Euro­pa­wahl: Ohne Euro­pa kein nach­hal­ti­ges Finanzsystem

Die Europawahl bietet die Chance neue Rahmenbedingungen für ein nachhaltigeres Finanzsystem zu schaffen. CC-BY-SA-2.5-Reinhard Dachlauer

Money makes the world go round, so viel ist lei­der rich­tig. Obwohl – das „lei­der“ ist hier viel­leicht fehl am Platz. Denn rich­tig ein­ge­setzt kann Geld viel Gutes bewir­ken. Und nicht nur tröpf­chen­wei­se, um hier und da ein gutes Pro­jekt zu unter­stüt­zen. Stellt euch vor, in Zukunft wür­den Geld­flüs­se gene­rell dar­an geknüpft wer­den, dass Unter­neh­men und Pro­jek­te, die finan­ziert wer­den, rich­ti­ge öko­lo­gi­sche und sozia­le Leis­tung zei­gen müssen.

Und mitt­ler­wei­le ist das nicht mehr nur Wunsch­traum von Orga­ni­sa­tio­nen wie dem WWF. Auch in der Wirt­schaft – sogar in der Finanz­wirt­schaft – und der Poli­tik däm­mert das Ver­ständ­nis. Wir müs­sen uns drin­gend dem Finanz­sys­tem wid­men. Nur so wer­den wir unse­re Kli­ma­zie­le errei­chen und damit die Lebens­grund­la­gen für bald zehn Mil­li­ar­den Men­schen sichern.

Kli­ma­schutz: Alle Sek­to­ren müs­sen nach­hal­ti­ger arbeiten

Es ist nicht damit getan, auf der einen Sei­te Wind­rä­der und Solar­ener­gie aus­zu­bau­en und dafür auf der ande­ren Sei­te Koh­le­kraft­wer­ke abzu­schal­ten. Alle Sek­to­ren unse­rer Wirt­schaft müs­sen Pfa­de ein­schla­gen, die sie in eine zukünf­tig treib­haus­gas­neu­tra­le Welt füh­ren – das trifft den Che­mie­sek­tor eben­so wie die Her­stel­lung von Autos oder Stahl.

Exper­ten spre­chen in die­sem Zusam­men­hang von einem Kapi­tal­be­darf von jähr­lich einer Bil­li­on Euro. Für die EU allei­ne wer­den im Bereich Ener­gie bis 2030 pro Jahr 180 Mil­li­ar­den Euro benö­tigt, wenn wir den Wan­del erfolg­reich bewäl­ti­gen wol­len. Es braucht grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen im Finanz­sys­tem, damit Gel­der in gro­ßen Maß­stab dahin flie­ßen, wo sie die Trans­for­ma­ti­on unse­rer Wirt­schaft ermög­li­chen. Ansons­ten wer­den Struk­tu­ren auf­recht erhal­ten, die uns und unse­rer Erde wei­ter­hin scha­den. Es geht dar­um, lang­fris­ti­ge Kon­se­quen­zen von Ent­schei­dun­gen viel stär­ker zu berück­sich­ti­gen. Das gilt für Risi­ken wie für Chan­cen. Dafür müs­sen Anreiz­struk­tu­ren ver­än­dert und Trans­pa­renz geschaf­fen wer­den. Dann kann das Finanz­sys­tem zu einem star­ken Beglei­ter des Wan­dels in der Real­wirt­schaft werden.

Die EU hat das ver­stan­den (zumin­dest im Groben)

Die Euro­päi­sche Uni­on hat im Jahr 2016 hat eine Exper­ten­kom­mis­si­on ein­ge­setzt, die Vor­schlä­ge für eine „Sus­tainable Finance“-Strategie erar­bei­tet hat, um die EU-Regu­lie­rung so aus­zu­rich­ten, dass Finanz­strö­me mit Blick auf die inter­na­tio­nal ver­ein­bar­ten Kli­ma- und Nach­hal­tig­keits­zie­le in zukunfts­fä­hi­ge Berei­che umge­lenkt wer­den kön­nen. Die EU-Kom­mis­si­on hat vie­le die­ser Anre­gun­gen auf­ge­grif­fen. Im letz­ten Jahr hat sie einen Akti­ons­plan zur Finan­zie­rung Nach­hal­ti­gen Wachs­tums sowie kon­kre­te Regu­lie­rungs­vor­schlä­ge vor­ge­legt. In deren Zen­trum steht ein Klas­si­fi­ka­ti­ons­sys­tem nach­hal­ti­ger Tätig­kei­ten („Taxo­no­mie“). Denn um Geld umlen­ken zu kön­nen, braucht es erst ein­mal eine Eini­gung dar­über, was als geeig­ne­tes Ziel der Geld­flüs­se gel­ten soll.

