Gast­bei­trag: Was­ser­kraft bedroht den Amazonas

Lebensader Amazonas © Zig, Koch, WWF

Ich bin Rober­to und arbei­te schon seit über 15 Jah­ren für den Schutz des Ama­zo­nas Regen­wal­des. Hier wird Was­ser­kraft zum Pro­blem und des­halb betrifft mich, was gera­de beim Welt­was­ser­fo­rum in Süd­ko­rea dis­ku­tiert wur­de. Ich fra­ge mich, wie weit wir noch gehen wol­len. Müs­sen wirk­lich die letz­ten Wild­nis­se für Wirt­schafts­wachs­tums­zie­le geop­fert wer­den? Wie vie­le der Ent­schei­der, die jetzt so vie­le Flüs­se im Ama­zo­nas Regen­wald ver­bau­en wol­len, waren schon ein­mal da? Wur­den die Men­schen vor Ort über­haupt gefragt? Des­halb habe ich einen Gast­bei­trag geschrie­ben, der hier nach­zu­le­sen ist. Mein Fazit: Wir müs­sen DRINGEND aktiv wer­den, um zu ver­hin­dern, dass das Flus­sys­tem des Ama­zo­nas völ­lig zer­stört wird. Übri­gens, auch deut­sche Unter­neh­men sind beteiligt.

Die umstrit­te­nen Vor­ha­ben zum Aus­bau der Was­ser­kraft am Ama­zo­nas gefähr­den nicht nur das gesam­te Sys­tem des Flus­ses, son­dern auch sei­ne Rol­le für das Weltklima.

Mit einem dring­li­chen Appell begann das sieb­te Welt­was­ser­fo­rum am Sonn­tag, den 12. April 2015 in Süd­ko­rea. Bei einer stark wach­sen­den Bevöl­ke­rung sei Was­ser das Risi­ko Num­mer eins für die glo­ba­le Gesell­schaft und ein fried­li­ches Mit­ein­an­der, sag­te Benedi­to Bra­ga, Vor­sit­zen­der des Welt­was­ser­rats, vor Hun­der­ten Dele­gier­ten aus aller Welt. Die Bot­schaft ist klar: Mit unse­rer wohl kost­bars­ten Res­sour­ce müs­sen wir deut­lich sorg­sa­mer umgehen.

Nur rund 3,5 Pro­zent der glo­ba­len Was­ser­men­ge sind Süß­was­ser, und davon wie­der­um ist nicht ein­mal ein Pro­zent als Trink­was­ser ver­füg­bar. Ein ver­schwin­dend gerin­ger Anteil. Mil­lio­nen Men­schen leben Tag für Tag mit den Fol­gen der Knapp­heit, ohne dass wir im was­ser­rei­chen Deutsch­land davon groß­ar­tig Notiz neh­men. Auch jen­seits der Gebie­te mit chro­ni­schem Was­ser­man­gel erlebt die Welt gera­de eine Rei­he beun­ru­hi­gen­der Bei­spie­le, wie abhän­gig und ver­wund­bar wir sind.

In Kali­for­ni­en herrscht extre­me Dür­re. Gan­ze Land­stri­che an der West­küs­te der USA trock­nen aus. Die Bevöl­ke­rung wur­de nun ver­pflich­tet, ihren Was­ser­ver­brauch um ein Vier­tel zu sen­ken. Sogar Prä­mi­en zahlt der Staat nun, wenn die Men­schen ihren Rasen ver­trock­nen lassen.

Mit ganz ande­ren Pro­ble­men müs­sen die Bra­si­lia­ner kämp­fen. Bei vie­len Bewoh­nern der Mil­lio­nen­stadt Sao Pau­lo kommt meh­re­re Tage pro Woche gar kein Was­ser mehr aus dem Hahn. Seit Jah­ren schon reg­net es kaum, die Spei­cher sind nur noch zu rund 15 Pro­zent gefüllt. Die Abhol­zung des Regen­wal­des im Ama­zo­nas for­dert ihren Tri­but und hat zu einer Ände­rung des Mikro­kli­mas geführt. Welch bit­te­re Iro­nie: Das Land mit den welt­weit größ­ten Süß­was­ser­re­ser­ven lei­det unter Wassermangel.

Was­ser­fall in São Pau­lo, Bra­si­li­en © Adria­no Gam­ba­ri­ni, WWF

Neben ille­ga­len Holz­fäl­lern und der Umwand­lung von Wald in Wei­de­flä­chen und Soja­plan­ta­gen sieht der Ama­zo­nas einer wei­te­ren Bedro­hung ent­ge­gen. Mehr als 250 Was­ser­kraft­wer­ke pla­nen die Ama­zo­nas-Staa­ten in der Regi­on, wie der World Wide Fund For Natu­re (WWF) in einer aktu­el­len Stu­die ermit­telt hat. Die meis­ten davon in Brasilien.

