Para­nüs­se: Wenn Tro­pen­wald­schutz Früch­te trägt

Paranüsse: Aus dem Regenwald in den Supermarkt © Aloyana Lemos / Origens Brasil

Para­nüs­se stam­men aus dem Ama­zo­nas. Doch um sie zu ern­ten, wird kein Regen­wald abge­holzt. Im Gegen­teil. Denn der Para­nuss­baum ist öko­lo­gisch betrach­tet etwas ganz Beson­de­res — er braucht ein intak­tes Regen­wald-Öko­sys­tem, um Früch­te zu pro­du­zie­ren. Alle Para­nüs­se in unse­ren Super­märk­ten sind daher wild im Regen­wald gesam­melt worden.

Para­nuss: Ein­zig­ar­ti­ges Zusam­men­spiel der Natur

Weit über­ragt die run­de Kro­ne das dich­te, grü­ne Blät­ter­dach der Ama­zo­nas-Regen­wäl­der: Para­nuss­bäu­me (Bert­hol­le­tia excel­sa) sind sehr groß, bis zu 55 Meter und gehö­ren zu den Bäu­men, die das obers­te Stock­werk der Tro­pen­wäl­der bil­den. Doch ohne die Bäu­me und Sträu­cher dar­un­ter wür­den hier kei­ne Para­nüs­se wach­sen. Die ver­schie­de­nen Schich­ten des Urwal­des die­nen sozu­sa­gen als Trep­pen­haus für die ein­zi­gen Wild­bie­nen, die fähig sind, die Para­nuss-Blü­ten zu bestäu­ben. Und das aus­ge­klü­gel­te öko­lo­gi­sche Zusam­men­spiel geht noch weiter!

Urwald-Rie­se Para­nuss­baum © And­re Dib / WWF Brazil

Der Para­nuss-Baum wird haupt­säch­lich von den weib­li­chen Orchi­deen­bie­nen (Euglos­si­ni) bestäubt. Sie sind groß und kräf­tig genug, um nöti­ge Distan­zen zu über­win­den und die gro­ßen Blü­ten des Bau­mes auf­zu­klap­pen. Als Ein­zel­gän­ge­rin­nen kön­nen die Orchi­deen­bie­nen aber nicht wie unse­re Bie­nen gezüch­tet wer­den. Auch das ist ein Grund, war­um Para­nüs­se nicht gut auf Plan­ta­gen wach­sen.

Die männ­li­chen Orchi­deen­bie­nen benö­ti­gen außer­dem bestimm­te Orchi­deen, die nur in einem intak­ten Regen­wald vor­kom­men, um mit ihrem Duft die Weib­chen zur Paa­rung anzu­lo­cken. Ohne die­se Orchi­deen kei­ne Orchi­deen­bie­nen, also auch kei­ne Paranüsse.

Schließ­lich braucht der Baum noch den Aguti: Ein Nage­tier, das die Samen im Regen­wald ver­teilt. Es ist mit dem Meer­schwein­chen ver­wandt und einer der weni­gen Regen­wald­be­woh­ner, die fähig sind, die har­ten, her­un­ter gefal­le­nen Para­nuss-Kap­seln zu knacken.

Ihr seht, es ist eine aus­ge­feil­te, kaum nach­zu­ah­men­de Sym­bio­se der Natur, die Para­nüs­se wach­sen lässt und den Baum für den Natur­schutz extrem wert­voll macht. Durch die Para­nuss trägt der Erhalt gro­ßer, intak­ter Wald­öko­sys­te­me buch­stäb­lich Früchte.

Orchi­deen­bie­ne © San­ti­ma­ni­tay / iStock / Get­ty Images

Aguti © Green­Rey­nolds / iStock / Getty-Images

Wo kom­men Para­nüs­se her?

Der nord­bra­si­lia­ni­sche Bun­des­staat Pará ist namens­ge­bend für die Nuss. Para­nüs­se wach­sen in den tro­pi­schen Regen­wäl­dern Guya­nas und des Ama­zo­nas­be­ckens von Vene­zue­la bis Bra­si­li­en. Des­halb wäre es eigent­lich rich­tig, sie Ama­zo­nas­nuss zu nen­nen. Die meis­ten Para­nuss­bäu­me wach­sen in Bra­si­li­en, größ­ter Pro­du­zent für den Welt­markt ist heu­te Boli­vi­en.

Wie gesund sind Paranüsse?

