Pferde und Schweinefleisch — was hat das eigentlich miteinander zu tun? Mehr als die meisten Menschen denken würden.
Selbst mir als Nutztierwissenschaftlerin war der Zusammenhang lange nicht bewusst. Erst durch meine intensive Arbeit im Tierschutz erfuhr ich von der Problematik um das Fruchtbarkeitshormon PMSG. Pregnant Mare Serum Gonadotropin ist ein Hormon produziert von trächtigen Stuten. Das Schwangerschaftshormon wird vor allem in der konventionellen Schweinehaltung eingesetzt, um Betriebskosten zu senken und somit (noch) günstigeres Schweinefleisch zu produzieren. Was die wenigsten Verbraucher:innen wissen: Den Stuten wird unter schockierenden und tierquälerischen Bedingungen so viel Blut entnommen, dass sie enormes physisches und psychisches Leid ertragen. Aber erst mal von vorne.
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Wie PMSG gewonnen wird
Auf sogenannten Blutfarmen, die sich hauptsächlich in Südamerika oder auch Island befinden, werden Stuten in riesigen Herden gehalten, um ihnen regelmäßig große Blutmengen abzunehmen. Während der ersten drei Monate der Schwangerschaft befindet sich PMSG nämlich in besonders hoher Konzentration in ihrem Blut. In diesem Zeitfenster werden sie so oft wie möglich eingetrieben und angezapft. Die oft unterernährten Pferde haben einen offiziellen Besitzer (den PMSG-Konzern), jedoch leben sie eher wild und sind Menschenkontakt nicht gewohnt. Aufnahmen der Animal Welfare Foundation und des Tierschutzbunds Zürich zeigen, wie die geschwächten Stuten gewaltvoll, teils mit Tritten und Schlägen, in Fixierstände getrieben werden. Als Tierschützerin und Verfechterin des Tierwohls kann ich mir nur zu gut vorstellen, wie traumarisierend und beängstigend diese Prozedur für ein Fluchttier sein muss.
Die Blutabnahme erfolgt unter keinen gesetzlichen Vorgaben und übersteigt jene Menge, die in Deutschland für nicht trächtige Stuten empfohlen wird. Als ich zum ersten Mal auf den Videos sah wie einer Stute die große Kanüle in den bereits vernarbten Hals gerammt wurde und sie versuchte aus dem Fixierstand auszubrechen und dabei ihr Bein zwischen zwei Holzlatten einklemmte, wurde mir schlecht. Die Belastungen, seelisch und körperlich, müssen enorm sein.
Mit dem WWF-Newsletter nichts mehr verpassen!Erleidet die Stute durch ihren schlechten gesundheitlichen Zustand, die mentalen Strapazen und den dauerhaften Blutentzug nicht von alleine eine Fehlgeburt, wird durch die Mitarbeiter:innen dafür gesorgt, dass das ungeborene Fohlen abstirbt — oft per „Handarbeit“. Das Fohlen ist eben für diese Industrie ein unnötiges Abfallprodukt, oder gar ein Störfaktor. Es geht schließlich darum so viel Blut wie möglich zu gewinnen, also wird die Stute gleich wieder neu besamt. Ich frage mich immer wieder in welchem Jahr wir leben und ob wir Menschen immer noch nicht verstanden haben, dass wir unseren Mitgeschöpfen auf der Erde nicht überlegen sind.
Wozu nun diese Quälerei?
Deutschland befindet sich unter den Top 5 der größten Schweinefleischhersteller der Welt. Die Deutschen lieben Schweinefleisch, es steht an erster Stelle was unseren Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch angeht. Schweinefleisch soll natürlich möglichst günstig sein. Dazu benötigt es effiziente Betriebsabläufe und geringe Betriebskosten der Tiererzeugungsbetriebe und natürlich eine regelmäßige, schnelle Reproduktion der Muttersäue.
