Keine gute Nachricht für den Artenschutz in Deutschland: Der im Westerwald aufgefundene und zu seiner Erlösung erschossene Wisentbulle ist nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Zum einen wurde bei der Obduktion des toten Tieres eine ältere Schussverletzung festgestellt, die nicht im Zusammenhang mit dem tödlichen Schuss steht. Diese mehrere Monate alte Verletzung könnte der Grund für den allgemein sehr schlechten Zustand des Tieres gewesen sein. Zum anderen ist auch die rechtliche Grundlage für den erlösenden Schuss im Juni fraglich, da zuvor wohl nicht die notwendige Genehmigung des Umweltministeriums eingeholt wurde.
Erschossener Wisent im Westerwald: Folge einer älteren Straftat
Die alte Schusswunde aus dem Obduktionsbericht lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Wisent schon zuvor unrechtmäßig angeschossen wurde. Das wäre selbst bei nicht geschützten Arten ein Problem. Denn angeschossenes Wild muss vom Jagdbeauftragten gesucht und erlöst werden. Davon abgesehen sind Wisente laut europäischem und nationalem Recht aber streng geschützt und dürfen keinesfalls bejagt werden. Die Schussverletzung ist dementsprechend ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutz‑, sowie das Bundesjagdgesetz. Dieser Straftat muss nachgegangen und die Täter:innen müssen angemessen bestraft werden! Wer einem Tier einer streng geschützten Art ohne vernünftigen Grund nachstellt, es fängt, verletzt oder tötet, begeht eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belegt werden (BNatSchG §71 in Anlehnung an §44).
Wie kam der Wisentbulle in den Westerwald?
Das Tier stammt von einer freilebenden Herde im 150 Kilometer entfernten Rothaargebirge im Sauerland in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden die urigen Wildrinder 2013 wieder angesiedelt. Da männliche Wisente allein losziehen, um andere Weibchen zu finden, ist der Bulle Richtung Süden abgewandert und schließlich im Westerwald angekommen.
Warum musste der Wisent erschossen werden?
Am 21. Juni 2022 wurde der Wisentbulle völlig entkräftet und schwer verletzt in Selters in Rheinland-Pfalz gefunden. Anscheinend hatte sich das Tier mehrere Beine gebrochen und lag schon längere Zeit am Boden. Auch ein Madenbefall wurde festgestellt. Nach Abstimmung von Polizei, dem Jagdausübungsberechtigten und einem tierärztlichen Notdienst wurde der Wisent aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands von einem Jäger erschossen.
Laut Bundesnaturschutzgesetz ist für die letale Entnahme eines streng geschützten Tieres wie dem Wisent jedoch zwingend eine Ausnahmegenehmigung notwendig, welche laut Medienberichten nicht vorlag. Die Entscheidungsbefugnis liegt in so einem Fall allein beim zuständigen Ministerium.
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Nicht der erste gewilderte Wisent in Deutschland
Im Jahr 2017 gab es bereits einen Fall, der durch die Medien ging: Nach der Ausrottung der Wisente in Deutschland überquerte ein Wisentbulle erstmals nach mehreren Jahrhunderten die Grenze von Polen nach Deutschland. Kurz nach dem Grenzübertritt wurde der Wisent, der zu uns in die Heimat seiner Vorfahren zurückgekehrt war, in Lebus in Ostbrandenburg ohne vorhandene Ausnahmegenehmigung erschossen. Der WWF hat damals Strafanzeige wegen des Abschusses gestellt. Das Justizministerium Brandenburg stufte die Tötung des Wisents als illegal ein. Auch die illegale Tötung von anderen unter Artenschutz stehenden Tieren wie zum Beispiel Wölfen, Luchsen oder Greifvögeln ist keine Seltenheit in Deutschland.
WWF fordert umfassende Aufklärung
Dass es nun wieder eine illegale Handlung gegen einen Wisent gab, schockiert uns als WWF sehr und zeigt, wie wichtig die Arbeit für den Artenschutz in Deutschland weiterhin ist. Denn ohne die Unterstützung der Menschen vor Ort und der Behörden sieht es für die Artenvielfalt in Deutschland düster aus. Die illegale Tötung oder das Verletzen eines streng geschützten Tieres ist kein Kavaliersdelikt. Deshalb fordern wir als WWF Deutschland eine umfassende Untersuchung und Aufklärung des Falles, damit es zu keinen weiteren illegalen Abschüssen von unter Schutz stehenden Tieren kommt.
