Leh­ren aus dem tra­gi­schen Tod der Nas­hör­ner in Tsa­vo East

Nashorn bei der Umsiedlung nach Tsavo East © Christiane Flechtner

Der tra­gi­sche Tod der Nas­hör­ner im Som­mer 2018 ist ein schwe­rer Schlag für den Schutz der bedroh­ten Spitz­maul­nas­hör­ner. Für alle, denen der Arten­schutz am Her­zen liegt. Und für mich per­sön­lich. Weil ich lan­ge mit viel Herz­blut und Über­zeu­gung für genau die­se Umsied­lung gear­bei­tet habe. Und bei einem Teil der Umsied­lun­gen dabei war.

Die offi­zi­el­len Unter­su­chungs­er­geb­nis­se der staat­li­chen Umwelt­be­hör­de Ken­yan Wild­life Ser­vice KWS las­sen aber immer noch auf sich warten.

Die Lage der Nas­hör­ner in Kenia

Kenia hat nach Süd­afri­ka und Nami­bia die meis­ten Nas­hör­ner in Afri­ka. In Kenia wer­den aber auch immer noch Nas­hör­ner gewil­dert. In eini­gen Natio­nal­parks wer­den die Nas­hör­ner sehr auf­wän­dig bewacht. Dort sind sie auch sicher, und ver­meh­ren sich gut. Da die­se Schutz­ge­bie­te, wie der Naku­ru und Nai­ro­bi Natio­nal­park, sehr klein und weit­ge­hend ein­ge­zäunt sind, gibt es dort aller­dings jetzt sogar zu vie­le Nas­hör­ner, die dann um Nah­rung und Ter­ri­to­ri­en kon­kur­rie­ren. Im mehr als 11.000 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ßen Natio­nal­park Tsa­vo East, etwa sechs Auto­stun­den west­lich von Nai­ro­bi, gab es auch mal sehr vie­le Nas­hör­ner. Vor 70 Jah­ren waren es noch fast 20.000! Es ist das per­fek­te Schutz­ge­biet für ihr lang­fris­ti­ges Über­le­ben. Groß genug für eine gro­ße,  über­le­bens­fä­hi­ge Popu­la­ti­on. Es gibt reich­lich Platz, mehr als genug Büsche und Bäu­me zum Ver­ste­cken. Durch die Wil­de­rei leben dort aber nur noch sehr weni­ge Nas­hör­ner. Es sind gera­de mal fünfzehn.

Der Plan

Der seit Jah­ren geheg­te Plan war, Nas­hör­ner aus ande­ren kenia­ni­schen Parks wie­der in Tsa­vo East anzu­sie­deln. Genau­er: in einem streng über­wach­ten Hoch­si­cher­heits­schutz­ge­biet im Süden des Natio­nal­parks. Uns war natür­lich klar, dass das extrem auf­wän­dig und immer auch eine ris­kan­te Akti­on ist. Für die Pla­nung, Koor­di­na­ti­on und Durch­füh­rung der Umsied­lung selbst war der staat­li­che Kenya Wild­life Ser­vice, kurz KWS ver­ant­wort­lich. Der KWS hat­te zuvor schon über 150 Nas­hör­ner umge­sie­delt. Die Ster­be­ra­te lag dabei unter fünf Pro­zent. Als Part­ner des KWS waren wir von der Not­wen­dig­keit und Mach­bar­keit des Pro­jekts Tsa­vo East voll über­zeugt. Des­we­gen haben wir als WWF die­ses Pro­jekt als wich­ti­gen Bei­trag für das lang­fris­ti­ge Über­le­ben der kenia­ni­schen Nas­hör­ner finan­zi­ell unterstützt.

Die Kata­stro­phe

Nach dem die Nas­hör­ner per LKW in Tsa­vo East anka­men, star­ben sie alle inner­halb weni­ger Tage. Eine Kata­stro­phe. Ich war gera­de auf dem Rück­flug nach Deutsch­land, als mich die Nach­rich­ten von den ers­ten toten Tie­ren erreich­ten. Ich kann die­sen Schock nur schwer beschrei­ben. Wir haben sofort Hil­fe bei der Auf­klä­rung ange­bo­ten. Doch das zustän­di­ge Minis­te­ri­um hat dann alle Ermitt­lun­gen an sich gezo­gen. Dazu muss man wis­sen: Der Tod der Nas­hör­ner ist in Kenia eine mitt­le­re Staats­af­fä­re. Die Nas­hör­ner sind sozu­sa­gen natio­na­le Iko­nen. Außer­dem hängt cir­ca ein Drit­tel der Devi­sen­ein­nah­men vom Tou­ris­mus ab. Und Tou­ris­mus bedeu­tet in Kenia zum gro­ßen Teil Natur, Safa­ri, Tiere.