Soll­ten die Plä­ne ver­wirk­licht wer­den, ent­stün­de eine gigan­ti­sche neue Strom­ka­pa­zi­tät von umge­rech­net rund 80 Atom­kraft­wer­ken. Was­ser­kraft zählt zu den rege­ne­ra­ti­ven Ener­gien. Wie kann also der WWF, der stets für eine Ener­gie­wen­de in Deutsch­land und welt­weit wirbt, sich gegen die sau­be­re Was­ser­kraft aussprechen?

Tatsäch­lich ist Was­ser­kraft per se kei­ne schlech­te Tech­no­lo­gie. Doch wie bei jeder Tech­no­lo­gie muss sie mit Augen­maß ein­ge­setzt wer­den. Im vor­lie­gen­den Fall gleicht das Vor­ge­hen vie­ler süd­ame­ri­ka­ni­scher Regie­run­gen einer Brech­stan­ge. Nach Rea­li­sie­rung der Plä­ne ver­blie­ben ledig­lich drei frei flie­ßen­de Zubrin­ger­flüs­se des Ama­zo­nas – von der berühm­ten Wild­nis und Arten­viel­falt des größ­ten Regen­wald­ge­bie­tes der Erde wäre nicht viel übrig.

 

Hier ent­steht ein Was­ser­kraft­werk © Zig, Koch, WWF

Bau­vor­ha­ben gefähr­den das Weltklima

Die Bau­vor­ha­ben gefähr­den nicht nur das gesam­te Fluss­sys­tem mit sei­ner gro­ßen Bedeu­tung für die loka­le Bevöl­ke­rung, son­dern auch die wich­ti­ge Rol­le des Ama­zo­nas für das Welt­kli­ma. Unvor­stell­ba­re eine Mil­li­on Qua­drat­ki­lo­me­ter Flüs­se, Seen und Auen­wäl­der wären betrof­fen. Das ent­spricht nahe­zu der drei­fa­chen Flä­che Deutschlands.

Die Kraft­wer­ke sind auch ein Angriff auf die 30 Mil­lio­nen Bewoh­ner der Regi­on. Vie­le von ihnen müss­ten umge­sie­delt wer­den, ins­be­son­de­re indi­ge­ne Völ­ker wür­den ihre ange­stamm­ten Ter­ri­to­ri­en ver­lie­ren. Doch auch die­je­ni­gen, die blei­ben dür­fen, wer­den ver­lie­ren. Vie­ler­orts wird es zu einem Zusam­men­bruch der Fische­rei kom­men, die für die loka­le Bevöl­ke­rung von essen­ti­el­ler Bedeu­tung ist. Denn für Fische stel­len die Däm­me der Kraft­wer­ke ein unüber­brück­ba­res Hin­der­nis dar und zer­schnei­den ihre natür­li­chen Wanderwege.

In Bra­si­li­en rei­hen sich die Plä­ne ein in eine poli­ti­sche Kehrt­wen­de im Umwelt­schutz. In den letz­ten 20 Jah­ren konn­te das Land gro­ße Erfol­ge beim Schutz des Ama­zo­nas ver­zeich­nen. Allein zwi­schen 2004 und 2014 ist die Ent­wal­dung um 80 Pro­zent zurück­ge­gan­gen. Kein ande­rer Staat Süd­ame­ri­kas konn­te einen ver­gleich­ba­ren Erfolg vorweisen.

Doch seit eini­gen Jah­ren drän­gen die Agrar‑, Berg­bau- und Ener­gie­kon­zer­ne auf die poli­ti­sche Büh­ne. Sie set­zen auf eine völ­lig unge­brems­te Expan­si­on. Im Par­la­ment hat die frak­ti­ons­über­grei­fen­de Lob­by bereits mehr als die Hälf­te aller Abge­ord­ne­ten auf ihrer Sei­te. Nun bläst sie zum Groß­an­griff: Mit­hil­fe einer Ver­fas­sungs­än­de­rung und einem neu­en Berg­bau­ge­setz sol­len indi­ge­ne und staat­li­che Schutz­ge­bie­te auf­ge­löst wer­den kön­nen, wenn dies dem „natio­na­len Inter­es­se“ dient. Dass „natio­na­les Inter­es­se“ hier mit dem Inter­es­se der Kon­zer­ne gleich­ge­setzt wird, ver­steht sich von selbst.

