War­um es Quatsch ist, das Hei­zungs­ge­setz abzuschaffen

Wie soll es weitergehen mit dem Heizungsgesetz? © DIRK SEYFRIED PHOTOGRAPHY / iStock / Getty Images

Das Hei­zungs­ge­setz steht erneut unter mas­si­vem poli­ti­schem Druck. Eini­ge wol­len es refor­mie­ren, ande­re es abschaf­fen. Drei The­sen, war­um die Abschaf­fung Quatsch wäre.

Jens Spahn (CDU) bezeich­net das Gebäu­de­en­er­gie­ge­setz (GEG) — umgangs­sprach­lich Hei­zungs­ge­setz genannt- als „Unsinn“. Bau­mi­nis­te­rin Kla­ra Gey­witz (SPD) will es grund­le­gend refor­mie­ren, die FDP spricht vom „Büro­kra­tie­mons­ter“. Oft genutz­te Argu­men­te: Das Gesetz sei zu teu­er, zu kom­pli­ziert und büro­kra­tisch, was die Men­schen über­for­dern. Das fin­de ich so pau­schal erst­mal quatsch.

In der Poli­tik wer­den ein­fa­che Lösun­gen auf sehr kom­ple­xe Pro­ble­me gebo­ten. So mag die Abschaf­fung des  Hei­zungs­ge­set­zes als Ent­las­tung erschei­nen. Es hät­te jedoch gra­vie­ren­de Fol­gen – für die Umwelt, den Kli­ma­schutz, die Verbraucher:innen und die sozia­le Gerech­tig­keit. Dabei darf nicht ver­ges­sen wer­den: Das GEG ist das ers­te ech­te Kli­ma­schutz­in­stru­ment für den Gebäu­de­sek­tor. Ohne eine kon­se­quen­te Wär­me­wen­de und den Aus­stieg aus fos­si­len Heiz­quel­len wird es unmög­lich sein, die Kli­ma­kri­se wirk­sam zu bekämp­fen und die gesteck­ten Kli­ma­zie­le zu errei­chen. Ich fin­de: Eine Abschaf­fung wäre bewuss­te Igno­ranz gegen­über den viel­fäl­ti­gen und kom­ple­xen Herausforderungen.

Ich möch­te anhand von drei The­sen exem­pla­risch auf­zei­gen, was es bedeu­tet, wenn das Hei­zungs­ge­setz abge­schafft wird – und war­um das ein völ­lig fal­sches Signal wäre.

The­se 1: Ohne das Hei­zungs­ge­setz rückt die Kli­ma­neu­tra­li­tät in noch wei­te­re Ferne

Gebäu­de­wär­me ver­ur­sacht rund 15 Pro­zent der deut­schen CO₂-Emis­sio­nen – ohne den Gebäu­de­sek­tor kann die Kli­ma­neu­tra­li­tät daher nicht erreicht wer­den. Genau hier setzt das Gebäu­de­en­er­gie­ge­setz an: Es soll alte, inef­fi­zi­en­te Heiz­sys­te­me durch moder­ne, ver­brau­cher­freund­li­che sowie umwelt- und kli­ma­freund­li­che Tech­no­lo­gien erset­zen. Ohne die­ses Gesetz blie­be der Gebäu­de­sek­tor ein unkon­trol­lier­ter Kli­ma­sün­der und die Fol­gen wären fatal. Deutsch­land wür­de nicht nur sei­ne Kli­ma­zie­le ver­feh­len, son­dern auch sei­ne inter­na­tio­na­le Vor­rei­ter­rol­le im Kampf gegen die Kli­ma­kri­se einbüßen.

Das GEG ist das Ergeb­nis inten­si­ver und oft kon­tro­ver­ser Ver­hand­lun­gen. Es spie­gelt einen Kom­pro­miss zwi­schen drei Par­tei­en wider, die ursprüng­lich grund­le­gend unter­schied­li­che Posi­tio­nen ver­tra­ten. Ist das Gesetz per­fekt? Nein. Unse­re Kri­tik, dass Kli­ma- und Ver­brau­cher­schutz ambi­tio­nier­ter gestal­tet wer­den müs­sen, bleibt berech­tigt. Doch das Gesetz mar­kiert erst­mals eine kla­re Rich­tung für die Wär­me­wen­de – eine Rich­tung, die es zuvor so noch nicht gab. Eine Abschaf­fung wür­de die­se Rich­tungs­wei­sung wie­der ver­nich­ten mit all der Mühe, die sie gekos­tet hat, und statt­des­sen Unsi­cher­heit schüren.

