Buchen­wäl­der: die Natur­wun­der vor der Haustür

Naturwunder vor der Haustür © Lehmann / Nationalpark-Zentrum KÖNIGSSTUHL

Was haben das Gre­at Bar­ri­er Reef vor der Küs­te Aus­tra­li­ens, der Yel­low­stone Natio­nal­park und fünf Buchen­wäl­der in Deutsch­land gemein­sam? Mehr als ihr viel­leicht denkt.

Denn neben dem größ­ten Koral­len­riff der Welt und dem ältes­ten Natio­nal­park der Erde gehö­ren auch fünf deut­sche Buchen­wäl­der zum Welt­na­tur­er­be der UNESCO – und wur­den damit zu ein­zig­ar­ti­gen Natur­land­schaf­ten mit uner­setz­li­chem Wert für die Mensch­heit erklärt.

Aus­führ­lich heißt das Welt­na­tur­er­be “Alte Buchen­wäl­der und Buchen­ur­wäl­der der Kar­pa­ten und ande­rer Regio­nen Euro­pas”. In Deutsch­land gehö­ren der Grum­si­ner Forst in Bran­den­burg dazu, der Natio­nal­park Kel­ler­wald-Eder­see in Hes­sen, der Natio­nal­park Jas­mund auf Rügen, der Ser­r­ah­ner Buchen­wald im Müritz-Natio­nal­park in Meck­len­burg-Vor­pom­mern sowie der Natio­nal­park Hai­nich in Thü­rin­gen. Es umfasst aber noch über sieb­zig wei­te­re Wäl­der in elf Län­dern Euro­pas. Die deut­schen Buchen­wäl­der wur­den am 25. Juni 2011 von der UNESCO-Kom­mis­si­on auf­ge­nom­men. Und so ist der 25. Juni offi­zi­ell der Tag der Buchen­wäl­der.

Die Buchen­wald-Welt­erben in Deutsch­land © WWF

Doch was genau macht die Buchen­wäl­der so besonders?

Um das zu beant­wor­ten rufe ich bei Peter Leh­mann an. Leh­mann ist Forst­in­ge­nieur und arbei­tet im Natio­nal­park-Zen­trum Königs­stuhl im Natio­nal­park Jas­mund auf Rügen, der neben blau­er Ost­see­küs­te und den berühm­ten wei­ßen Krei­de­fel­sen einen der fünf deut­schen Natur­er­be-Buchen­wäl­der umfasst. Wenn mir jemand über Buchen berich­ten kann, dann Leh­mann – und das tut er. Buchen sind unser euro­päi­sches Erbe, „unse­re Ur-Natur­re­fe­renz“, wie er sagt. Ohne das Ein­grei­fen des Men­schen wäre die Buche in Deutsch­land die häu­figs­te Baum­art und wür­de zwei Drit­tel des Lan­des bede­cken. Sie ist per­fekt ange­passt an das mit­tel­eu­ro­päi­sche Kli­ma und wür­de unse­re natür­li­che Vege­ta­ti­on bil­den. Eigentlich.

Doch die Rea­li­tät sieht anders aus. Nur etwa fünf­zehn Pro­zent der Bäu­me in unse­ren Wäl­dern sind Buchen. Und von der ursprüng­li­chen Ver­brei­tung der Buchen­wäl­der in Euro­pa sind laut Leh­mann nur noch 0,02 Pro­zent erhal­ten. Nahe­zu nichts. Es ist „kurz vor zwölf“ mahnt der Forstingenieur.

Buchen­wäl­der: Hei­mat tau­sen­der Arten

Des­we­gen ist es so wich­tig, die letz­ten erhal­te­nen Buchen­wäl­der zu schüt­zen. Buchen und ande­re hei­mi­sche Laub­bäu­me sind unse­re bes­ten Ver­bün­de­ten im Kampf gegen den Kli­ma­kol­laps im Wald. Sie erhö­hen den Grund­was­ser­spie­gel, sor­gen für ein küh­le­res Wald­kli­ma und beu­gen so Brän­den vor. Gleich­zei­tig sind sie meist bes­ser gegen Stür­me gewapp­net und weni­ger anfäl­lig für Insektenfraß.

Das gilt ins­be­son­de­re für die alten, sich selbst über­las­se­nen Wäl­der. Dort, wo es auch Tot­holz und Bäu­me in allen Alters- und Zer­falls­sta­di­en gibt. Urwäl­der von mor­gen. Denn ech­te, noch nie vom Men­schen beein­fluss­te Urwäl­der, gibt es nicht mehr in Deutsch­land. Doch immer­hin eini­ge Wäl­der wie die im Natio­nal­park Jas­mund wur­den zumin­dest seit einer län­ge­ren Zeit nicht mehr vom Men­schen genutzt – und sind des­we­gen auf dem bes­ten Weg, wie­der Wild­nis zu werden.

Fol­ge uns in Social Media 

Doch die­se alten Buchen­wäl­der sind sehr sel­ten. Das wird dar­an deut­lich, dass vie­le Men­schen glau­ben, Buchen hät­ten immer eine glat­te, graue Rin­de. Das ist bei jun­gen Buchen zwar rich­tig – doch auch sie bekom­men eine ris­si­ge Rin­de. Das dau­ert aller­dings etwa 200 Jah­re. Die Chan­ce, so alt zu wer­den, wird den aller­meis­ten Buchen in Deutsch­land nicht gege­ben. Sie wer­den mit 100, 120 Jah­ren abge­holzt, „geern­tet“, wie Förster:innen sagen.