In der halb­mond­för­mi­gen Para­nuss ste­cken zahl­rei­che Nähr­stof­fe wie Magne­si­um, Kali­um, Eisen, Zink, Vit­amin E und unge­sät­tig­te Fett­säu­ren. Vegetarier:innen und Veganer:innen schät­zen sie vor allem wegen des hohen Gehal­tes an pflanz­li­chem Eiweiß. Auch sind sie beson­ders reich an Selen, einem Spu­ren­ele­ment, das unter ande­rem wich­tig für die Zel­ler­neue­rung und das Immun­sys­tem ist. Bereits eine ein­zel­ne Nuss deckt den Tagesbedarf!

Har­te Scha­le, gehalt­vol­ler Kern © Michel Gun­ther / WWF

Para­nüs­se sind wie ande­re Nüs­se anfäl­lig für Schim­mel­pil­ze (Afla­to­xi­ne), beson­ders weil sie wild im feuch­ten Regen­wald gesam­melt wer­den müs­sen. Durch gute Prak­ti­ken beim Sam­meln, Trock­nen und Lagern kann der Befall jedoch ver­mie­den wer­den. Außer­dem wer­den die für den euro­päi­schen Markt bestimm­ten Nüs­se beson­ders strikt auf mög­li­che Afla­to­xi­ne geprüft.

Para­nüs­se haben aber noch aus einem ande­ren Grund eine Son­der­stel­lung. Über ihr dün­nes Wur­zel­ge­flecht neh­men die Para­nuss­bäu­me radio­ak­ti­ves Radi­um aus dem Boden auf, wel­ches sich in den Nüs­sen anrei­chert. Zwar kom­men auch in vie­len ande­ren Lebens­mit­teln mini­ma­le Dosen radio­ak­ti­ver Stof­fe vor, jedoch ist sie in Para­nüs­sen beson­ders hoch. Daher emp­fiehlt das Bun­des­amt für Strah­len­schutz nicht mehr als 2–3 Nüs­se (8 Gramm) pro Tag zu essen.

Para­nuss: Frucht der Indigenen

Para­nuss-Ern­te hat Tra­di­ti­on © Adria­no Gam­ba­ri­ni / WWF Living Ama­zon Initiative

Indi­ge­ne Völ­ker Ama­zo­ni­ens sam­meln die Para­nuss schon seit Jahr­tau­sen­den. Die Tat­sa­che, dass der Para­nuss­baum heu­te meis­tens in Grup­pen vor­kommt, führt man auch dar­auf zurück, dass sie von Indi­ge­nen vor hun­der­ten von Jah­ren ange­pflanzt wurden.

Ende des 19. Jahr­hun­derts wur­de das Ama­zo­nas­be­cken dann auch von Kau­tschuk­samm­lern besie­delt. Außer­halb der Ern­te­zeit des Kau­tschuks fin­gen die­se bald an, eben­falls Para­nüs­se zu sam­meln. Cast­an­hei­ros nen­nen sich die Sammler:innen und sind heu­te in Bra­si­li­en als tra­di­tio­nel­le Völ­ker aner­kannt. Ihre Gemein­den fal­len unter eine eige­ne Schutz­ka­te­go­rie, die ihnen gro­ße Ter­ri­to­ri­en zusichert.

Wie nach­hal­tig ist das Sam­meln von Paranüssen?

Die Arbeit ist müh­sam und nicht unge­fähr­lich. Die Para­nuss­bäu­me ste­hen mit­ten im Regen­wald, oft meh­re­re Stun­den Fuß­marsch von der Sied­lung ent­fernt. Die Sammler:innen blei­ben in der Ern­te­zeit manch­mal meh­re­re Tage im Wald in der Nähe der Bäu­me. Para­nüs­se wach­sen in Kokos­nuss-ähn­li­chen Kap­seln, die aus gro­ßer Höhe her­un­ter­fal­len, wenn sie reif sind. Um an die Nüs­se zu kom­men, müs­sen die sehr har­ten Kap­seln per Hand auf­ge­schla­gen wer­den. Nach dem Her­aus­schla­gen der Samen – in guter Ent­fer­nung von den Bäu­men – wer­den die­se dann in Säcke ver­packt, trans­por­tiert und spä­ter getrocknet.