Noch schlim­mer: Deutsch­land ver­lö­re ein zen­tra­les Werk­zeug, um die selbst­ge­steck­ten Kli­ma­zie­le zu errei­chen. Genau in einer Zeit, in der ent­schlos­se­nes Han­deln gegen die Kli­ma­kri­se ent­schei­dend ist, wür­de dies ein fata­les Signal sen­den – mit weit­rei­chen­den Fol­gen für die Zukunft unse­res Pla­ne­ten. Das GEG ist nicht per­fekt. Und ja, es ist auch nicht ambi­tio­niert genug im Kli­ma­schutz-Sin­ne. Aber ohne das Hei­zungs­ge­setz fehlt ein zen­tra­les Stück im Puz­zle der Klimaschutzinstrumente.

The­se 2: Ohne För­de­rung wer­den vor allem ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te im Stich gelassen

Fakt ist: Fos­si­le Ener­gien sind nicht nur extrem preis­schwan­kend, sie wer­den durch den CO₂-Preis und Bei­mi­schungs­ver­pflich­tun­gen von Bio­me­than oder „Bio­öl“ künf­tig ste­tig teu­rer. Das Instru­ment des CO₂-Prei­ses ist rich­tig und wich­tig und wird ins­be­son­de­re von den­sel­ben Akteu­ren, die die Abschaf­fung des GEG for­dern, als Kli­ma­schutz­in­stru­ment bevor­zugt. Syn­the­ti­sche Brenn­stof­fe, oft fälsch­lich als kli­ma­freund­li­che und gleich­wer­ti­ge Alter­na­ti­ve ange­prie­sen, sind äußerst inef­fi­zi­ent und benö­ti­gen 3–5 mal so viel erneu­er­ba­ren Strom wie die direkt­elek­tri­sche Nut­zung. Zudem wer­den sie kaum in aus­rei­chen­dem Umfang oder zu ver­tret­ba­ren Kos­ten ver­füg­bar sein.

Den­noch igno­rie­ren man­che Poli­ti­ker die­se Fak­ten, wenn sie sol­che Tech­no­lo­gien als Lösung emp­feh­len und gleich­zei­tig for­dern, staat­li­che För­de­run­gen zu strei­chen, wie es Jens Spahn vor kur­zem getan hat. Das ist der fal­sche Weg. So wer­den Verbraucher:innen getäuscht, in Kos­ten­fal­len gelockt und Haus­hal­te lang­fris­tig im Regen ste­hen gelassen.

Ver­gleichs­wei­se hohen Inves­ti­tio­nen ste­hen teils wesent­lich güns­ti­ge­re Betriebs­kos­ten gegen­über © IMAGO / Dani­el Reinhardt

Also braucht es kos­ten­güns­ti­ge Alter­na­ti­ven, von denen Haus­hal­te lang­fris­tig pro­fi­tie­ren. Sol­che Optio­nen sind etwa Wär­me­pum­pen. Ja, aus­ge­rech­net die viel­dis­ku­tier­te Wär­me­pum­pe. Ver­gleichs­wei­se hohen Inves­ti­tio­nen ste­hen teils wesent­lich güns­ti­ge­re Betriebs­kos­ten gegen­über – lang­fris­tig zahlt es sich deut­lich aus. Denn auch der CO2-Preis fällt nicht an. Fos­si­le Brenn­stof­fe blei­ben auf lan­ge Sicht die kost­spie­li­ge­re und kli­ma­schäd­li­che­re Opti­on. Ein­kom­mens­schwa­che soll­ten natür­lich stär­ker beim Kauf einer neu­en kli­ma­freund­li­chen Hei­zung unter­stützt wer­den. Mit der erneu­er­ten „Bun­des­för­de­rung für effi­zi­en­te Gebäu­de“ erhal­ten Haus­hal­te mit einem Ein­kom­men unter 40.000 Euro brut­to seit 2024 erst­mals einen Son­der­bo­nus: Bis zu 70 Pro­zent der Kos­ten eines Hei­zungs­wech­sels wer­den über­nom­men. Lang­fris­tig sind Wär­me­pum­pen oft die güns­tigs­te Alter­na­ti­ve – und auch Sanie­run­gen wir­ken sich posi­tiv aus.