Bis­lang hat Deutsch­land das The­ma Sus­tainable Finan­ce ver­schla­fen. © Gang Zhou / Get­ty Images

Höchs­te Zeit für Ver­än­de­run­gen im Finanzsystem

Klar, per­fekt sind die vor­ge­leg­ten Regu­lie­rungs­ent­wür­fe noch lan­ge nicht. Vor allem bei der Taxo­no­mie besteht die Gefahr, nur die ohne­hin schon grü­ne Nische des Finanz­mark­tes in den Blick zu neh­men, anstatt das kom­plet­te Sys­tem. Aber: Dank der EU ist die Debat­te um die Rol­le des Finanz­sys­tems zur Errei­chung von Umwelt- und auch sozia­len Zie­len end­lich ins Rol­len gekom­men. Und so müs­sen sich nun auch die EU-Mit­glieds­staa­ten mit dem The­ma beschäf­ti­gen. Das wird höchs­te Zeit.

Deutsch­land hat das The­ma Sus­tainable Finan­ce verschlafen

Die Pro­zes­se auf EU-Ebe­ne wur­den bes­ten­falls zur Kennt­nis genom­men. Gestal­tung? Eige­ne Ideen oder gar Stra­te­gie? Fehl­an­zei­ge! Immer­hin: Ende Febru­ar die­sen Jah­res hat die Bun­des­re­gie­rung ange­kün­digt, das The­ma struk­tu­rell auf­zu­grei­fen. Sie möch­te Deutsch­land zu einem füh­ren­den-Sus­tainable-Finan­ce Stand­ort machen. Die­ses Ziel ist sehr begrü­ßens­wert. Doch bis­lang bleibt die Regie­rung noch die Ant­wort schul­dig, wie sie sich von ihrer Posi­ti­on am Sei­ten­rand end­lich lösen und aktiv ins Spiel ein­grei­fen will. Dafür ist die Ent­wick­lung einer kla­ren Ziel­vor­stel­lung not­wen­dig, die Deutsch­land in die Brüs­se­ler Debat­te ein­brin­gen kann. Und zwar jetzt!

Euro­pa­wahl: Rah­men­be­din­gun­gen für ein nach­hal­ti­ges Finanzsystem

Wir brau­chen den Wan­del im Finanz­sys­tem für den Wan­del unse­rer Gesell­schaft. Des­halb ist es so wich­tig, dass die EU das The­ma Sus­tainable Finan­ce auch in den kom­men­den Jah­ren zu einer Prio­ri­tät macht. Hier wird die EU-Wahl gro­ßen Ein­fluss haben: Es braucht pro­gres­si­ve, zukunfts­ori­en­tier­te Par­tei­en sowie Poli­ti­ker und Poli­ti­ke­rin­nen, die die Zusam­men­hän­ge ver­ste­hen und dafür sor­gen, die Rah­men­be­din­gun­gen für das Finanz­sys­tem so zu gestal­ten, das es Teil der Lösung für eine umwelt­ver­träg­li­che und nach­hal­ti­ge­re Gesell­schaft wer­den kann.

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Ich arbeite beim WWF zum Thema „Sustainable Finance“ weil ich der Überzeugung bin, dass wir das Finanzsystem viel stärker einbeziehen müssen, wenn wir gesellschaftliche Ziele wie das Pariser Klimaschutzabkommen oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen. Denn mit ihren Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen haben Finanzmarktakteure einen großen Einfluss darauf, welche Aktivitäten in der Realwirtschaft finanziert werden und welche nicht. Beim WWF setze ich mich deshalb dafür ein, dass Kapitalströme so umgelenkt werden, dass sie den notwendigen Wandel in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystems unterstützen, der notwendig ist, um unsere Lebensgrundlagen für die Zukunft zu erhalten.
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