Wann wir Umsiedeln

Wir wuss­ten natür­lich alle vor­her, dass der Trans­port und die Anpas­sung an den neu­en Lebens­raum Stress für die Tie­re bedeu­ten. Alle Umsied­lun­gen sind daher hoch ris­kant. Des­halb gehen wir die­ses Risi­ko nur dann ein, wenn der Ver­zicht auf eine Umsied­lung kei­ne Opti­on ist. Wenn die Umsied­lung das letz­te Mit­tel ist, um das Über­le­ben einer Art oder Popu­la­ti­on zu sichern. Wenn zu die­sem Mit­tel gegrif­fen wird, ist die Umsied­lung die ein­zi­ge ver­blie­be­ne Option.

Unse­re Lehren

Auch wenn die Ver­ant­wor­tung für alle Aspek­te der Umsied­lung zu jeder Zeit voll­stän­dig in den Hän­den der Behör­de lag und für uns die Sicher­heit der Tie­re stets an ers­ter Stel­le steht, haben wir inzwi­schen noch stren­ge­re Stan­dards und Prü­fun­gen für alle Pro­jek­te und Maß­nah­men­zu ent­wi­ckeln, bei denen bedroh­te Tier­ar­ten umge­sie­delt, zum Bei­spiel für Besen­de­run­gen oder Unter­su­chun­gen betäubt oder trans­por­tiert wer­den müs­sen. Wir ver­schär­fen damit noch­mals unse­re Anfor­de­run­gen. Wir wer­den in Zukunft ins­be­son­de­re die Risi­ken noch umfas­sen­der ana­ly­sie­ren und auch die Stan­dards unse­rer Part­ner, die die Umsied­lung durch­füh­ren, schär­fer kon­trol­lie­ren. Wir wer­den noch enger mit exter­nen wis­sen­schaft­li­chen Exper­ten, vor allem Vete­ri­nä­ren, zusammenarbeiten.

Natür­lich macht das kei­nes unse­rer Nas­hör­ner wie­der leben­dig. Es wird trotz aller Anstren­gun­gen auch nie­mals völ­lig aus­zu­schlie­ßen sein, dass Tie­re in Fol­ge einer Umsied­lung ster­ben. Aber wir tun alles, damit es nicht passiert.

Vor allem aber muss alles getan wer­den, damit Arten und Popu­la­tio­nen gar nicht erst so bedroht sind, dass sol­che ris­kan­ten Maß­nah­men wie Umsied­lun­gen not­wen­dig werden.

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Ich bin Biologe und Geograph und seit 2009 Afrika-Referent beim WWF. Ich bin zuständig für die Projekte des WWF Deutschland im südlichen und östlichen Afrika, insbesondere in Kenia und Tansania, wo ich auch viele Jahre gearbeitet und gelebt habe. Derzeit arbeite ich insbesondere an der Ausweitung und dem besseren Management wichtiger Schutzgebiete, einem umfassenden Artenschutzprogramm für Nashörner und Elefanten sowie großflächigen Waldschutzprogrammen.

Kommentare (3)

  • Ich war 18 Jahre in Kenia tätig.
    Das die umgesiedelt Nashörner tot sind wundert mich ehrlich gesagt nicht. Korruption und Wilderei machen den Tieren dort das (über-)leben unmöglich.
    Tiere töten ist dort so selbstverständlich wie "das Vertuschen der Töterei in Deutschlands Schlachthöfen".
    Der einzige Unterschied von Deutschland und Kenia: In Kenia werden die/alle Tiere ohne Schlachthof (in der Natur) abgeschlachtet.
    Beides verdient einfach nur Verachtung!

    • Ich habe für die Umsiedlung eines Nashorn von Tsavo West nach Tsavo East per Helikopter 500 € gespendet und habe ich entsetzt gefragt, wie eine solche Aktion so tragisch ausgehen kann, dass offenbar alle Nashörner umkamen.
      Lag es an mangelhafter Vorbereitung, fehlender Kenntnis (es war vom "falschen" Wasser die Rede) oder woran?
      In dem hier abgedruckten Bericht war übrigens die Rede von Transport mit Lastwagen die Rede, was mich stutzig macht.
      ich habe fünf Silberpatenschaften und frage mich, ob das Geld gut angelegt ist. Ich würde gern auch noch mehr tun...
      Mit Gruß,
      L. Jarvis