Das ist ein wich­ti­ger sozi­al­po­li­ti­scher Fort­schritt, denn die stei­gen­den Ener­gie­prei­se belas­ten vor allem die­je­ni­gen, die ohne­hin wenig haben. Die Abschaf­fung sol­cher För­de­run­gen wäre ein mas­si­ver Rück­schritt. Statt­des­sen soll­te man die För­der­pro­gram­me lang­fris­tig absi­chern und sie stär­ker ein­kom­mens­ab­hän­gig aus­ge­stal­ten, auch für Sanie­run­gen. Nur so kön­nen alle von der Wär­me­wen­de pro­fi­tie­ren und Kli­ma­schutz sozi­al gerecht gestal­tet wer­den. Anstatt die not­wen­di­gen För­de­run­gen abzu­schaf­fen, soll­ten die­se im Sin­ne des Kli­ma- und Ver­brau­cher­schut­zes refor­miert wer­den.

The­se 3: „Büro­kra­tie-Abbau“ geht auf Kos­ten von Pla­nungs­si­cher­heit, Verbraucher:innen sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz

Grund­sätz­lich erlaubt das GEG Hei­zun­gen, die min­des­tens 65 Pro­zent erneu­er­ba­re Ener­gien nut­zen. For­mell sei das GEG somit zwar „tech­no­lo­gie­of­fen“, aber in Wirk­lich­keit gebe es stren­ge büro­kra­ti­sche Anfor­de­run­gen, sodass nur weni­ge Optio­nen infra­ge kom­men, so die Kri­ti­ker. Tat­säch­lich bie­tet das Gesetz pau­scha­le und pra­xis­taug­li­che Lösun­gen wie Solar­ther­mie, Wär­me­pum­pen und Fern­wär­me – Tech­no­lo­gien die sich bewährt haben für Berei­che, die ohne­hin kli­ma­neu­tral wer­den müs­sen. Sie sind in der Regel ver­füg­bar und funk­tio­nie­ren. An die­ser Stel­le kön­nen Haus­hal­te oft­mals schon ver­gleich­bar ein­fach einen Haken an die Fra­ge set­zen, für wel­che Hei­zung sie sich ent­schei­den können.

Ande­re Hei­zungs­ar­ten unter­lie­gen zusätz­li­chen Anfor­de­run­gen, etwa an Nach­hal­tig­keit und Ver­brau­cher­schutz. Bei­spiels­wei­se müs­sen Pel­let­hei­zun­gen Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en erfül­len. Bei Was­ser­stoff­hei­zun­gen müs­sen Gas­netz­be­trei­ber garan­tie­ren, dass Erd­gas recht­zei­tig durch Was­ser­stoff ersetzt wird – oder sonst Haus­hal­te ent­schä­di­gen. War­um auch nicht? Was soll­te eine Volks­par­tei gegen den Schutz der Verbraucher:innen vor hohen Kos­ten haben? Sol­che Vor­ga­ben sind sinn­voll, um das kom­ple­xe Span­nungs­feld der Wär­me­wen­de aus Wirt­schaft, Klima‑, Umwelt‑, und Ver­brau­cher­schutz adäquat abzu­de­cken. Risi­ken für Verbraucher:innen wie Kos­ten­stei­ge­run­gen oder Ver­sor­gungs­pro­ble­men zu schüt­zen sowie nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen wer­den so reduziert.

