während Dürreperioden und Überschwemmungen nach starkem Regen Vektoren verstärkt vermehren. Mit der Verschiebung der Klimazonen in Richtung der Pole werden in den gemäßigten Zonen vermehrt invasive Vektoren und neuartige Infektionskrankheiten auftreten.
Mehr Infektionen durch Wasser und Lebensmittel
Auch lebensmittel- und wasserbedingte Infektionen werden sehr wahrscheinlich häufiger auftreten, da klimaempfindliche Krankheitserreger (Vibrionen, Parasiten, Bakterien und Viren) durch die Erderhitzung direkt in Wachstum, Überleben, Persistenz und Übertragung beeinflusst werden. Wenn Ökosysteme durch die voranschreitenden massiven Eingriffe des Menschen aus dem Gleichgewicht geraten, steigt also das allgemeine Risiko der Übertragung von Krankheiten auf den Menschen.
Mehr Hunger
Drittens wird es zu Effekten kommen, die stark durch den menschlichen Organismus selbst vermittelt werden, wie Unterernährung. Unsere Ernährung ist besonders empfindlich gegenüber den Auswirkungen der Klimakrise. Vor allem in Gebieten, die bereits heute nahrungsunsicher sind.
Wir müssen jetzt entschlossen handeln!
Je früher und entschlossener wir handeln, desto größer die Chancen unsere Zukunft zum Besseren zu gestalten. Das bedeutet vorrangig den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien in einer klimaneutralen und zirkulären Wirtschaft. Gewissermaßen en passant könnte sich ein entschlossenes Vorgehen gegen die Klimakrise als die größte Chance der Menschheit im 21. Jahrhundert herausstellen, um die allgemeine Gesundheitssituation weltweit nachhaltig zu verbessern.
Wie sich der Kampf gegen Klimakrise positiv auswirkt
Die unmittelbar wirksamen gesundheitlichen Vorteile sind gar nicht mal auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen selbst zurückzuführen — sondern auf den Rückgang der kurzlebigen Klimaschadstoffe (short lived climate pollutants — SLCP). Das sind beispielsweise Methan, Aerosole, troposphärisches Ozon, Fluorkohlenwasserstoffe und Schwebe- und Feinstaube wie Rauch, Ruß oder Benzo(a)pyren. Die Reduzierung dieser kurzlebigen Klimaschadstoffe mildert also die Erderhitzung und verbessert kurzfristig die Gesundheitssituation. Saubere Energie (z.B. PV-Solar- und netzunabhängige Batteriespeichersysteme) ermöglicht es in armen Regionen, Brennstoffe wie Holz, Holzkohle und Dung zu verringern. Luftverschmutzung und Atemwegserkrankungen nehmen ab. Entwaldung und Erosion gehen zurück.
Kohle — die größte Einzelquelle der Klimaverschmutzung
Kohlekraftwerke machen nur 40 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus, sind aber für mehr als 70 Prozent der klimaschädlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Kohlekraftwerke sind die weltweit größte Einzelquelle der Klimaverschmutzung. Kohle stellt die größte Bedrohung für unser globales Klimasystem dar. Emissionen aus Kohlekraftwerken sind auch die größte Einzelquelle für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie setzen beträchtliche Mengen an hochgiftigen Partikeln (Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Cadmium oder Arsen), Schwefeldioxid und Stickoxiden frei. Letztere tragen indirekt zur Bildung von Ozon bei.
Neben der Verbrennung fossiler Energieträger in Energiewirtschaft und Industrie gilt der Verkehrssektor als der größte Feinstaub-Emittent. Gegenwärtig wird untersucht, ob und in welchem Maße die Verbreitung von Viren wie Covid-19 durch erhöhte Feinstaubkonzentrationen begünstigt werden könnte. Laut Weltgesundheitsorganisation gelten Feinstäube als eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Sie sind eine der Hauptursachen für chronische Atemwegserkrankungen und sie tragen zu jährlich weltweit 4,2 Millionen frühzeitiger Todesfälle bei, vor allem in den armen Ländern.
Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung im Kampf gegen die Klimakrise
Um unsere Verwundbarkeit gegenüber der Erderhitzung kurzfristig zu reduzieren, müssen sauberes Wasser, Elektrizität und sanitäre Einrichtungen für alle gewährleistet sein. Und wir müssen natürlich die gesundheitliche Mindestversorgung einschließlich Impfungen und Kindergesundheitsdiensten sichern.
Corona-Notspende: Hilferufe aus der ganzen WeltMit der Anpassung an die Klimakrise (und der frühzeitigen Minimierung ihrer Schäden) können Länder vermehrt in eine verbesserte Gesundheitsversorgung und das Wohlergehen ihrer Bevölkerung investieren. Die Klimaanpassung hat daher positive Auswirkungen auf die Gesundheit, da sie zur Entlastung der öffentlichen Budgets beiträgt, die Gesundheitskosten senkt und Investitionen in ein stabiles und möglichst krisenfestes Gesundheitssystem ermöglicht.
Umgekehrt: Klimafreundlich heißt gesünder
Das funktioniert auch umgekehrt. Eine klimafreundliche Infrastruktur zugunsten des Radverkehrs hat offensichtlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Weniger Konsum von Fleisch und tierischen Lebensmitteln mindert das Risiko von Krebs und Herzerkrankungen. Es ist aber auch enorm positiv für Landnutzung, Bodenqualität, Wasser und biologische Vielfalt.
Der Kampf gegen die Erderhitzung und die weltweite Armut als die Hauptursachen weltweiter Gesundheitsprobleme muss in den Fokus politischen Handelns rücken. Drastisch gesunkene Kosten und massive Technologiesprünge bei erneuerbaren Energien und der Digitalisierung zeigen: Klimaneutrales und gerechtes Wirtschaften ist ökonomisch und technologisch nicht nur machbar, sondern deutlich günstiger als der Status quo.
Es fehlt der Wille — bisher
Was fehlt ist der politische Wille. Und ein stärkerer öffentlicher Druck. Es ist mehr denn je an der Zeit, die globale Transformation hin zu einem guten, gesunden und lebenswerten Leben für alle Menschen auf unserem Planeten zu beschleunigen und die wirtschaftliche Entwicklung auf Dekarbonisierung und eine erhöhte Resilienz gegenüber der Klimakrise umzulenken. Dabei können die vielfältigen Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit gar nicht oft genug betont werden.
Wenigstens unsere eigene Gesundheit sollte es uns doch wert sein. Oder?