PMSG unterstützt diese Bestrebungen gezielt. Das Hormon sorgt für eine Brunstsynchronisation, also eine Gleichschaltung der Zyklen aller Sauen oder Gruppen des Betriebs. Der Betrieb kann dann gesammelt Sperma bestellen, gleichzeitig die Sauen besamen, in einem Durchgang die neugeborenen Ferkel impfen und kastrieren und alle Tiere parallel ausstallen und die Buchten reinigen. Dadurch werden die nötigen Abläufe innerhalb des Stalls auf Effizienz getrimmt – und somit auch günstiger. Außerdem kann durch PMSG eine unnatürlich frühe Pubertät hervorgerufen und eine erhöhte Anzahl an Ferkeln pro Geburt erzeugt werden. Wenn man sich nun überlegt, dass unsere Sauen bereits genetisch so hochgezüchtet wurden, dass sie jetzt schon oft mehr Ferkel als Zitzen haben, dämmert einem schnell: Muttersauen werden zu Zuchtmaschinen degradiert und überzählige Ferkel können nicht ernährt werden. Sie sterben oft noch in der Ferkelbucht.
Schweine sind meine Lieblingstiere, sie sind sehr sozial, sie pflegen enge Beziehungen zueinander, spielen zusammen und schlafen aneinander gekuschelt. Ich bin mir sicher, dass die Trennung und der Tod nicht spurlos an einer Muttersau vorbei gehen – genauso wenig wie eine Fehlgeburt bei einer der Blutfarm-Stuten.
Ist PMSG seinen Nutzen wert?
Ich vermute, dass Menschen, die von PMSG hören sofort Mitleid mit den Pferden bekommen, denn Pferde werden von uns heutzutage eher als Heimtiere angesehen. Aber was genau ist der Unterschied zwischen einer Sau und einer Stute? Sollten sie nicht beide ohne physische und psychische Belastungen leben dürfen? Wir haben die Empathie vor allem Nutztieren gegenüber verloren, wir haben den Bezug zur Landwirtschaft verloren. Hinter den verschlossenen Türen der industrialisierten Tiererzeuger- und Mastbetriebe – genauso wie denen der Blutfarmen – verstecken wir das tatsächliche Leid. Kein Tier hat es verdient derart ausgebeutet zu werden, weder für sein kostbares Blut, noch für seine Nachkommen. Oder einfach nur sein Fleisch.
Ist diese systematische Quälerei wirklich nötig um unsere Massentierhaltung noch weiter zu steigern und preiswerter zu gestalten? Ist eine weitere Steigerung der Tiererzeugung überhaupt nötig? Und ökologisch vertretbar? Das System der industrialisierten Tierhaltung trägt in ganz erheblichem Maße zur weltweiten Klimakrise und dem Artensterben bei. Die Treibhausgasemissionen, die auf das Konto unserer Ernährungssysteme gehen, belaufen sich auf rund ein Drittel der gesamten von Menschen verursachten Emissionen.
Wie viel Fleisch und andere tierische Produkte wollen wir angesichts solcher Ausmaße noch produzieren? Sollten wir nicht anfangen die Massenproduktion abzulehnen und endlich unseren Fleischkonsum überdenken? Denn eines ist ganz deutlich: Die grausame Praxis der PMSG-Produktion reiht sich ein in die Geschichte von günstigem Fleischkonsum um jeden Preis!
Kommentare (5)
Ich bin so schockiert, aber auch beeindruckt von deinen Bericht.
Ich habe damals, in der Oberschule (vor etwa 18 Jahren) ein Referat zum Thema "Massentierhaltung in der Industrie" gehalten. Wie der Weg der Schweine von der Produktion bis zum Schlachthaus ist. Ich war damals so entsetzt und hatte mir so sehr gewünscht, das die Menschen aufwachen und merken wie wichtig jedes Lebewesen ist. Zum Glück hat sich dahingehend schon einiges geändert, trotzdem muss noch so vieles geschehen und dem Menschen bewusst gemacht werden, das wir es sind die es ändern können.
Und zu deiner Frage, meiner Meinung nach sollten wir aufjedenfall die Massenproduktion verbieten und so weit reduzieren das es möglich wird, dass wenn wir schon Fleisch essen, wir uns Bewusst sind, es kommt von glücklichen Tieren :)
Nur schockiert sein reicht nicht, hilft den Tieren nicht! Man muss das ggü Leuten aussprechen, habe geschrieben Mails, Postkarten, unzählige , an Behörden, reitvereinen und andere.
Ich brauche kein Fleisch essen, nicht Mal von glückliche Tiere, denn es gibt genug gesunder Fleischersatz dafür.
Ich bin wirklich immer wieder schockiert, wie wir Menschen mit den Tieren umgehen. Ein richtige und artgerechte Haltung ist so wichtig. Danke, dass ihr euch so dafür einsetzt!
Ich bin geschockt.
Kann man diese Betriebe nicht schließen? Ich hasse Tierquälerei!