Das Hei­zungs­ge­setz bie­tet zudem Aus­nah­men, um wirt­schaft­li­che Här­ten zu ver­mei­den, und kla­re Leit­li­ni­en, wel­che Tech­no­lo­gien zukunfts­si­cher sind. Ohne die­se Schutz­me­cha­nis­men stün­den Verbraucher:innen allein vor der Fra­ge, wel­che Inves­ti­tio­nen sich lang­fris­tig loh­nen. Auch hier kann man fra­gen, ob es per­fekt ist. Das ist es sicher­lich nicht. Aber eine Abschaf­fung des Geset­zes wür­de nicht nur die Kli­ma­zie­le gefähr­den. Ohne das Gesetz wür­den die­se als „büro­kra­ti­schen Hür­den“ ver­schrie­nen Schutz­me­cha­nis­men weg­fal­len. Auch die Hei­zungs­bran­che pocht dar­auf, das Gesetz nicht abzu­schaf­fen. Dies wür­de zu Ver­un­si­che­run­gen füh­ren und gefähr­de Pla­nungs­si­cher­heit,  sag­te Jörg Dittrich, Prä­si­dent des Zen­tral­ver­ban­des des Deut­schen Hand­werks, im Inter­view. Man brau­che jetzt Kon­ti­nui­tät und kla­re Signa­le sei­tens Politik.

Mein Fazit: War­um das Hei­zungs­ge­setz blei­ben und  opti­miert wer­den muss

Ohne kla­re Vor­ga­ben gleicht die Kli­ma­po­li­tik einem Schiff ohne Kom­pass – die Kli­ma­zie­le könn­ten lang­fris­tig nicht ein­ge­hal­ten wer­den und die Umset­zung der not­wen­di­gen Maß­nah­men ist womög­lich kost­spie­li­ger und inef­fi­zi­en­ter als sie sein müss­te. Die Abschaf­fung des Hei­zungs­ge­set­zes wür­de nicht nur die Ener­gie­wen­de im Gebäu­de­sek­tor aus­brem­sen, son­dern auch mas­si­ve Unsi­cher­heit schaf­fen. Auch alle Tech­no­lo­gien unein­ge­schränkt zu erlau­ben und dabei etwa nur auf einen CO2-Preis zu set­zen, käme dem gleich. Bürger:innen, die bereits kli­ma­freund­li­che Heiz­sys­te­me pla­nen oder ein­ge­baut haben, wüss­ten nicht mehr, wel­che Regeln künf­tig gel­ten. Hand­werks­be­trie­be und die Indus­trie müss­ten Inves­ti­tio­nen zurück­stel­len, weil die poli­ti­sche Rich­tung unklar wäre. Die­se Unsi­cher­heit wäre ein fata­les Signal für den Kli­ma­schutz und die Wirt­schaft – gera­de in poli­tisch stür­mi­schen Zei­ten. Ein ver­läss­li­ches Inves­ti­ti­ons­si­gnal ist das A und O, um Inno­va­tio­nen zu för­dern und die Ener­gie­wen­de umzusetzen.

Die Abschaf­fung des Hei­zungs­ge­set­zes wäre ein Rück­schritt – für den Kli­ma­schutz, die sozia­le Gerech­tig­keit und die Glaub­wür­dig­keit der deut­schen Kli­ma­po­li­tik. Das Gesetz ist nicht per­fekt, aber es bie­tet eine wich­ti­ge Grund­la­ge, um die Ener­gie­wen­de fair und effek­tiv vor­an­zu­brin­gen. Dort wo es nicht per­fekt ist, müs­sen wir es ver­bes­sern. Wir als WWF möch­ten uns ger­ne dar­an betei­li­gen, das Hei­zungs­ge­setz zu stär­ken und kom­pli­zier­te Rege­lun­gen ein­fa­cher zu machen – aller­dings nicht auf Kos­ten von Umwelt, Kli­ma und Verbraucher:innen. Andern­falls wür­de damit die Ver­ant­wor­tung für den Schutz der Bürger:innen abgegeben.

Eine zukunfts­ori­en­tier­te Poli­tik im Sin­ne der Bürger:innen und Verbraucher:innen muss die­sem Druck stand­hal­ten und statt einer Abschaf­fung des Hei­zungs­ge­setz­tes des­sen Opti­mie­rung vor­an­trei­ben. Der Kli­ma­schutz braucht kla­re Leit­plan­ken eine lebens­wer­te Zukunft und eine gerech­te Ener­gie­wen­de – auch im Heizungskeller.

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Ich arbeite als Referent Klimaschutz und Energiepolitik vor allem mit der Beschleunigung der Energiewende in Deutschland. Dabei liegt mein Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie das Hochfahren einer erfolgreichen Wärmewende. Auch wenn ich derzeit vor allem zu nationalen politischen Themen arbeite, liegt mir eigentlich seit meinem Studium die europäische Politik besonders am Herzen.
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