Der WWF for­dert, dass Schutz­ge­bie­te und indi­ge­ne Ter­ri­to­ri­en strikt von den Kraft­werks­plä­nen aus­ge­nom­men wer­den. Gleich­zei­tig müs­sen auch bis­lang unge­schütz­te Fluss­sys­te­me erhal­ten wer­den. Doch wel­che Alter­na­ti­ven gibt es? Klar ist, dass sich der Strom­be­darf Bra­si­li­ens erhö­hen wird. Der WWF setzt sich daher für einen Strom-Mix ein, der neben Was­ser­kraft vor allem auch Wind, Son­ne und Bio­mas­se einschließt.

Das Land ver­fügt hier über rie­si­ge und bis­lang kaum genutz­te Poten­zia­le. Mit einer För­de­rung die­ser Tech­no­lo­gien und gleich­zei­ti­gen Maß­nah­men zur Stei­ge­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz könn­te die Strom­ver­sor­gung sicher­ge­stellt wer­den, ohne die Umwelt zu zer­stö­ren. Bra­si­li­en könn­te so ein zwei­tes Mal zum Vor­rei­ter und Vor­bild sei­ner Nach­bar­län­der werden.[/column] [/row]

Die­ser Arti­kel erschien am 16. April 2015 als Gast­bei­trag in der Frank­fur­ter Rund­schau.

 

Ich bin Diplom-Forstwirt und Südamerika-Referent beim WWF Deutschland - mit 15 Jahren Berufserfahrung in Lateinamerika und Afrika. Mindestens genauso lange arbeite ich auch schon für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes. Schwerpunkte meiner Arbeit sind die Ausweisung, der Schutz und die Finanzierung von Schutzgebieten, die Anpassung an den Klimawandel, die Bekämpfung der Entwaldung durch Vieh- Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte - und die Planung und Durchführung von umweltpolitischen Kampagnen.

Kommentare (1)

  • Die Zerstörung weiterer Gebiete des Amazonas, zur Gewinnung von Mineralien, hat auch mit der enormen Wegwerfgesellschaft der Industrienationen zu tun. Damit hat jeder Einzelnen von uns es in der Hand der Industrie die rote Karte zu zeigen:
    Denn muss ich alle zwei Jahre ein neues Smartphone habe? Muss ich immer den neuesten Flachbildschirm, die neuesten HiFi-Geräte und Computer, Tablet, usw. besitzen? Muss es immer das neueste Auto sein???
    Dies alles sind ROHSTOFFE, die z.T. nur in Regenwaltgebieten vorkommen.
    Also: Jeder und Jede einzelne von uns hat es in der Hand!
    Genauso Aluminium: um dieses Mineral überhaupt herstellen zu können brauch man Bauxit, Bauxit aber kommt nur in den Tiefen unter den Regenwäldern vor, ist sehr schwer und nur unter Einsatz weiterer Chemikalien abbaubar. D.h. einmal ausgebeutete Gebiete sind über Jahrzehnte verseucht!
    Zur Herstellung von Computerchips werden Silikate benötigt, auch diese kommen nur unter Regenwäldern vor!
    Denkt bitte doch alle mal über euer Konsumverhalten nach!
    Und liebe Smartphoneherrsteller, auch ihr solltet dringend mal über eure Bauweise der Smartphone-Selbstzerstörung nach zwei Jahren nachdenken! Wir alle tragen eine Verantwortung für unsere Umwelt!
    Alleine dieser Sommer in Deutschland ist schon mal wieder ein deutlicher Vorgeschmack auf das was uns in Zukunft erwartet: extreme Hitze wechselt sich ab mit extremen Regenfällen, und heftigen Sommerstürmen oder gar Orkanen, wie man sie sonst maximal alle2 Jahre in Herbat oder Frühling hatte, ab. Nun sind es alleine in diesem Jahr ca. 4 heftige Orkane alleine in Nord-West-Deutschland gewesen. Wollt ihr den Klimawndel immer noch leugnen? Wollt ihr eure und unsere Mitschulschuld immer noch leugnen?

    Schon seit Jahrzehnten wissen wir wie wichtig die Regenwälder der gesamten Erde und allen voran der Amazonas für die Stabilität des Weltklimas und für die Sauerstoffproduktion in unserer Atmosphäre sind!!!
    Ohne Sauerstoff könnt auch ihr nicht mehr Leben!!!

    Ich hoffe mit diesem Beitrag den ein oder anderen zum Nachdenken gebracht zu haben!
    Liebe Grüße,
    Gertje

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