In alten Buchen­wäl­dern wie Ser­r­ahn oder Jas­mund gibt es sie aber noch, die Buchen mit ris­si­ger Rin­de, sowie Tot­holz und Bäu­me in allen Zer­falls­sta­di­en. Das macht den Wald unglaub­lich wert­voll für die bio­lo­gi­sche Viel­falt und zu einem Lebens­raum für 6700 Tier­ar­ten und 4300 Pflan­zen- und Pilz­ar­ten, von denen vie­le wie der Kno­chen­glanz­kä­fer (Trox per­ri­sii) aus­schließ­lich in altem Buchen­wald vorkommen.

Was kön­nen wir für die Buchen­wäl­der tun?

Durch die Wald­nut­zung und ‑über­nut­zung gibt es immer weni­ger gesun­de, natur­be­las­se­ne Wäl­der. Wegen der hohen Nach­fra­ge nach Fich­ten- und Kie­fern­holz sind außer­dem mehr als die Hälf­te der deut­schen Wäl­der Nadel­fors­te. Was kei­nes­falls ihrer natür­lich vor­kom­men­den Aus­brei­tung ent­spricht. Nadel­wäl­der sind schlech­ter gegen den Kli­ma­wan­del gewapp­net als Buchen und anfäl­li­ger für Schäd­lin­ge wie den Borkenkäfer.

Was kön­nen wir also für die Buchen­wäl­der tun? Zunächst ein­mal soll­ten wir ein Bewusst­sein dafür ent­wi­ckeln, dass uns in Euro­pa Buchen­wäl­der seit Jahr­hun­der­ten umge­ben. Buchen­wäl­der sind unse­re Hei­mat, die uns alle etwas angeht und die wir aktiv schüt­zen und ver­tei­di­gen soll­ten. „Nur weil die fünf Wäl­der den Titel Welt­na­tur­er­be tra­gen, heißt es nicht, dass die Gesell­schaft aus der Ver­ant­wor­tung raus ist“, appel­liert Leh­mann für mehr Ver­ant­wor­tung. Wir brau­chen wir eine grö­ße­re Öffent­lich­keit, die auf den Zustand der Wäl­der schaut und im Blick hat, was die­se bedroht.

Alte Buchen­wäl­der sind vol­ler Arten © Leh­mann / Natio­nal­park-Zen­trum KÖNIGSSTUHL

Hin­zu kommt, dass wir alle unser eige­nes Ver­hal­ten so kli­ma- und damit wald­freund­lich wie mög­lich gestal­ten soll­ten. Die Poli­tik soll­te grö­ße­re Kom­ple­xe von Buchen­wäl­der schüt­zen und den öko­lo­gi­schen Wald­bau vor­an­trei­ben. Das Kon­junk­tur­pro­gramm der Bun­des­re­gie­rung muss gezielt Laub­misch­wäl­der för­dern, wie sie natür­li­cher­wei­se in Deutsch­land vor­kom­men. Das ist sowohl im Sin­ne des Natur­schut­zes als auch wirt­schaft­lich lang­fris­tig der bes­te Weg.

Besuch im Buchen­wald – im Urwald von morgen

Wer also noch nie in einem „Urwald von mor­gen“ war, der soll­te eine der fünf Welt­na­tur­er­be­stät­ten in Deutsch­land besu­chen. Bei­spiels­wei­se im Natio­nal­park Jas­mund auf Rügen. Dort, wo „der Wald ins Meer stürzt“, bei den Hang­wäl­dern an den Klif­fen, wur­de der Wald tat­säch­lich noch nie vom Men­schen ange­fasst und bil­det so etwas wie ein Wildnis-Relikt.

Außer­dem gibt es auf Rügen ein gro­ßes Natio­nal­park­zen­trum in dem auf vier Eta­gen gelernt, ange­fasst und ent­deckt wer­den kann, sowie ein UNESCO-Welt­erbe­fo­rum, das wir vom WWF und die Stadt Sass­nitz gemein­sam betrei­ben. Im alten Wald­haus kön­nen alle noch etwas über unser Welt­erbe Buchen­wäl­der ler­nen, wetten?

Zum Stau­nen muss es also gar nicht unbe­dingt das Gre­at Bar­ri­er Reef oder der Yel­low­stone Natio­nal­park sein. Die Natur­wun­der lie­gen vor unse­rer Haustür.

Vertritt die Generation Y als Werkstudentin im Team Klimaschutz und Energiepolitik. Arbeitet und lebt in Hamburg, ist aber immer wieder gerne auf Stippvisite in der Hauptstadt. Ansonsten ab und zu auf Demos für einen grünen Wandel unterwegs, Ultimate Frisbee-spielend im Park oder anbadend im See.

Kommentare (1)

  • Der Beitrag zum Thema Buchenwälder hat mir sehr gefallen. Beim Stichwort Ur-Wälder: Dieses Jahr werde ich wieder im Nationalpark Bayerischer Wald wandern. Ich kenne ihn aus meiner Kindheit und bin alle paar Jahre mal dort. Einzigartig für wahrscheinlich ganz Mitteleuropa kann man dort beobachten, wie ein ehemaliger Wirtschaftswald seit 1970 sich in einen sich selbst überlassenen Naturwald von selbst transformiert. Der Borkenkäfer hat die Fichtenplantagen mittlerweile restlos beseitigt. Der Wald erfindet sich neu. Mehr Artenreichtum in Fauna und Flora sind das Ergebnis. Vielleicht auch einen Artikel wert, insbesondere, da das Experiment nun schon seit 50 Jahren läuft.

Auch interessant
[Sassy_Social_Share]