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Wisente schützen, Wilderei verhindern
Um weitere Fälle wie in Lebus und im Westerwald künftig zu verhindern, setzt sich der WWF im EU-Interreg geförderten Projekt LosBonasus-Crossing! für die Lösung von Konflikten zwischen Wisent und Mensch ein und erarbeitet Empfehlungen für ein artgerechtes Management und Monitoring der großen Pflanzenfresser.
Kommentare (13)
Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für den unermüdlichen Einsatz für die Natur. Ich bin bereits WWF-Protektor, werde meinen Einsatz aber noch steigern. These are crucial times.
Die Menschen haben den Tieren die Hölle auf Erden gebracht … danke für ihren Einsatz … tierquälerei muss bestraft werden … was sind das für Menschen, die Tieren leid zufügen … wir müssen aktiv für die Umwelt und die Tiere kämpfen.
Der erste Schuss muss unbedingt verfolgt werden! Im erlösenden zweiten Schuss mag vielleicht nicht der rechtlich absolut korrekte Weg beschritten worden sein. Auch wenn diese Rechte wichtig sind, wurde dem Tier mit der Entscheidung weiteres unnötiges Leid erspart und es wurden mehrere offizielle und kompetente Stellen (Jagdausübungsberechtigter, Polizei, Tierarzt) hinzugezogen. Die beiden Taten sind nicht vergleichbar und sollten nicht gleich verfolgt werden, weil sonst niemand mehr im Sinne des Tieres handeln wird.
Es ist mir völlig unverständlich, dass der WWF in diesem Beitrag insbesondere die Tötung des schwer verletzten Tieres, dessen Leiden angesichts insbesondere mehrerer gebrochener Beine unbestreitbar war und zudem noch von einem Tierarzt bestätigt wurde, anprangert und auf das vorherige Beantragen einer Ausnahmegenehmigung pocht.
Man kann die völlig berechtigte Forderung nach Aufklärung auch stellen, ohne das strikte Einhalten einer rechtlichen Praxis einzufordern, die in diesem Fall das Tierleid nur völlig unnötig verlängert, wenn durch einen Fachmann bereits festgestellt wurde, dass das Tier leidet und es keine sinnvolle Prognose für ein gesundes, schmerzfreies Weiterleben gibt. Dass es eine Regelung gibt, dass Tiere streng geschützter Arten nur mit Ausnahmegenehmigung getötet werden dürfen, ist definitiv sinnvoll, allerdings nur in anders gelagerten Fällen, wo es z.B. darum geht, ob das besagte streng geschützte Tiere eine Bedrohung z.B. für Menschen oder andere streng geschützte Ziele im Bereich des Artenschutzes o.ä. darstellt. In solchen Fällen würde das Abwarten aber für das betroffene Tier kein Leiden darstellen, im Gegenteil.
Hier aber ist meiner Meinung nach definitiv eher die Frage relevant, was den Wisent in seine Lage gebracht hat, die für ihn dann ein derartiges Leiden bedeutete, dass eine Euthanasie aus Tierschutzgründen dringend und eilbedürftig angeraten war, d.h. es ist auf die Frage nach dem ersten Schuss abzustellen, nicht darauf, ob die Tötung in diesem Fall unangemessen war.
Danke!
Also wenn es dem Wiesent so schlecht ging das er gelitten hat und eine Genesung unwahrscheinlich ist, dann muss vor Ort entschieden werden können, ob er erlöst wird oder nicht und nicht in irgend einem Ministerium. Das dauert doch viel zu lange und ist zu weit weg. Im Sinne des Tieres kann so eine lange Meldekette, in so einer Extremsituation, nicht sein.
Das einzige, was ich an dem Bericht kritisiere ist, dass man erst die Genehmigung des zuständigen Ministeriums hätte einholen müssen, um das arme Tier zu erlösen. Dafür hätte der Wisent völlig unnötig noch länger leiden müssen. Ich finde, in diesem Fall war es gut und richtig, nicht erst noch tagelang zu warten, bis sich im Ministerium mal irgendjemand der Sache annimmt.