  • Sehr geehrte Frau Jarvis,
    vielen Dank für Ihre Anfrage! Ich bin der Projektverantwortliche für das östliche Afrika beim WWF-Deutschland. Mich ganz persönlich hat der Verlust der Nashörner sehr betroffen gemacht, vor allem da zuvor in Kenia schon über 150 Nashörner -mit wenigen Ausnahmen- erfolgreich umgesiedelt wurden.
    Tatsächlich war das Wasser vor Ort, zumindest für Tiere, die nicht daran gewöhnt sind, wohl zu salzig, bzw. zu alkalisch. Dies war durch klare Versäumnisse bei der staatlichen Behörde unentdeckt geblieben. Hinzu kamen nach den unabhängigen Untersuchungen die kombinierte Wirkung mit Bakterieninfektionen und Stress. Leider sind solche Umsiedlungen aber auch ohne solch gravierende Fehler immer mit erheblichem Risiko verbunden. Nichts desto trotz sind sie unbedingt erforderlich. In den kleinen Schutzgebieten, in denen sich die Nashörner derzeit gut bewacht vermehren, sind es schon zu viele Tiere auf zu engem Raum, die daher ständig miteinander in Konflikt geraten und deren Vermehrungsrate ab einer gewissen Dichte abnimmt. Zugleich sind diese Gebiete und Populationen auf Dauer zu klein, um überlebensfähige Populationen zu erhalten. Daher sind Umsiedlungen auch zukünftig dringend erforderlich.
    Der WWF wird aber nur dann erneute Maßnahmen unterstützen, wenn eine lückenlose Sicherung der notwendigen Standards und doppelten wissenschaftlichen Überwachung gegeben ist. Dazu haben wir aus dem tragischen Vorfall umfassend gelernt. Detaillierte Abkommen u.a. mit der für die Durchführung verantwortliche staatliche Wildtierbehörde legen genau fest, wie hier zukünftig zu verfahren ist. Noch bessere Methoden, unabhängige wissenschaftliche Partner und international vereinheitlichte „Best-Practice-Standards“ müssen dann zum Einsatz kommen.
    Auch die durchführende Wildtierbehörde hat zahlreiche interne Maßnahmen ergriffen, damit sich solche Fehler nicht mehr wiederholen können. Bevor der WWF erneute Umsiedlungen finanziert oder unterstützt, müssen sich all diese Schritte aber erst bei verschiedensten anderen Projektmaßnahmen, wie Markierungen und Besenderungen, die weit weniger riskant sind, bewähren.
    Ihre Unterstützung war trotzdem keineswegs völlig umsonst- die Spendeneinnahmen wurden nicht nur für die Umsiedlungen selbst, sondern auch für den Aufbau von speziellen Ranger-Einheiten und dem Nashorn- Schutzgebiet verwendet, die weiterhin zum Einsatz kommen. Die im Tsavo- Nationalpark lebenden -durch zwei Geburten inzwischen 14 Nashörner- können so optimal geschützt werden, zum geeigneten Zeitpunkt und nach umfassender Prüfung aller Lebensbedingungen sollen dann ggf. weitere Tiere folgen.
    Übrigens kamen bei den letzten Umsiedlungen zwar Hubschrauber zum Einsatz, um die Tiere möglichst schonend zu betäuben, der Transport selbst musste aber dann aber doch per Lastwagen erfolgen, da sich die Entfernung für den Transport per Hubschrauber als zu weit und riskant herausgestellt hat.
    Den LKW-Transport selbst hatten alle Tiere (wie über 100 andere in Kenia zuvor) auch gut überstanden. Umso trauriger war dann die folgende Tragödie.
    Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen hinreichend beantworten, und möchte Ihnen sehr herzlich danken, dass Sie uns trotz dieser Tragödie weiter unterstützen. Zum Glück sind übrigens unsere sonstigen Anstrengungen zum Nashornschutz bisher sehr erfolgreich, so konnte z.B. die Wilderei auf Nashörner praktisch völlig zum Erliegen gebracht werden, alle Tiere des wachsenden kenianischen Bestandes konnten gezählt, markiert und genetisch erfasst. Weitere Ranger-Spezialeinheiten im ganzen Land werden vom WWF ausgebildet und ausgerüstet, um die Nashörner umfassend zu bewachen. Schrittweise wird so ein nationaler Schutzplan umgesetzt.
    Gerne können Sie sich bei weiteren Fragen unter johannes.kirchgatter@wwf.de jederzeit direkt an mich wenden,
    mit herzlichen Grüßen

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