Beschwer­li­che Arbeit © Dado Gal­die­ri / WWF

Natür­lich nimmt, wer Wild­früch­te sam­melt, immer auch Ein­fluss auf den natür­li­chen Kreis­lauf. Einer­seits feh­len die­se Früch­te als Nah­rungs­quel­le im Wald, ande­rer­seits tra­gen sie nicht mehr zur Aus­brei­tung des Bau­mes bei. Der­ar­ti­ge Aus­wir­kun­gen sind beim Sam­meln der Para­nüs­se in den dich­ten Regen­wäl­dern des Ama­zo­nas jedoch gering und wer­den heu­te durch spe­zi­el­le Manage­ment­tech­ni­ken noch wei­ter vermindert.

Das Fäl­len gan­zer Bäu­me, um an ihre Nüs­se zu kom­men, ist in Bra­si­li­en, Boli­vi­en und Peru ver­bo­ten. Es wäre aber auch kon­tra­pro­duk­tiv. Denn Para­nuss­bäu­me brau­chen vie­le Jah­re, um zu wach­sen. 500 Jah­re kann ein Para­nuss­baum alt wer­den und es dau­ert Jahr­zehn­te, bis er Früch­te trägt.

Fol­ge uns in Social Media

Öko­lo­gisch, kul­tu­rell, sozial

Pro­duk­te aus dem Regen­wald für den Regen­wald © Loiro Cun­ha / Ori­gens Brasil

Wir vom WWF unter­stüt­zen in ver­schie­de­nen Pro­jek­ten in Bra­si­li­en und Boli­vi­en die nach­hal­ti­ge Ern­te von Para­nüs­sen und die indi­ge­nen und tra­di­tio­nel­len Gemein­den, die sich damit ihren Lebens­un­ter­halt sichern. Die Para­nuss ist ein gutes Bei­spiel dafür, wie eng ver­bun­den die bio­lo­gi­sche, kul­tu­rel­le und sozia­le Viel­falt sein kön­nen und wie wich­tig es ist, das Gro­ße und Gan­ze in sei­ner Ver­bin­dung zu erhal­ten und zu fördern.

Die Para­nuss bie­tet Lebens­grund­la­ge für indi­ge­ne und tra­di­tio­nel­le Gemein­den, trägt zur Erhal­tung ihrer Kul­tur bei und ver­min­dert die Attrak­ti­vi­tät räu­be­ri­scher Ein­kom­mens­quel­len wie Holz­ein­schlag und Berg­bau, indem sie den intak­ten Wald in Wert setzt.

Bei­spiel Brasilien

In unse­rem neu­es­ten Pro­jekt in Bra­si­li­en – und gleich­zei­tig unse­rem größ­ten in Süd­ame­ri­ka – arbei­ten wir mit ver­schie­de­nen indi­ge­nen und tra­di­tio­nel­len Völ­kern zusam­men. Zum Bei­spiel mit den Pai­ter Surui aus dem bra­si­lia­ni­schen Bun­des­staat Ron­dô­nia. Ein wich­ti­ges Ziel des Pro­jek­tes ist, für die indi­ge­ne Bevöl­ke­rung alter­na­ti­ve, nach­hal­ti­ge Ein­kom­mens­mög­lich­kei­ten zu schaf­fen, die es ihnen ermög­li­chen, selbst­be­stimmt zu leben und gleich­zei­tig zur Ent­wick­lung der Gemein­den beizutragen.

Gemein­sam wol­len wir eine Wert­schöp­fungs­ket­te für Para­nüs­se so auf­bau­en, dass Käufer:innen im Super­markt erken­nen kön­nen, wo und durch wel­che Gemein­den die Para­nüs­se geern­tet wur­den und dadurch bereit sind, einen fai­ren Preis zu bezah­len. Zu unse­ren Maß­nah­men zäh­len Fort­bil­dun­gen hin­sicht­lich der Ern­te, Auf­bau der nöti­gen Infra­struk­tur zu Wei­ter­ver­ar­bei­tung, Ein­füh­rung eines Sys­tems zur Nach­ver­folg­bar­keit und Zer­ti­fi­zie­rung der Pro­duk­ti­on sowie die Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen für den Marktzugang.

Hier noch ein Video des Zer­ti­fi­zie­rungs­sys­tems Ori­gens Bra­sil:

Mit dem WWF-News­let­ter nichts mehr verpassen!

Fol­ge uns in Social Media:
Ich bin Ökologe mit einem Fokus auf Wald- und Flussökosystemen. Beim WWF bin ich für Projekte in Brasilien zuständig. Dort habe ich bereits viele Jahre in der Amazonasregion gelebt und mich für den Schutz der Tropenwälder und die Rechte indigener und traditioneller Völker eingesetzt.
Auch interessant
[Sassy_Social_Share]