das Problem existiert schon lange, geändert hat es sich aber nur zum Nachteil. NRW-CDU Kurzzeit Agrarministerin Schulze-Föcking hat den Wilderern seinerzeit einen Bärendienst erwiesen und 2018 die Stabsstelle für Umweltkriminalität aufgelöst. Wir haben viele große Umweltverbände, was leisten diese konkret außer Probleme zu beschreiben? Wilderern in Deutschland fallen mittlerweile sogar schon Polizisten zum Opfer und die Hobbyjägerschaft macht sich immer noch ihre eigenen Gesetze, auch "Taubensportler" und Geflügelzüchter gehören immer wieder zu den üblichen Verdächtigen. In so manchem Revier geht es schaurig zu. Selbst in der Landwirtschaft gibt es noch geächtete Tiere, die sinnfrei vernichtet werden und als Vogelscheuchen aufgehängt werden. Jaa, auch heute noch, trotz generellem Vogelschutz werden, aus welchem Grund auch immer "Ausnahmebewilligungen" erteilt. Die Politik, aber auch die strafverfolgenden Behörden zeigen wenig bis gar kein Interesse Umweltkriminalität ernsthaft zu verfolgen. Natur und nichtmenschliche Lebewesen haben bis Heute wenig bis gar keinen Wert. Ich erstelle mir nun eine Liste mit den von "Naturausbeutern" verwünschten Tieren, die als Konkurrenz angesehen werden und ständig als mysteriöse Opfer aufgefunden werden. Auch der Errichtung von Windenergieanlagen fielen viele geschützte Vogelarten zum Opfer, vor und nach dem Bau. Das ist heutzutage sogar politisch relativiert.
Es ist wirklich nicht zu glauben! Alles, was nach Deutschland kommt, wird sofort erschossen. So ging es vor Jahren dem Bär, der aus Polen kam und nun der Wisent. Wenn das arme Tier sogar gebrochene Beine hatte, was ist ihm geschehen? Das muss hart bestraft werden.
Lange überfällig, härtere Strafen für Tierquäler u. auch in diesem u. ähnlichen Fällen, wo Jäger sich das Recht nehmen, entscheiden zu dürfen, welches Tier erschossen wird. Tierqual, leider weltweit, aber auch bei uns in Deutschland, besonders sog. Nutztiere sind betroffen. Ihre alltägliche Qual wird viel zu selten gezeigt. Strafen für Tierqual sind selten u. dann zu mild. In Hilter/Landkreis Osnabrück ließ ein Tierhalter 300 Schweine verhungern(Nov. 2021). Bekannte Ausreden wie es dazu kam ..., Fakt aber: es war nicht mehr profitabel, die Tiere auf einem extra zugepachteten Hof zu versorgen. Die Schweine fraßen sich teils gegenseitig. Extreme Qual, Streß, Schmerz für die Schweine, sie waren eingesperrt, konnten nicht entkommen. Das Urteil des Gerichts in Oldenburg: Geldstrafe, Tierhaltungsverbot, aber keine Haftstrafe, obwohl dieses Verbrechen nicht im Affekt geschah, sondern wissentlich, geplant. Nach 2 oder 3 Tagen wäre auch noch eine Fütterung möglich gewesen. 12 000 Euro Vermögen waren vorhanden. Die 65 Rinder auf dem eigenen Hof wurden gefüttert. Dieses Urteil ist eine Schande - und Urteile dieser milden Art sind üblich - in Deutschland!
das Problem existiert schon lange, geändert hat es sich aber nur zum Nachteil. NRW-CDU Kurzzeit Agrarministerin Schulze-Föcking hat den Wilderern seinerzeit einen Bärendienst erwiesen und 2018 die Stabsstelle für Umweltkriminalität aufgelöst. Wir haben viele große Umweltverbände, was leisten diese konkret außer Probleme zu beschreiben? Wilderern in Deutschland fallen mittlerweile sogar schon Polizisten zum Opfer und die Hobbyjägerschaft macht sich immer noch ihre eigenen Gesetze, auch "Taubensportler" und Geflügelzüchter gehören immer wieder zu den üblichen Verdächtigen. In so manchem Revier geht es schaurig zu. Selbst in der Landwirtschaft gibt es noch geächtete Tiere, die sinnfrei vernichtet werden und als Vogelscheuchen aufgehängt werden. Jaa, auch heute noch und trotz generellem Vogelschutz werden, aus welchem Grund auch immer "Ausnahmebewilligungen" erteilt. Die Politik, aber auch die strafverfolgenden Behörden zeigen wenig bis gar kein Interesse Umweltkriminalität ernsthaft zu verfolgen. Natur und nichtmenschliche Lebewesen haben bis Heute wenig bis gar keinen Wert. Ich erstelle mir nun eine Liste mit den von "Naturausbeutern" verwünschten Tieren, die als Konkurrenz angesehen werden und ständig als mysteriöse Opfer aufgefunden werden. Auch der Errichtung von Windenergieanlagen fielen viele geschützte Vogelarten zum Opfer, vor und nach dem Bau. Das ist heutzutage sogar politisch relativiert.
Traurig, dass Tiere getötet werden, wenn die Beine gebrochen sind.